Von Dan über Bethel bis Beerscheba

Geographielastige Texte predigen

Artikel von Bryan Murawski
16. Januar 2023 — 4 Min Lesedauer

Die Geschichtsbücher des Alten Testaments haben es in sich. Man denke nur an das Buch Josua! Diese Erzählung katapultiert den Leser von einem epischen Moment zum nächsten: Die Prostituierte Rahab versteckt zwei Spione, das Wasser des Jordans bleibt stehen, und schließlich fallen die Mauern Jerichos.

Doch vor dem Finale des Buches befinden sich 10 Kapitel, die mit geographischen Angaben gefüllt sind und die schönen Farben dieser Landschaft in ein Word-Dokument zu verwandeln scheinen. Der Prediger steht in Kapitel 15 gleich 63 Versen gegenüber, die mit Geographie angefüllt sind und Ortsnamen wie Hazar-Schual, Bisjot-Ja, Baala und El-Tolad enthalten (vgl. Jos 15,28–30). Meistens überspringen die bunten Seiten unserer Sonntagsschulbücher diese langen Listen von Ortsnamen. Viele Prediger tun das auch. In Josua 10 bleibt die Sonne stehen, und bald darauf kommen auch die meisten Predigtreihen zum Stillstand.

Nicht nur das Buch Josua hat Kapitel, die mit Geographie gefüllt sind. Auch Bücher wie 4. Mose, 1. und 2. Samuel, Hesekiel und Nehemia sind beladen mit Städten, Orten und komplizierten Reiserouten. Zweifelsohne kann es herausfordernd sein, Geographie zu predigen. Hier sind vier Ratschläge, wie wir an solche Kapitel herangehen können.

1. Finde heraus, wo sich diese Orte befinden

Geographie kann zum besten Freund eines Predigers werden, wenn er weiß, wie er sie gebrauchen kann. Nimm dir Zeit, bevor du durch ein Bibelbuch predigst, um die geographische Bewegung der Handlung zu verfolgen – von Stadt zu Stadt, Berg zu Berg, und vom See zum Ufer. Mache es dir zur Gewohnheit, beim Studium des Textes auch die Geographie zu betrachten. 

Dies kann eine frustrierende Angelegenheit sein, wenn die zwölf Seiten Kartenmaterial deiner Studienbibel nicht die Stadt beinhalten, die in deiner Passage erwähnt wird. Eine Bibel-Software oder eine Recherche im Internet kann dir viel Arbeit ersparen. Aber geographische Routen selbst von Hand zu verfolgen, bevor diese Hilfsmittel die Arbeit übernehmen, kann für die Predigtvorbereitung sehr förderlich sein. Genau wie du gelernt hast, deine eigenen exegetischen Überlegungen zu machen, bevor du Kommentare hinzuziehst, mach es dir zur Gewohnheit, das Gebiet selbst zu studieren, bevor du dafür ein digitales Werkzeug benutzt.

2. Führe dir den theologischen Nutzen von Texten mit vielen geographischen Angaben vor Augen

Theologie übertrumpft Geographie – immer! Es ist möglich, sich zu viel mit den Örtlichkeiten zu beschäftigen und dabei die theologische Wichtigkeit eines Textes zu vergessen. In Josua 15,33–63 werden mehr als 100 Dörfer und Städte genannt. Da hat auch der beste Bibel-Atlas Schwierigkeiten mitzukommen! Wenn du an solche Texte herangehst, solltest du dich nicht nur fragen: „Wo sind all diese Orte?“, sondern auch: „Wozu das Ganze?“

„Josua 15 beschreibt die Grenzen von Judas Erbe, die Grenzen von Gottes Segen. Jedes Tal, jeder Hügel und jede Stadt, die erwähnt wird, zeugt von Gottes Fürsorge für diesen Stamm.“
 

Josua 15 beschreibt die Grenzen von Judas Erbe, die Grenzen von Gottes Segen. Jedes Tal, jeder Hügel und jede Stadt, die erwähnt wird, zeugt von Gottes Fürsorge für diesen Stamm. Obwohl es einfach ist, sich in der detailreichen Karte zu verlieren, sollten wir den Schatz inmitten der Details nicht übersehen. In der Mitte des Kapitels finden wir Otniels heldenhafte Eroberung und die darauffolgende Belohnung, die ihm gegeben wird (vgl. Jos 15,13–19). Doch selbst dieser Sieg wird von dem Kommentar des Erzählers überschattet, dass Juda die Jebusiten nicht vertrieben hat (vgl. Jos 15,63). Trotz allen Segens endet das Kapitel mit Versagen. Das zeigt uns, dass wir einen Retter brauchen, der besser ist als Josua und Otniel. Außerdem weist es uns auch zu einer dauerhafteren und vollständigeren Erfüllung der Verheißungen Gottes als das Land Kanaan hin.

3. Verwende nur Bildmaterial, wenn es deine Botschaft verstärkt

Was den Großteil der Kirchengeschichte betrifft, hatten sehr wenige Menschen Kartenmaterial auf den letzten Seiten ihrer Bibeln. Martin Luther hat niemals eine Leinwand heruntergelassen und das Licht gedimmt, um eine Karte zu zeigen, auf der zu sehen ist, wie weit Rama von Bethlehem entfernt ist. Das hat die Reformation aber nicht davon abgehalten, weiter voranzuschreiten. Du bist in guter Gesellschaft, wenn du dich dazu entscheidest, ohne eine Karte oder Bildmaterial zu predigen. 

„Martin Luther hat niemals eine Leinwand heruntergelassen und das Licht gedimmt, um eine Karte zu zeigen. Das hat die Reformation aber nicht davon abgehalten, weiter voranzuschreiten.“
 

Bildmaterial kann jedoch eine Predigt bereichern, wenn es gebraucht wird, um die Hauptaussage einer Bibelstelle zu verstärken. Wenn die Gemeinde etwa sehen kann, wo sich Sukkot, Etam und Pi-Hachirot auf der Karte befinden, kann es ihr helfen zu verstehen, dass die Israeliten aufgrund ihrer Sünde eine lange Reise auf sich nehmen mussten, um eine kurze Strecke zurückzulegen. 

4. Beziehe die Geographie des Textes auf Orte, die deine Gemeinde kennt

Statt zu sagen: „Die Distanz zwischen Dan und Beerscheba beträgt 240 Kilometer“, verwende Bezüge, die deine Geschwister kennen, und sage: „Die Distanz zwischen Dan und Beerscheba ist ungefähr so groß wie zwischen München und Stuttgart.“ Nicht nur Schwaben und Bayern werden das verstehen und zustimmend mit dem Kopf nicken. „Tyrus war der Hamburger Hafen der antiken Welt“ hat mehr Aussagekraft und vermittelt ein hilfreicheres Bild als „Tyrus war eine reiche Seestadt im Norden Israels.“

Gehe an einen mit Geographie angefüllten Text mit einer Mischung aus Demut und hoffnungsvoller Erwartung heran. Diese Texte sind nicht immer leicht zu studieren oder zu predigen, aber sie sind Teil von Gottes Wort. Dieser Autorität sollten Prediger sich unterordnen und mit dem Eifer zum Lernen und Wachsen herantreten (vgl. 1Tim 3,16–4,5).