Was ist Glaube?
Manch einer mag sich vielleicht fragen: „Was gibt es Trivialeres als den Glauben? Es ist doch ganz einfach: Jeder, der an Jesus glaubt, geht nicht verloren, sondern hat ewiges Leben (vgl. Joh 3,16). Wenn wir jemandem das Evangelium verkünden, sagen wir ihm selbstverständlich, dass er an Jesus glauben muss.“
Ich habe den Eindruck, wir verwenden den Begriff „Glaube“ mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass wir gar nicht auf die Idee kommen würden, einmal zu pausieren und uns zu fragen: Was ist Glaube? Dieser Frage geht der bereits verstorbene, von mir sehr geschätzte Theologe und Pastor R.C. Sproul nach. Ich war wirklich froh, dieses Buch in die Hände zu bekommen und mit Sproul über diese Frage nachdenken zu können.
Eine zentrale Frage wird auf den Punkt gebracht
Wenn dieser Glaube so zentral für uns Christen ist, stellt sich doch die Frage: Was verstehen wir darunter? Sproul möchte mit uns die Bibel aufschlagen und sich ansehen, wie der Glaube dort definiert wird. Wir sollen verstehen, wie der Glaube mit unserer Erlösung zusammenhängt und welche Komponenten für den „rettenden Glauben“ notwendig sind. Viele Leser wird interessieren, inwiefern der Glaube mit der Vernunft in Verbindung steht. Auch dieser Frage (und noch einigen anderen) geht Sproul in seinem wirklich kurzen (74 Seiten) und gut lesbaren Buch nach.
„Glaube bedeutet nicht nur, an Gott zu glauben und damit überzeugt zu sein, dass es ihn gibt, sondern Gott zu glauben.“
Bei der Definition von „Glaube“ bezieht Sproul sich auf Hebräer 11,1. Das ist wohl die prägnanteste Definition dieses Begriffs in der Bibel: „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, eine Überzeugung von Tatsachen, die man nicht sieht.“ Sproul kommt zum Ergebnis, dass der Glaube ein festes Vertrauen in Gott ist. Glaube bedeutet nicht nur, an Gott zu glauben und damit überzeugt zu sein, dass es ihn gibt, sondern Gott zu glauben. Was er sagt, ist vertrauenswürdig. Der Glaube ist keine Präferenz, kein Wunschdenken, er basiert auf der Wirklichkeit. Sproul ist es überdies wichtig, dass der Glaube tatsächlich etwas mit Überzeugtsein zu tun hat. Es ist der Bibel fremd, von einem „blinden Glauben“ zu sprechen, der jegliche Fakten ausblendet. An keiner Stelle werden wir aufgefordert, einfach die Augen zu schließen, tief durchzuatmen und blind zu glauben. Eine Überzeugung bildet sich, weil Fakten und Beweise schlichtweg dafür sprechen. Als Christen müssen wir keinen großen Keil zwischen Glaube und Vernunft treiben.
Der Glaube wird exemplarisch dargestellt
Über ein Drittel des Buches beschäftigt sich mit biblischen Personen, die uns Beispiele für gelebten Glauben liefern. Dadurch werden viele Facetten des Glaubens aufgezeigt. Sproul unternimmt also mit uns einen Spaziergang durch die „Ruhmeshalle der Glaubenshelden (vgl. Hebr 11,4–40)“ (S. 24). Anhand von Leuten wie Henoch und Abel können wir sehen, wie Menschen aus Fleisch und Blut – Menschen wie wir! – Gott durch den Glauben die Ehre gegeben und ihm gefallen haben. Noah zeigt uns, dass jemand, der Gott wirklich glaubt und ihm damit unerschütterlich vertraut, problemlos für alle Welt ein Narr sein kann. Was interessiert es uns denn, ob Professoren, Studenten, Politiker oder sonst jemand denken, wir seien naiv und unvernünftig, wenn wir an einen Schöpfergott und Erlöser glauben? Die Flut bzw. das Gericht Gottes kommt, auch wenn wir es nicht sehen. Gott hat es gesagt und wir glauben ihm.
„Gott ist vertrauenswürdig genug, sodass wir jedes Wagnis in Kauf nehmen können.“
Bei Abraham sehen wir auch eine weitere zentrale Facette des Glaubens: Glaube bedeutet ebenso, dass wir Gott gehorchen. Durch unseren Gehorsam wird sichtbar, dass wir Gott wirklich glauben. Das mag mit einem unerhörten Wagnis einhergehen – Abraham musste bereit sein, seinen Sohn zu opfern –, doch Gott ist vertrauenswürdig genug, sodass wir jedes Wagnis in Kauf nehmen können. Nicht zuletzt hat Abraham Gottes Auferstehungskraft geglaubt. Dabei hatte er noch nicht einmal erlebt, wie ein Toter tatsächlich auferweckt wurde. Wie viel mehr haben wir allen Grund, Gott zu glauben, da wir wissen, dass Gott seinen eigenen Sohn auferweckt hat.
Gott schenkt und erhält unseren Glauben
Die beiden letzten Kapitel sind recht kurz und doch behandeln sie wichtige Themen, die vom Autor gut auf den Punkt gebracht werden. Sproul ist davon überzeugt, dass der Glaube ein Geschenk Gottes ist. Er wendet sich gegen die gängige Auffassung, wir müssten glauben, um wiedergeboren zu werden. Vielmehr verhält es sich gemäß Sproul so, dass wir wiedergeboren werden müssen, um unser ganzes Vertrauen auf Gott setzen zu können. Ohne die Wiedergeburt sind wir geistlich leblos und somit völlig unfähig, uns überhaupt den Dingen Gottes zuwenden zu können. Gott verlangt zwar von allen den Glauben, doch er selbst ist auch derjenige, der diesen Glauben gibt. Er verlangt also etwas, das letztendlich nur er geben kann. Das ist auf der einen Seite natürlich für viele schwer anzunehmen, weil Gott ja offensichtlich nicht jedem Einzelnen den Glauben schenkt. Auf der anderen Seite ist es schlicht verblüffend, wenn Gott einem Sünder, der nur Strafe verdient hat, neues Leben schenkt und ihn zum Glauben an ihn selbst befähigt. Gott ist es wert, dafür auf ewig gepriesen zu werden. Im letzten Kapitel zeigt Sproul abschließend auf, wie wichtig das Wort ist, um Glauben hervorzubringen und diesen auch zu stärken.
Ich bin dankbar für dieses Buch
Es ist wertvoll, immer wieder über Dinge nachzudenken, von denen ich ausgehe, dass sie mir und den meisten doch bekannt sind. Ich habe dieses Buch langsam und mit einigen Pausen zum Nachdenken gelesen. Und ich denke, ich könnte das Gleiche noch einmal tun und wieder Gewinn davontragen. Ich wurde durch das Buch angeregt, über einige Bibelstellen nachzudenken und dadurch das Konzept des Glaubens noch mehr zu verstehen. Ich wurde ermutigt, wie die „Glaubenshelden“ meine Hoffnung und mein Vertrauen auf Gott zu setzen, den ich nicht sehe, aber den ich auf jeden Fall bald sehen werde. An der einen oder anderen Stelle wünschte ich mir weitere Ausführungen. Wenn es um das Thema Glaube geht, drängt sich beispielsweise schnell die Frage nach dem Zusammenhang von Glauben und Werken auf. Allerdings erlaubt das knappe Format nicht, auf alle Fragen einzugehen. Trotzdem empfehle ich dieses Buch gern weiter. Es wird sicherlich für viele lehrreich, stärkend und ermutigend sein.
Buch
R.C. Sproul, Was ist Glaube?, Bad Oeynhausen: Verbum Medien, 2022, 74 Seiten, ca. 6,90 EUR.
Das Buch kann auch direkt beim Verlag bestellt werden.