Gemeindegesang: Was Pastoren und Musiker tun sollten

Artikel von Rudi Tissen
4. Januar 2023 — 7 Min Lesedauer

Sonntag für Sonntag ruft Gott sein Volk aus der Welt heraus, um uns in seinem Wort zu begegnen. Wir treten heraus aus dem normalen Rhythmus unseres Lebens, um unsere Herzen ganz bewusst auf den auszurichten, für den sie geschaffen wurden. Unser Herz, das so oft abgelenkt wird und leider auch immer wieder in Götzendienst verfällt, muss immer wieder herausgerufen, neu belebt und auf Gott fokussiert werden.

Deshalb hat der Gottesdienst so eine riesige Relevanz für dich und mich: Wir treten heraus, nehmen dabei unser Herz mit, setzen es ganz bewusst Gottes Reden aus und lassen uns neu fokussieren für die große Bestimmung unseres Lebens. Einfach ausgedrückt: Die gemeinsame Anbetung am Sonntag rüstet uns aus für ein Leben der Anbetung von Montag bis Samstag. Was du am Sonntag mit deinem Herzen machst, hat reale Folgen für dein Herz von Montag bis Samstag.

„Was du am Sonntag mit deinem Herzen machst, hat reale Folgen für dein Herz von Montag bis Samstag.“
 

Das, was wir am Sonntag im Gottesdienst tun (oder auch nicht tun), formt und prägt unser Leben. Menschen sind „liturgische Wesen“. Wir haben Gewohnheiten, die nicht neutral sind, sondern unser Denken und Empfinden formen. Aus diesem Grund müssen Ortsgemeinden (und vor allem ihre Ältesten) mit Hingabe darüber nachdenken, was sie im Gottesdienst machen, welche Botschaft ihr Gottesdienst in seiner Gesamtheit transportiert. Und das gilt eben auch für den Gesang und die Lieder im Gottesdienst. Denn auch hier gilt: Liturgie formt Leben.

Wir müssen uns fragen: Stellen unsere Musik und unser Gesang (was wir singen und wie wir singen) die geistliche Realität dar, die sich Gott dafür gedacht hat? Welche Botschaft transportiert unser Gesang und die Art und Weise, wie wir Singen im Gottesdienst platzieren und integrieren? Helfen die Lieder, die wir singen, unseren Geschwistern bei ihrer persönlichen Nachfolge?

Ausgehend von diesen Reflexionsfragen habe ich einige Anwendungen oder Imperative für unseren Gemeindegesang formuliert, die relevant für Pastoren, Älteste und Gemeindemusiker sind:

1. Erkläre ihnen immer wieder, warum sie singen (sollten)!

Ich habe das Gefühl, dass viele Christen gar nicht wissen, warum sie eigentlich singen. Vielen ist die theologische Bedeutung des Singens nicht bewusst. Hier haben wir als Pastoren, aber auch als Gemeindemusiker, die Aufgabe, unsere Gemeinde zu lehren und zu schulen.

Nimm sie mit in die Geschichte unserer Herzen, die immer wieder dazu neigen, eben nicht Gott zu besingen und anzubeten – und dass wir deshalb singen, um unsere Herzen neu auf den lebendigen und wahren Gott auszurichten. Unsere Brüder und Schwestern müssen begeistert werden von dieser Wahrheit; dass Gottes neue Schöpfung schon angebrochen ist und dass sie genau das durch ihren Lobpreis zum Ausdruck bringen: Gott hat angefangen, alles neu zu machen! Unsere Geschwister müssen also verstehen, warum es gut ist zu singen (und warum es nicht gut ist zu schweigen).

2. Setz dich dafür ein, dass sie Wahrheit singen!

Wenn uns Singen helfen soll zu glauben und unseren Glauben in Worte zu fassen, dann müssen wir im Gottesdienst Lieder singen, die tief in Gottes Wort verankert sind. Wenn Singen dazu dienen soll, Gottes Wahrheit in unseren Herzen wohnen zu lassen (vgl. Kol 3,16), dann müssen wir als Musiker und Leiter auch dafür sorgen, dass Gottes Wahrheit gesungen wird.

„Bring deinen Geschwistern Lieder bei, die ihnen das Schwert des Geistes in die Hand drücken!“
 

Lieder, die theologisch fragwürdige oder falsche Aussagen transportieren, dienen nicht dem Zweck, den Glauben an Christus zu fördern. Sie fördern falsches Denken über Gott, sein Wesen und den Menschen. Lieder, die theologisch unklar sind, kommen nicht dem Zweck nach, Verkündigung von Wahrheit zu sein. Das Denken der Kinder Gottes muss gefüllt werden mit Gottes Wahrheit. Die Herzen der Menschen werden bewegt und verändert durch die Wahrheit Gottes. Bring deinen Geschwistern Lieder bei, die ihnen das Schwert des Geistes in die Hand drücken!

3. Sorge dafür, dass sie gemeinsam singen!

Der gemeinsame Gesang am Sonntag hat nicht nur die Funktion, Wahrheit zu verkünden, sondern auch die Einheit der Kinder Gottes zu demonstrieren. Wir werden an unsere gemeinsame Identität als Volk und Familie Gottes erinnert. Es gibt nicht nur das „Ich“, sondern auch das „Wir“ und das „Uns“. Beim gemeinsamen Singen der Wahrheiten Gottes werden wir als einzelne Christen daran erinnert. Singen im Gottesdienst ist nicht nur etwas zwischen mir und Gott, sondern hat immer auch eine horizontale Funktion: Wir singen zueinander (vgl. Eph 5,19). Deshalb gibt es auch fundamentale Unterschiede zwischen Gemeindegesang und einem Konzert: Bei einem Konzert, das ich mir aussuche, geht es um meine Interessen, meine Präferenzen und meine Unterhaltung. Beim Gemeindegesang geht es um Erbauung und Dienst: Wir singen nicht nur zur Ehre Gottes, sondern mit dem Ziel, einander im Glauben und in der Nachfolge zu motivieren. Die Stimmen meiner Geschwister, die Gott leidenschaftlich loben, können mein Herz mit neuer Hoffnung und neuem Mut füllen.

Deshalb sollten wir als Gemeindemusiker die Grundlage dafür legen, dass wir gemeinsam singen können. Lasst uns einheitsfördernd denken – sowohl bezüglich unserer Texte als auch hinsichtlich der musikalischen Umsetzung. Lasst uns so spielen, dass die Geschwister sich gegenseitig hören, sodass klar wird, dass die singende Gemeinde das „Hauptinstrument“ ist.

4. Motiviere sie, aktiv und leidenschaftlich mitzusingen!

Unsere gemeinsame Anbetung ist nichts anderes als ein „Echo“ von Gottes Wert. Die Intensität und Leidenschaft unserer Anbetung sollen seinen Wert widerspiegeln. Gott ist zu groß und herrlich, als dass wir ihn mit halbem Herzen und lustlos anbeten. Erinnere deine Gemeinde daran, dass sie Gott nicht nur mit ihrem Denken, sondern eben auch mit ihren Emotionen erheben sollen. Erinnere sie daran, dass die größte Freude ihres Herzens Gott gehören muss und dass sie im Gesang die Möglichkeit dazu haben, diese Freude zum Ausdruck zu bringen und zu steigern. Fordere deine Gemeinde also ruhig regelmäßig dazu auf, Gott voller Hingabe und Leidenschaft zu besingen. Motiviere sie auch dazu, aktiv mitzusingen. Gemeindegesang ist etwas Aktives, was uns insbesondere die Psalmen zeigen. Es geht nicht um Unterhaltung, sondern um Anbetung (vertikal) und Erbauung (horizontal), an denen wir teilhaben dürfen.

5. Räume dem Gesang genügend Zeit ein!

Wie wir Lieder einsetzen und wie viel wir singen, kann eine Botschaft darüber aussenden, welche Bedeutung Gesang hat. Ich weiß, dass es manchmal Diskussionen darüber gibt, weil man fürchtet, dass nicht genügend Zeit für die Predigt bleibt. Natürlich muss Gottes Wort im Mittelpunkt stehen, aber wenn wir Lieder singen, die in Gottes Wort verankert sind, verfolgen wir ja genau dieses Ziel. Beim Singen geht es ja nicht darum, unsere Füße zu vertreten, bevor die Predigt startet. Die Lieder, wenn sie gut ausgesucht sind, können und sollen schon selbst Verkündigung von Gottes Wahrheit sein. Gewissermaßen ist Singen der Moment, wo wir als Ortsgemeinde gemeinsam „predigen“.

Versteh mich also nicht falsch. Sollte man viel Zeit für eine Predigt einplanen? Auf jeden Fall. Denn wir wissen, dass der Glaube durch die Predigt kommt (vgl. Röm 10,17). Aber das sollte nicht dazu führen, dass der Gesang wie eine Art „Beiwerk“ wirkt, das gewohnheitshalber zu einem christlichen Gottesdienst gehört.

Denn wir sollten nicht vergessen: Predigen wird eines Tages aufhören, Singen nicht. Wir hoffen auf einen Himmel, der bis in alle Ewigkeit von Gesang erfüllt sein wird. Diese Realität sollte in unserem Gottesdienst gebührend widergespiegelt werden.

6. Beachte die Vielfalt des christlichen Lebens!

Die Psalmen sind deshalb so besonders, weil sie sehr unterschiedliche Erfahrungen ansprechen (z.B. Freude, Befreiung, Sünde, Leid, geistliche Depression, Krankheit, Tod). Sie passen zur Vielfalt des menschlichen Lebens und der Erfahrungen, die wir auch als Kinder Gottes machen.

Diese Vielfalt gilt es als Gemeindemusiker zu beachten. Wir brauchen nicht nur Lieder, die Gott für seine Erlösung danken und ihn für seine Größe preisen. Wir brauchen Lieder, die uns helfen, unsere Sünde zu bekennen, und die zur Heiligung motivieren. Wir brauchen Lieder, die uns helfen, zu klagen und Gott unsere Angst zu bringen.

7. Sing selbst laut mit!

Paulus ermahnt seinen Schüler Timotheus an einer Stelle, ein Vorbild für die Menschen zu sein, die Gott ihm in der Ortsgemeinde anvertraut hat (vgl. 1Tim 4,12). Er sollte ein Vorbild der Gläubigen im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Glauben und in der Keuschheit sein.

Pastoren und Älteste sollten selbst laut mitsingen und mit ihrem Vorbild vorangehen, um so ihre Gemeinde zum Lobpreis zu motivieren. Musiker, die vorne sitzen (und gesehen werden), sollten mitsingen. Das zeigt der Gemeinde, dass sie nicht nur da sind, um „abzuliefern“ oder zu „performen“, sondern um gemeinsam mit ihren Geschwistern anzubeten.