Blindes Klammern an Kontextualisierung

Buchauszug von David Helm
24. Januar 2023 — 2 Min Lesedauer

Kontex­tualisierung in der Predigt bedeutet, die Evangeliumsbotschaft so zu verkünden, dass sie im kulturel­len Kontext der Zuhörer verständlich ist und dazu passt. Oder anders ausgedrückt: Kontextuali­sierung bemüht sich um die Übertragung auf das Hier und Jetzt (wir heute). Sie bemüht sich um Relevanz und Anwendung für die Gegenwart.

Eines der Probleme des heutigen kontextua­lisierten Predigens ist jedoch, dass man der Kontextualisierung einen falschen Schwerpunkt zumisst. Da manche Prediger die Kontextualisierung zu einer klugen Disziplin erheben, die sich ganz und gar auf den praktischen Nutzen fokussiert, behandeln sie den Bibeltext willkürlich und halbherzig. Das ist das Problem des blinden Klammerns an Kontextualisierung: Aus dem gesunden Anliegen heraus, die Gemeinde geistlich voranzubringen, konzentriert sich der Prediger in seiner Vorbereitung ausschließlich auf kreative und künstlerische Methoden, um seine Predigt unbedingt relevant zu machen.

„Manche Prediger verbringen mehr Zeit damit, über ihren eigenen kulturellen Kontext zu grübeln, als Gottes Wort zu studieren.“
 

Überlegen Sie mal. Manche Prediger verbringen mehr Zeit damit, über ihren eigenen kulturellen Kontext zu grübeln, als Gottes Wort zu studieren. Wir sind ganz davon in Beschlag genommen, in der Predigt auf unsere Welt oder unsere Stadt einzugehen, um bloß relevant zu sein. Als Resultat begnügen wir uns damit, oberflächliche Eindrücke von dem Bibeltext zu vermitteln. Wir verges­sen, dass der Bibeltext das relevante Wort ist. Er verdient unsere größte geistige Anstrengung und gründliche Auslegung.

Anders ausgedrückt: Der Prediger wird zwangsläufig das Ziel der biblischen Auslegung verfehlen, wenn er sich von dem kulturellen Kontext leiten lässt, den er für Christus gewinnen will, anstatt von dem Wort Gottes, das von diesem Christus spricht. Das führt zum Ruin vieler unserer Gemeinden. Zu viele von uns glauben unbewusst, dass ein ausgeprägtes Verständnis unseres kulturellen Kontextes eher der Schlüssel zu einer kraftvollen Verkündigung sei als die Bibel selbst.

Ein blindes Klammern an Kontextualisierung verändert unser Predigen in mindestens drei Bereichen – und niemals zum Besseren. Erstens: Es beeinträchtigt unsere Perspektive beim Studium, sodass der Prediger sich in der Vorbereitung auf sei­ne Predigt mehr mit der Welt als mit Gottes Wort beschäftigt. So etwas bezeichne ich als impressio­nistisches Predigen. Zweitens: Blindes Klammern an Kontextualisierung verändert unseren Gebrauch der Kanzel: Das Wort Gottes soll dabei eher unsere enthusiastischen Pläne und Vorhaben unterstützen als die Pläne Gottes. Das nenne ich berauschtes Predigen. Und drittens: Es verschiebt unsere Sicht von Autorität. Die so „erfri­schende“ und „durch den Geist geführte“ supergeistliche Lesart des Predigers wird maßgeblich für die Wahrheit. Das nenne ich inspiriertes Predigen. So man­che Predigt, die wir als auslegend bezeichnen wür­den, wird dadurch in Wirklichkeit das Ziel verfehlen.

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Dieser Buchauszug stammt aus Auslegungspredigten: Wie wir heute Gottes Wort verkündigen von David Helm (S. 14–15).
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