Glaubensbekenntnisse ganz praktisch
Wie in einem anderen Artikel erwähnt, sind Glaubensbekenntnisse der orthodoxen Christenheit die notwendigen, schriftlichen Antworten der Kirche auf die Offenbarung Gottes in der Bibel. Fern von distanzierten, formelhaften und oberflächlichen Niederschriften toter Orthodoxie, als die Kritiker sie manchmal beschreiben, sind Glaubensbekenntnisse das Herzblut einer gesunden, demütigen und mit seiner Geschichte verbundenen Christenheit. Um noch deutlicher zu zeigen, warum Christen Glaubensbekenntnisse lieben sollten, müssen wir sowohl ihre Grenzen als auch ihren praktischen Nutzen betrachten.
Die Grenzen von Glaubensbekenntnissen anerkennen
Glaubensbekenntnisse geben nicht vor mehr zu sein, als sie tatsächlich sind. Sie haben in der Tat zwei notwendige Grenzen. Erstens ist ein Bekenntnis keine Erweiterung der Bibel, als wäre es Gottes Wort selbst. Es ist eine menschliche Antwort auf Gottes Wort, die anerkennt, dass er gesprochen hat. Daher schätzen wir ein Glaubensbekenntnis nur in dem Maße, in dem es der Heiligen Schrift treu ist. Ein Bekenntnis ist also nur dann von ganzem Herzen als Bekenntnis der Wahrheit Gottes zu bejahen, wenn es die Wahrheit der Heiligen Schrift genau wiedergibt.
„Als eine Antwort auf Gottes Wort weist und führt uns ein Bekenntnis hin zu der ganzen Wahrheit, die in der Bibel zu finden ist.“
Zweitens kann ein Glaubensbekenntnis nicht den ganzen Ratschluss Gottes beinhalten oder in vollem Umfang alles beschreiben, was diejenigen glauben, die ihm zustimmen. Als eine Antwort auf Gottes Wort weist und führt uns ein Bekenntnis hin zu der ganzen Wahrheit, die in der Bibel zu finden ist. Ein Glaubensbekenntnis weist über sich hinaus. Darum offenbart die Ansicht, dass ein Bekenntnis die Erkenntnis von Gott und seinem Evangelium einschränkt, ein falsches Verständnis dessen, was ein Bekenntnis beabsichtigt. Glaubensbekenntnisse sind nicht eigenständige, dogmatische Käfige, sondern Leitfäden, Zeugnisse und Sicherheitsnetze.
In Bekenntnissen werden vor allem wesentliche Überzeugungen beschrieben, die auf breite Zustimmung stoßen. Oft schweigen sie zu zweitrangigen Themen oder Überzeugungen, die für ihre konfessionelle Perspektive irrelevant sind. So ist es zum Beispiel angemessen und wichtig, dass das Londoner Baptistische Glaubensbekenntnis (London Baptist Confession of Faith) die Art und Weise und die Merkmale der Taufe gemäß den baptistischen Grundsätzen einschränkt. Für andere konfessionelle Perspektiven sind solche Details nicht erforderlich. Auf diese Weise fördern Bekenntnisse „im Notwendigen Einheit, im Zweifelhaften Freiheit, in allem aber Nächstenliebe“[1].
Grund zur Freude: Bekenntnisse vereinen
Indem Glaubensbekenntnisse anerkennen, dass Gott klar und deutlich gesprochen hat, binden sie uns auch an das, was Gott gesagt hat. Ein Bekenntnis ist mehr als eine gehorsame Antwort auf Gottes Wort; es ruft Christen auch dazu auf, kontinuierlich mit Gehorsam auf Gottes Wort zu antworten. Schriftliche Bekenntnisse setzen voraus, dass wir wankelmütige Menschen sind. Natürlicherweise irren wir ab von dem, was Gott gesagt hat, und folgen den Stimmen unserer eigenen Vorstellungen und unserer Kultur. Wenn wir dem Evangelium treu bleiben wollen, müssen wir uns daran binden. Genau dazu dienen Bekenntnisse: Sie halten bekennende Christen fest am Evangelium, damit diese Christen auch weiterhin die Wahrheit des Evangeliums bekennen. Die Treue zum Bekenntnis schützt davor, etwas anderes zu bekennen. Wenn man sich einem Bekenntnis verpflichtet, ist das ein Zeichen dafür, dass man es ernst meint. Durch diese Verbindlichkeit definiert man sich öffentlich. Ohne diese Verpflichtung ist es viel einfacher, die Position zu wechseln, ohne es überhaupt zu merken. Verbindlichkeit zu einem Bekenntnis macht es schwierig, unsere Meinung zu dessen grundlegenden Aussagen zu ändern. Glaubensbekenntnisse helfen uns, unsere theologische Identität zu definieren und zu schützen.
Bekenntnisse schützen uns auch vor theologischen Abweichungen, indem sie uns nicht nur an das Evangelium binden, sondern auch an diejenigen, die es gemeinsam mit uns bekennen. Die Zustimmung zu einem Bekenntnis erfolgt sowohl öffentlich als auch gemeinsam. Die Vorsilbe con- des lateinischen Wortes confessio für Bekenntnis bedeutet „zusammen“. (Anm. d. Übers.: Im Original bezieht sich der Autor hier auf das englische Wort confession.) Bekenntnisse verbinden uns in der Gemeinschaft des Evangeliums. Durch das Bekenntnis wird das Evangelium zu unserer gemeinsamen Basis und gemeinsamen Vision. Glaubensbekenntnisse vereinen uns.
Bekämpfe Irrlehren mit deinem Glaubensbekenntnis
Unsere Bekenntnisse formen unsere Perspektive auf die Bibel und das Evangelium. Unsere Bekenntnisse zeigen uns nicht nur, wo wir versucht sein könnten, das Evangelium zu verlassen oder Kompromisse einzugehen, sondern sie zeigen uns auch, wo wir handeln und was wir verkündigen müssen. Sie legen unsere Werte und Prioritäten fest.
„Bekenntnisse beziehen uns mit ein in den Konflikt zwischen dem Evangelium und allem, was ihm entgegensteht, sowohl in unseren Herzen als auch in der Welt.“
Aber noch mehr als das: Bekenntnisse beziehen uns mit ein in den Konflikt zwischen dem Evangelium und allem, was ihm entgegensteht, sowohl in unseren Herzen als auch in der Welt. Wir haben angesichts eines beispiellosen lehrmäßigen Rückzugs der Kirche in einer zunehmend feindseligen Kultur die Bekenntnisse noch nie so nötig gehabt wie heute. Damit das Volk Gottes dem, was Gott gesagt hat, treu bleiben kann, braucht es Bekenntnisse, die es wagen Stellung zu beziehen. Ein echtes Bekenntnis erkennt die Wahrheit nur insofern authentisch an, als es auch die Unwahrheit anerkennt. Dietrich Bonhoeffer sagte einmal: „Und doch ist der Begriff der Häresie ein notwendiger, unaufgebbarer Faktor für die Bekennende Kirche.“[2] Wenn der Gedanke der Häresie anachronistisch erscheint, muss es auch der Gedanke der Wahrheit sein.
Glaubensbekenntnisse sind niemals neutral oder abstrakt. Sie sprechen in konkrete Situationen hinein und behandeln bestimmte Themen. Treue zu einem Bekenntnis verlangt aktive Ablehnung der Irrlehren, die es verurteilt. Für heutige Christen ist es nicht möglich, sich allein zum Apostolischen oder Nizänischen Glaubensbekenntnis zu bekennen. Sogar diese beiden frühen Bekenntnisse richten sich an die theologischen Fragestellungen ihrer Zeit. Das soll nicht heißen, dass die alten Bekenntnisse keine Gültigkeit mehr haben. Sie behalten ihre volle Gültigkeit. Aber wir können die Geschichte des bekennenden Glaubens nicht einfach zurückdrehen. Neue theologische Fragen und Irrtümer haben immer neue Bekenntnisse erfordert, die sich damit auseinandersetzen.
Bekenntnisse und die christliche Integrität
Glaubensbekenntnisse schreiben normalerweise nicht vor, wie sich Christen verhalten sollen. Schließlich sind Bekenntnisse Zeugnisse für das, was wir glauben, nicht dafür, wie wir darauf reagieren. In einer Zeit, in der Lehre als intellektuelle Pedanterie betrachtet wird, erscheinen die Bekenntnisse daher unweigerlich als einigermaßen irrelevant für das „wahre Leben“. Aber gerade das Vorhandensein von Bekenntnissen bezeugt, dass es eine Wahrheit gibt, die eine Reaktion verlangt. Das Bekenntnis verlangt von uns die Aufrichtigkeit, auf die Wahrheit, die wir bekennen, angemessen zu reagieren. Auf diese Weise wird Lehre zutiefst lebensgestaltend. Wenn wir zum Beispiel aufrichtig bekennen, dass Jesus der Herr ist und dass der Geist in uns wirkt, um uns Christus gleich zu machen, bedeutet das notwendigerweise, dass wir die Sünde ablehnen und jeden Aspekt unseres Lebens verändern. Indem Bekenntnisse Integrität fordern, verbieten sie Namens-Christentum oder bloße intellektuelle Zustimmung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Glaubensbekenntnisse uns mit Leib und Seele in den Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes rufen. Mit Bekenntnissen bekämpfen wir unsere Neigung, die göttliche Offenbarung abzulehnen. Das Evangelium wird mit immer größerer Klarheit gelehrt. Wir verbünden uns mit dem Evangelium und finden so die Einheit mit anderen, die das Gleiche getan haben. Wir trotzen dem, was unseren Bekenntnissen widerspricht, und lehnen es ab. Wir gestalten unsere Leben, Gedanken, Dienste und Lehren anhand der unveränderlichen Maßstäbe von Gottes Wort. Im Endeffekt stehen wir zu unseren Bekenntnissen und verkünden, dass Gott gesprochen hat.
[1] Dieses Zitat wird in der Regel Augustinus zugeschrieben, stammt aber wahrscheinlich aus der Feder von Peter Meiderlin, einem lutherischen Theologen des siebzehnten Jahrhunderts.
[2] Aus Dietrich Bonhoeffers Vorlesung „Christologie” (1933).