Ist jeder Christ ein Missionar?
Es ist gar nicht so leicht, diese Frage zu beantworten. Die Antwort hängt davon ab, wie wir den Begriff „Missionar“ verstehen.
Einige verwenden diesen Begriff in einem sehr herkömmlichen Kontext und meinen mit „Missionar“ eine Person, die dem Ruf Gottes folgt, um in einem fremden Land das Evangelium zu verkünden. In dieser Sichtweise ist nicht jeder Christ ein Missionar, sondern nur diejenigen, die ihre Heimat verlassen. Wir müssen aber darauf achten, die Beteiligung aller an der Verkündigung des Evangeliums zu betonen. Wenn der Begriff „Missionar“ nur in dem Sinne verwendet wird, dass Gottes eigene „Mission“ in der Welt nur für diejenigen gilt, die weit, weit, weg gehen und diejenigen, die zu Hause bleiben, es nicht schaffen, das Evangelium zu verkünden, dann wird die Gemeinde Schaden nehmen. Hier wird dann ein Christentum vertreten, das von Gottes Absichten in der Welt abgekoppelt ist.
In jüngerer Zeit verwendet man den Begriff „Missionar“ für alle, die sich irgendwie in Gottes Mission der Rettung seines Volkes in der Welt einbringen. In dieser Sichtweise wird jeder Christ zum Missionar und alle Nachfolger von Jesus sind in ihrem Leben irgendwie missionarisch tätig. Auch hier müssen wir darauf achten, dass wir unbedingt eine Kategorie für diejenigen brauchen, die Gott bewusst ausgesandt hat, um an fernen Orten zu evangelisieren. Wenn diejenigen, die den Begriff „Missionar“ im weiten Sinne verwenden, diese vernachlässigen, dann wird die Gemeinde Schaden nehmen und die Gefahr besteht, dass all diejenigen übersehen werden, die Gott dazu berufen hat, die Gemeinde bei der Ausbreitung des Evangeliums zu leiten.
In der Bibel wurden einige dazu berufen, das Evangelium in neue Gebiete zu verbreiten. Ein solcher Christ sollte das ganze Volk Gottes anführen, das Evangelium zu verbreiten. Das Gleiche gilt für diejenigen, die die Gabe des Dienens haben: Sie sollten alle Christen dahin führen, zu dienen.
Die biblische Idee hinter dem Begriff „Missionar“
Um der Frage nachzugehen, ob nun jeder Christ ein Missionar ist oder nicht, müssen wir verstehen, dass der Begriff „Missionar“ ein außerbiblischer Begriff ist, der dazu dienen soll, eine biblische Idee greifbar zu machen. Was steckt also hinter der biblischen Idee von Mission?
Gott, der Vater, hat sein Volk, die Gemeinde, aus allen Völkern der Welt herausgerettet. Jeder von uns Gläubigen hörte das Evangelium und wurde durch das Ausgießen der Liebe Gottes in unsere Herzen zum Leben erweckt. Wir empfingen den Heiligen Geist und wurden gleichzeitig in die Gemeinschaft des Geistes eingegliedert. Durch diese Eingliederung wurden wir in einzigartiger Weise darauf vorbereitet, nicht nur mit Gott, sondern auch miteinander Gemeinschaft zu haben. Wann immer also Christen in Gemeinschaft zusammen sind, bilden sie Ortsgemeinden, die das Evangelium durch ihr Leben und durch Gottesdienst verkünden. Die Gemeinde ist der Leib Christi. Dieser wurde von Gott in Jesus auf einzigartige Weise vorbereitet und mit der Kraft des Geistes für den Dienst ausgerüstet – den Dienst aneinander und an unseren Nächsten, zu Hause und auf der ganzen Welt.
„Gott möchte, dass sein Volk ihn in Reinheit und unbefleckt anbetet, dass es in Liebe miteinander lebt und sein Evangelium überall verkündet.“
Der Leib Christi, die Gemeinde, lebt. Gemeinden sind Vorposten des kommenden Reiches Gottes. Bis dieses Königreich vollständig ist, möchte Gott, dass die Gemeinde ihre Unterwerfung unter die Herrschaft des Königs Jesus in allem Frieden zum Ausdruck bringt und gleichzeitig daran arbeitet, seine Herrschaft in der ganzen Schöpfung zu verkünden. Die Apostelgeschichte zeigt sehr deutlich, dass Gottes fortgesetztes Wirken in der Welt diesem Zweck dient. Gott möchte, dass sein Volk ihn in Reinheit und unbefleckt anbetet, dass es in Liebe miteinander lebt und sein Evangelium überall verkündet.
Und Gott hat uns mit dieser Aufgabe nicht allein gelassen. Durch den Geist hat er uns dazu ausgerüstet, das zu tun, was er möchte. Durch die Kraft des Geistes, der in uns wohnt, verwandelt er uns langsam in das herrliche Ebenbild Christi. Dazu kommt noch, dass der Geist einige dazu befähigt hat, seinem Volk zu helfen, Weisheit in den Fragen zu besitzen, wo und wie sie handeln sollen. Außerdem hat er uns allen Geistesgaben gegeben, sodass wir unseren Platz in diesem großen Werk finden.
Gottes „Mission“
All dies hat Gott getan, damit seine Größe die Erde erfüllt. Er wird auch nicht eher ruhen, bis er ein Volk für seinen großen Namen errettet hat, ein Volk aus allen Stämmen, Sprachen und Nationen. Das ist die „Mission“ Gottes in der Welt, das Werk, das er entschlossen vollbringt.
Diese Mission ist Gottes Mission, auch wenn sie durch Gottes Volk gestaltet und realisiert wird. Jeder, der Jesus als seinem Herrn folgt, hat den Auftrag, Menschen zu Jesu Jüngern zu machen. Klar ist, dass unsere Einsatzmöglichkeiten stark variieren. Uns allen wurden Zeiten und Orte zugewiesen, dieser Berufung im Rahmen bestimmter Stationen unseres Lebens (etwa Familienleben, Single-Zeit, Gemeindemitgliedschaft, Staatsbürgerschaft) nachzugehen.
Auch wenn unsere individuellen Situationen variieren mögen, der Ruf, ein Jünger zu sein, bleibt derselbe: „Wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach“ (Lk 9,23). Nach seiner Auferstehung beauftragte Jesus seine Anhänger, sich seiner Mission anzuschließen und das Evangelium vom Reich Gottes über Land und Meer allen Völkern der Erde zu verkünden. Jede Hürde, die zwischen den Menschen besteht, wird in Christus überwunden. Das Evangelium reißt Barrikaden herunter, Barrikaden wie Klassenunterschiede, ethnische Herkunft, Geschlechter, Religion, Geopolitik, Sprache, Scham und Angst. In Christus werden Menschen vollständig mit Gott und untereinander versöhnt.
„All dies hat Gott getan, damit seine Größe die Erde erfüllt. Er wird auch nicht eher ruhen, bis er ein Volk für seinen großen Namen errettet hat, ein Volk aus allen Stämmen, Sprachen und Nationen.“
Ganz gleich, welchen Begriff wir verwenden, lasst uns alle neu festmachen, dass wir unserem Herrn und Erlöser folgen werden, um unseren Teil zu Gottes Mission beizutragen. Sind wir ihm gehorsam, dann werden wir alle mit dem Evangelium die ein oder andere Grenze überschreiten. Manche von uns wird Gott von unserem jetzigen Ort entwurzeln, sodass wir im Gehorsam das grenzüberschreitende Evangelium dahin bringen, wo es derzeit unbekannt ist.
Obwohl sowohl diejenigen, die bleiben, als auch diejenigen, die gehen, bei der Verbreitung des Evangeliums ihren Gehorsam demonstrieren, werden im herkömmlichen Sprachgebrauch nur Letztere als „Missionare“ bezeichnet. Aber beide sind notwendig. Denn wenn die Erlösung, die Jesus vollbracht hat, so unaussprechlich groß ist, dass sie die Grenzen zu allen Völkern der Welt einreißen kann, dann sollte ich sicherlich auch die Straße überqueren können, um das Evangelium mit der schwierigen Familie in meiner Nachbarschaft zu teilen.
Schlussfolgerung
Der Begriff „Missionar“ ist einfach ein außerbiblischer Begriff, der seine sprachlichen Wurzeln in der Idee des „Gesandtseins“ hat. Der Begriff wurde geprägt, um ein biblisches Prinzip greifbar zu machen. Die Gemeinde muss dieses Prinzip bewahren und lehren. Ob es sich nun um die konventionelle Idee handelt, kulturelle und sprachliche Grenzen zu überwinden, um alle Völker zu Jüngern zu machen, oder um die missionarische Idee, dass alle Christen zu Jüngern werden, wo auch immer sie sich befinden: Wir sollten Bezeichnungen nicht so verwenden, dass einer dieser biblischen Grundsätze untergeht.
Lasst uns stattdessen Jesus treu und gehorsam nachfolgen. Folgen wir ihm in unseren Häusern, auf unseren Straßen und zu den Ärmsten und am meisten Übersehenen in unseren Städten, wie auch zu den unerreichten und schwierigsten Orten in den entlegensten Teilen der Erde.