Fußball-WM: Eine Einladung zum Gebet für Katar

Artikel von Lawrence S.
26. November 2022 — 6 Min Lesedauer

Der Sicherheitsbeamte starrte mich neugierig an, als ich im Eingangsbereich meines Arbeitsplatzes ungeduldig darauf wartete, dass mein Kollege ankam. Ich war nicht in der Stimmung für Small Talk. In die glühende Mittagssonne von Katar (mit etwa 46 Grad) wollte ich jedoch auch nicht treten. Der Wachmann, ein großer junger Mann mit einem breiten Lächeln und einem afrikanischen Akzent, begann das Gespräch: „Wie ist Ihr Name?“ , fragte er. „Woher kommen Sie? Wie lange sind Sie schon in Katar?“ Es stellte sich heraus, dass er Samuel hieß und aus Uganda stammte. Er war seit drei Jahren hier.

Dann stellte er eine so unerwartete Frage, dass ich ihn bitten musste, sie zu wiederholen: „Gibt es Kirchen dort, wo Sie herkommen?“ „Äh, ja“, antwortete ich, „ich folge Jesus nach. Sind Sie auch Christ?“ Ich kann die pure Freude, die in diesem Moment aus ihm heraussprudelte, gar nicht beschreiben. Unter Tränen ergriff er meine Hand, beugte sich zu mir herab, um mich zu umarmen, und führte einen kleinen Tanz auf. „Ich wusste, dass es noch andere gibt!“, rief er.

Alle Augen sind auf Katar gerichtet

Derzeit steht Katar wegen der Fußballweltmeisterschaft im Rampenlicht. In gewissem Sinne ist Katar jedoch der unwahrscheinlichste Ort, um diese Veranstaltung – oder ein anderes internationales Sportturnier – auszutragen. Katar ist eine winzige Wüstenhalbinsel mit einer traditionell nomadischen Beduinenbevölkerung und hat keine Geschichte des Sports, die nicht mit Kamelen oder Falken zu tun haben.

Das gesamte Land hat weniger Einwohner als die Stadt Berlin. Katar musste den Großteil der für die WM notwendigen Infrastruktur erst errichten – darunter acht neue Stadien, 16-spurige Autobahnen, ein U-Bahn-System und sogar ganze Städte mit Wolkenkratzern, wo es vorher nur Sand gab. Als 2010 die Vergabe der FIFA-Weltmeisterschaft 2022 erfolgte, hatte das Land nicht viel zu bieten – außer einem Traum und so viel Geld, dass es nicht wusste, was es damit anfangen sollte.

Seitdem haben Kontroversen die Turniervorbereitungen wie ein Sandsturm überschattet. Es gab KorruptionsvorwürfeWarnungen vor Missbrauch von Gastarbeitern und internationale Kritik an der Diskriminierung von Frauen und der LGBTQ+-Gemeinschaft. Katar ist ein konservatives, islamisches Land mit viktorianischen Einstellungen zu Alkohol, Homosexualität und Gesten der Zuneigung in der Öffentlichkeit. Viele Fußballfans fragen sich, ob sie bei den Spielen überhaupt ein Bier bekommen können (seit kurz vor dem Beginn der WM ist klar, dass sie das nicht können).

„Könnte es sein, dass Gott diese kleine Nation für seine Zwecke ins Rampenlicht rückt?“
 

Die Augen der ganzen Welt sind auf Katar gerichtet. Könnte es sein, dass Gott diese kleine Nation für seine Zwecke ins Rampenlicht rückt? Katar ist ein Land, in dem das Evangelium die einheimische Bevölkerung noch nicht erreicht hat. Vielleicht wird die Weltmeisterschaft die Kirche zum Gebet und zum Handeln für diese Nation erwecken.

Eine komplexe Nation

Katar wirkt durch seine hochmoderne Architektur und seine internationale Bevölkerung sehr weltoffen. Bei einem Nachmittagsspaziergang durch eines der zahlreichen Einkaufszentren in der Hauptstadt Doha hört man genauso wahrscheinlich Türkisch, Mandarin oder Deutsch wie Englisch oder Arabisch. Menschen aus dem Westen genießen in Katar einen sehr hohen Lebensstandard – im Austausch für ein paar kleinere Unannehmlichkeiten.

Bei Einwanderern, die nicht aus dem Westen kommen, sieht die Sache jedoch oft anders aus. Berichte über lange Arbeitszeiten, wenig Freizeit, gefährlich heiße Arbeitsbedingungen, die Unmöglichkeit, den Arbeitsplatz zu wechseln, und vorenthaltene Löhne werden nur selten laut ausgesprochen. Natürlich könnten viele dieser Arbeitnehmer in ihren Heimatländern ähnliche oder noch schlechtere Bedingungen vorfinden. Indem sie aber in Katar arbeiten, können sie Geld in die Heimat schicken, um ihre Familienangehörigen zu unterstützen.

Katar hat in den vergangenen zehn Jahren viele politische und andere Reformen vorgenommen – insbesondere in Bezug auf die Behandlung von Gastarbeitern. Das wird von den westlichen Medien oft übersehen. Die Umsetzung ist noch nicht konsequent, aber die Bedingungen für Migranten in Katar verbessern sich zweifellos. Deshalb ist es weder richtig noch angemessen, wenn Menschen aus dem Westen so tun, als ob in Katar alles schlecht wäre. Wie in jedem Land ist die Situation auch hier komplex.

Die Situation der Christen

Da sich Katarer zum Islam bekennen, ist es sowohl eine religiöse Pflicht als auch eine große persönliche Ehre, Ausländern gegenüber Gastfreundschaft zu erweisen. Sie sehen die Weltmeisterschaft als ihre große Chance, die ganze Welt willkommen zu heißen. Die Menschen in Katar äußern häufig aber auch Verwirrung, Schmerz und Wut über die intensive Kritik an ihren Versuchen, jeden in ihrem Heimatland willkommen zu heißen.

In Katar können Christen aus dem Westen ihre Religion ähnlich frei ausüben wie in ihrer Heimat, allerdings mit einigen wichtigen Unterschieden: Die Gottesdienste finden freitags statt, da die Arbeitswoche am Sonntag beginnt und am Donnerstag endet. Kirchengebäude sind nicht mit einem Kreuz gekennzeichnet, Gottesdienste im Freien sind verboten und Missionieren ist untersagt. In den Kirchen wird jedoch laut gesungen, die Kinder lernen Bibelverse auswendig, und das Evangelium wird mutig verkündet.

Anders verhält es sich bei Christen aus nicht-westlichen Ländern, wie meinem Freund Samuel. Sie sind häufig von anderen Gläubigen isoliert und werden bei der Arbeitssuche diskriminiert. Wer sich von einem muslimischen Hintergrund her zu Christus bekennt, kann erheblichem sozialen Druck ausgesetzt sein, zum Islam zurückzukehren. Offiziell gibt es unter Katarern keine Jesusnachfolger, und Open Doors führt Katar auf seiner Beobachtungsliste für weltweite Christenverfolgung auf Platz 18.

Wie wir beten können

Katar ist ein gefallenes, unerlöstes Land mit einer einzigartigen Mischung aus Schönheit und Ungerechtigkeit – wie jede andere Nation auf der Welt. Was es braucht, ist keine weitere Verurteilung, sondern

„Es braucht keine weitere Verurteilung, sondern die Erlösung des katarischen Volkes durch das Evangelium Christi und die erneuernde Kraft des Heiligen Geistes.“
 

die Erlösung des katarischen Volkes durch das Evangelium Christi und die erneuernde Kraft des Heiligen Geistes. Das fordert die Kirche zum Gebet auf, um die Besorgnis von Paulus für sein eigenes Volk aufzugreifen (vgl. Röm 10,1–4) – trotz der Ungerechtigkeiten, die er durch sie erlitten hat.

Hier sind einige konkrete Vorschläge, wie du  für Katar beten kannst:

  • Bete, dass Gott die Katarer zu sich zieht und ihnen ein klares Verständnis vom Evangelium schenkt.
  • Bitte Gott, dass er den katarischen Führern Weisheit und Mitgefühl schenkt, damit sie alle Menschen in Katar verantwortungsvoll leiten können.
  • Bete für die Arbeiter in Katar, dass sie Gerechtigkeit und Unterstützung erhalten.
  • Bete, dass Gläubige mit muslimischem Hintergrund in Katar in Freiheit und Sicherheit arbeiten und Gottesdienst feiern können.
  • Bitte Gott, dass sein Wort in gedruckter Form, online und durch andere Medien in Katar leicht zugänglich wird.