Warum wir die Psalmen brauchen
Die Psalmen waren das göttliche inspirierte Gesangbuch für die Gottesdienste Israels (1Chr 16,8–36). Die Psalmen wurden nicht nur gelesen, sondern auch gesungen und stellten so eine wunderbare Möglichkeit dar, sowohl Denken als auch Gefühle der Menschen zu erreichen, wie das nur die Musik zu tun vermag. Die Texte der Psalmen waren so fest in den Herzen und Gedanken der Menschen verankert, dass es uns gar nicht verwundern darf, dass die Menschenmenge Jesus begrüßte, indem sie einen Psalm zitierte (Mk 11,9; Ps 118,26).
Auch die ersten Christen sangen und beteten die Psalmen (Kol 3,16; 1Kor 14,26). In den benedektinischen Klöstern war es die Gewohnheit, die Psalmen mindestens einmal pro Woche zu singen, zu lesen und zu beten. Im Mittelalter waren die Psalmen für viele der am meisten bekannte Teil der Bibel. Auch waren sie der Teil der Bibel, den Laienchristen besitzen durften. In der Zeit der Reformation spielten die Psalmen eine wichtige Rolle in der Reformierung der Kirche. Matin Luther ordnete an, dass „der ganze Psalter, Psalm für Psalm, in Gebrauch bleiben“ sollte. Für John Calvin waren die Psalmen die Grundlage für den Gesang der Kirche. Er schrieb: „Die Absicht des Heiligen Geistes [war] … der Kirche eine allgemeine Form des Gebets zu hinterlassen.“
„Wir sollten die Psalmen nicht nur lesen. Wir sollten sie in sie eintauchen, damit sie unsere Beziehung zu Gott verändern.“
Nahezu alle Theologen und Pastoren in der Kirchengeschichte glaubten, dass die Psalmen sowohl für das persönliche Gebetsleben als auch für die gemeinsame Anbetung genutzt werden sollten. Wir sollten die Psalmen nicht nur lesen. Wir sollten sie in sie eintauchen, damit sie unsere Beziehung zu Gott verändern. Die Psalmen sind ein von Gott bestimmter Weg, um echte Hingabe an Gott zu lernen.
Und warum?
1. Die Psalmen sind eine Mini-Bibel
Ein Grund ist, dass die Psalmen eine „Mini-Bibel“ sind, wie auch Matin Luther festhielt. Die Psalmen geben uns einen Überblick über die Heilsgeschichte, bei der Schöpfung beginnend, über die Gabe des Gesetzes am Berg Sinai, die Einsetzung der Stiftshütte und des Tempels, das Exil und die Untreue des Gottesvolkes, bis hin zur Verkündigung der kommenden messianischen Erlösung und der Erneuerung aller Dinge. In den Pslamen werden die Lehren von Offenbarung (Ps 19), von Gott (Ps 139), vom Menschen (Ps 8) und von der Sünde (Ps 14) angesprochen.
2. Die Psalmen sprechen in jede Situation hinein
Die Psalmen sind mehr als ein Instrument zur theologischen Ausbildung. Athanasius, einer der Kirchenväter, schrieb einmal:
„In welcher Notlage oder Schwierigkeit wir auch sind; in diesem einen Buch finden wir die Worte, die dazu passen und uns helfen, unsere Not zu heilen.“
„Die Psalmen sind nicht einfach ein Leitfaden der Lehre, sondern eine Art Hausapotheke für das Herz und die bestmögliche Anleitung für das praktische Leben.“
Jede Situation des Lebens wird in den Psalmen angesprochen. Die Psalmen bereiten uns für jede mögliche geistliche, soziale und emotionale Situation vor. Sie zeigen uns, wo die Gefahren liegen, was wir beachten sollten, wie wir reagieren sollten, wie wir mit Gott darüber reden können und wie wir von Gott die Hilfe bekommen, die wir nötig haben. Unseren Lebensituationen wird die Größe Gottes an die Seite gestellt, sodass wir lernen, die Dinge richtig einzuschätzen. Jeder Bestandteil und alle Umstände des Lebens werden in den Psalmen ausgehend von der Gegenwart Gottes betrachtet und im Kontext der Wahrheiten über das göttliche Wesen beurteilt. Die Psalmen sind deshalb nicht einfach ein Leitfaden der Lehre, sondern eine Art Hausapotheke für das Herz und die bestmögliche Anleitung für das praktische Leben.
3. Die Psalmen müssen verinnerlicht werden
Wenn ich die Psalmen als „Medizin“ beschreibe, versuche ich, ihren besonderen Charakter deutlich zu machen, der sie auch vom Rest der Bibel unterscheidet. Sie wurden geschrieben, um gebetet, aufgesagt und gesungen zu werden. Und nicht nur das. Sie wurden geschrieben, um Handlungen hervorzurufen. Der Theologe David Wenham schlussfolgert, dass der kontinuierliche Gebrauch der Psalmen ein „performativer Akt“ ist, der die „Beziehung [zu Gott] auf eine Art verändert wie es das einfache Hören nicht kann“. Wir müssen die Psalmen in unsere Gebete integrieren oder auch unsere Gebete in die Psalmen einbetten. Auf diesem Weg konfrontieren die Psalmen den Beter mit neuen Gedanken, Versprechungen, Verheißungen und auch Emotionen. Wenn wir beispielsweise Psalm 139,23–24 nicht nur lesen, sondern beten, laden wir Gott dazu ein, unsere Motive zu prüfen und machen uns aktiv auf den Weg, das Leben zu führen, das Gott in seinem Wort fordert.
4. Die Psalmen führen uns zu Gott
Die Psalmen leiten uns dazu an, das zu tun, was die Psalmisten taten. Sie führen dazu, dass wir uns Gott durch Zusagen und Versprechen hingeben und uns durch Bitten von ihm abhängig machen. Sie leiten uns darin, durch Klagen bei ihm Sicherheit zu suchen und durch Nachdenken, Erinnern und Reflexion neue Weisheit und Ansichten von Gott zu erlangen.
5. Die Psalmen zeigen uns Gottes Wesen
Die Psalmen helfen uns, Gott zu sehen. Sie zeigen uns Gott, wie er sich uns offenbart. Gott wird hier auf eine Art beschrieben, die sich jeglicher menschlichen Vorstellungskraft entzieht. Er ist heiliger, weiser, furchterregender, sanfter und liebender, als wir es uns vorstellen können. Die Psalmen bringen unsere Vorstellungen von Gott auf eine neue Ebene und zeigen uns, wie Gott wirklich ist. Das bringt eine Realität in unsere Gebete, die wir auf einem anderen Weg nicht erleben können.
„Die Psalmen helfen uns, Gott zu sehen. Sie zeigen uns Gott, wie er sich uns offenbart.“
Beten wir für uns selbst, reden wir schnell mit einem Gott, der das sagt, was wir gerne hören. Wir reden den „Teil“ Gottes an, den wir verstehen. Aber es ist notwendig, dass wir mit dem Gott reden, der auch mit uns redet; und dass wir ihn als den Gott anreden, der er ist. In unseren Gebeten geht es nicht in erster Linie darum, uns selbst mitzuteilen. Es geht zunächst darum, zu lernen, Gott angemessen zu antworten.
6. Die Psalmen bringen uns zu Jesus
Im Licht der gesamten Bibel betrachtet, bringen uns fast alle Psalmen zu Jesus. Die Psalmen waren sein Gesangbuch. Das Lied, das Jesus beim letzten Passahmahl sang (Mt 26,30; Mk 14,26) wird wohl das große Hallel (Ps 113–118) gewesen sein. In der Tat haben wir viele Gründe anzunehmen, dass Jesus selbst alle Psalmen im Laufe seines Lebens gesungen und diese so in seinem Herzen verinnerlicht hat. Die Psalmen wurden von Jesus öfter zitiert als jedes andere Buch. Aber sie wurden nicht nur von ihm zitiert, sondern sie sprechen auch von ihm.
Die Psalmen sind also tatsächlich die Lieder Jesu.