Frei vom Wunsch, anderen zu gefallen

Artikel von Amy DiMarcangelo
30. Dezember 2022 — 7 Min Lesedauer

Einer der Hauptcharaktere im Broadway-Musical Hamilton ist Aaron Burr, ein amerikanischer Politiker, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Amt des dritten Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten innehatte. Er wird porträtiert als jemand, der die Kunst der Menschengefälligkeit meisterhaft beherrscht. Indem er sich permanent an seine Umgebung anpasst, gelingt es ihm, Kontroversen zu vermeiden. Auf diese Weise erklimmt er die Karriereleiter und erreicht schließlich eine Position im Senat. Schon früh gibt er dem kämpferischen, eigensinnigen und dickköpfigen Hamilton, der später der erste US-Finanzminister wird, den Rat: „Rede weniger. Lächle mehr. Lass sie nicht wissen, wofür du bist und wogegen.“ Wäre Hamilton wie Burr stets darauf bedacht gewesen, sich die Zustimmung anderer Menschen zu sichern, hätte er sich bestimmt nicht so viele politische Feinde gemacht. Dann hätte er allerdings auch nicht vermocht, Amerika so gut zu dienen, wie er es letztlich tat.

„In Christus sind wir zu etwas befreit, das viel mehr Erfüllung schenkt als menschliche Anerkennung.“
 

Auch wenn wir es nicht gerne zugeben – wir denken doch allzu häufig wie Burr. Ebenso wie er haben wir einen unstillbaren Hunger nach menschlicher Anerkennung. Das Problem dabei ist aber: Wenn wir ständig darauf achten, wie wir die Anerkennung anderer Menschen gewinnen, finden wir nur oberflächlichen Frieden. Dieser ist nicht von Dauer, denn er beruht auf dem, was gerade gesellschaftlich in Mode ist. Wenn wir unsere Anschauungen, Verhaltensweisen und Entscheidungen daran ausrichten, wie wir die meisten Smileys und Likes bekommen oder wie laut das Amen der anderen auf unser Gebet ist, weiß letztlich niemand, wer wir eigentlich sind. Und noch wichtiger: Niemand weiß dann, wem wir gehören. In Christus sind wir zu etwas befreit, das viel mehr Erfüllung schenkt als menschliche Anerkennung.

Frei vom Streben nach menschlicher Anerkennung

Wir können es nicht jedem recht machen. Je eher wir das lernen, desto besser. Wenn wir versuchen, jeden glücklich zu machen und niemandem mit unseren Überzeugungen oder Entscheidungen jemals auf die Füße zu treten, ist das nicht nur ermüdend, sondern auch aussichtslos. Wenn die aktuelle, toxische Cancel-Culture überhaupt irgendetwas Gutes bewirkt, dann hoffentlich, dass wir endlich erkennen, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist, es immer allen recht zu machen. Es ist schlicht nicht möglich, dass immer alle mit uns einer Meinung sind, und wir sollten uns darum gar nicht erst bemühen.

Menschengefälligkeit ist ein Gefängnis. Sie hindert uns daran, unseren Freunden die Wahrheit zu sagen, weil wir zu sehr fürchten, wir könnten jemanden verletzen. Sie hält uns davon ab, denjenigen das Evangelium zu verkünden, die ihm gegenüber ablehnend eingestellt sind. Sie verleitet uns dazu, unsere Überzeugungen zu leugnen und selbst da Kompromisse einzugehen, wo es nicht angebracht ist. Sie bringt uns dazu, dass wir uns unter menschengemachte Regeln beugen, weil wir Angst haben, sonst verurteilt zu werden. Sie führt dazu, dass wir mehr darauf bedacht sind, uns an die verschiedenen Subkulturen anzupassen, in denen wir leben, als dass wir uns vom unfehlbaren Wort Gottes prägen lassen.

„Wer darin gefangen ist, Menschen gefallen zu wollen, vergisst, dass uns Gottes Wohlwollen bereits in Christus zuteilgeworden ist. Als Menschen, die von Gott angenommen sind, sind wir dazu berufen, in Freiheit zu wandeln.“
 

Wer darin gefangen ist, Menschen gefallen zu wollen, vergisst, dass uns Gottes Wohlwollen bereits in Christus zuteilgeworden ist. Als Menschen, die von Gott angenommen sind, sind wir dazu berufen, in Freiheit zu wandeln (vgl. Gal 5,1). Statt unter der Herrschaft der Meinungen und Erwartungen anderer Menschen versklavt zu sein, dürfen wir einem Gott folgen, der uns in Güte, Geduld und Liebe leitet. Wenn wir unsere Sicherheit in seiner Wertschätzung gefunden haben, brauchen wir nicht weiter der Anerkennung irgendeiner anderen Person hinterherzujagen.

Frei, sich Feinde zu schaffen (vorausgesetzt, dass wir sie lieben)

Jeder, der zu Christus gehört, wird zwangsläufig auf Widerstand stoßen. Wenn die Welt Christus gehasst hat, wird sie auch uns hassen (vgl. Joh 15,18–20). Wir folgen einem Erlöser, der von Menschen verachtet und abgewiesen wurde. Obwohl er voller Gnade und Wahrheit war, wurde er verleumdet und angeklagt. Er heilte zwar viele Menschen, wurde jedoch von noch mehr Menschen gehasst. Obwohl er unschuldig war, wurde er zum Tod am Kreuz verurteilt. Obwohl er gute Nachrichten verkündete, verhöhnte man ihn dafür. Meinen wir, dass uns etwas anderes erwartet, wenn wir ihm nachfolgen?

Ein Winston Churchill zugeschriebenes Zitat lautet: „Du hast Feinde? Gut. Das bedeutet, dass du dich irgendwann in deinem Leben einmal für etwas eingesetzt hast.“ Natürlich ist es dabei wichtig, dass wir uns aus den richtigen Beweggründen Feinde machen. Es handelt sich hier nicht um einen Freibrief für Arroganz, Stolz und Rechthaberei. Wir sind dazu berufen, die Früchte des Geistes hervorzubringen; daher sollte unser Leben von Liebe, Langmut, Freundlichkeit, Sanftmut und Selbstbeherrschung gekennzeichnet sein (vgl. Gal 5,22–23).

Wenn wir in einer Welt des Relativismus treu die Wahrheit lieben, in einer Welt der Unterdrückung nach Gerechtigkeit streben und in einer Welt des gefühllosen Individualismus Barmherzigkeit üben, werden wir uns unweigerlich Feinde machen. Doch Gottes Erlösungsabsicht schenkt uns Gewissheit: Er segnet die, die um seinetwillen gehasst werden. Es gibt keine Prüfung oder Bedrängnis, die uns von seiner Liebe trennen kann.

Frei zu dienen

Zwar sind wir davon befreit, uns um die Bestätigung von anderen Menschen zu bemühen. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir nicht dazu aufgerufen wären, für andere Menschen Opfer zu bringen. Allerdings ist es wichtig, dass wir unterscheiden zwischen dem liebevollen Dienst an anderen und der Versklavung, die das Streben nach ihrer Anerkennung mit sich bringt.

Wer in erster Linie dient, um es anderen Menschen recht zu machen, macht sich selbst kaputt. Er macht sich ständig Gedanken darüber, was andere über ihn denken, und versucht jeden zufriedenzustellen. Damit überfordert er sich, denn niemand verfügt über die dafür notwendigen Ressourcen. Unser Dienst mag zunächst vielleicht auf andere ausgerichtet sein, doch wenn sich unser Fokus dahingehend verschiebt, dass wir mit unserem Dienst die Anerkennung von Menschen gewinnen wollen, gelangt die Beschäftigung mit uns selbst ins Zentrum unseres Denkens. Es mag etwas kontraintuitiv erscheinen, aber es ist tatsächlich gerade die Freiheit von der Anerkennung anderer Menschen, die uns dazu befähigt, anderen bestmöglich zu dienen. Sie erlaubt es uns, aus Freude zu dienen statt aus Angst, Nachahmer Christi zu sein, statt nach der Bestätigung von Menschen zu streben.

Paulus wählte ganz unterschiedliche Ansätze, je nachdem, ob er mit Juden oder Heiden in Kontakt trat. An die Korinther schrieb er: „Den Schwachen bin ich wie ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne; ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise etliche rette. Dies aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben“ (1Kor 9,22–23). Was meint er damit?

„Christus lädt uns ein, nicht für unsere eigene, sondern für seine Herrlichkeit zu leben.“
 

Wenn Paulus schreibt, er sei „allen alles geworden”, sieht es auf den ersten Blick so aus, als bemühe er sich angestrengt um das Wohlwollen von Menschen. Das ist aber nicht der Fall. Paulus weiß um die Freiheit, die er in Christus hat. Er vermischt keine biblischen Prinzipien mit kulturellen Praktiken, um akzeptiert zu werden. Er macht sich keine Gedanken darüber, ob die Juden oder die Heiden ihn anerkennen. Vielmehr passt er, weil er frei ist, sein Verhalten an die jeweilige Zielgruppe an – um Hindernisse zu beseitigen, die vom Evangelium und von der Herrlichkeit Christi ablenken könnten.

Wenn Christus uns als sein Eigentum angenommen hat, brauchen wir anderen nicht mehr zu gefallen. Er gibt uns neue und bessere Prioritäten. Er lädt uns ein, nicht für unsere eigene, sondern für seine Herrlichkeit zu leben. So können wir uns über seine Anerkennung freuen und müssen nicht der Anerkennung anderer nachjagen. Er gibt uns die Freiheit, ihm zu dienen, ihn anzubeten und sich für immer an ihm zu erfreuen.