Mehr vom Gottesdienst mitnehmen – aber wie?
Es gehört zu unseren größten Vorrechten als Christen, im Sonntagsgottesdienst mit unserer Gemeindefamilie Gemeinschaft zu haben. Da dieses wöchentliche Treffen jedoch leicht zur Routine werden kann, müssen wir besonders aufpassen, dass wir nicht in den Autopilot-Modus schalten. Das hätte schwerwiegende Folgen. Darum müssen wir sorgfältig mit diesem Geschenk umgehen. Sonst kann es passieren, dass wir diesen wichtigsten Weg, auf dem Gott sein Volk segnet, nicht wertschätzen oder gar verpassen.
Als Pastor ist es mir ein Anliegen, dass Christen mehr aus dem Gottesdienst herausholen. Doch es geht mir dabei nicht um eine Konsumhaltung. Stattdessen wünsche ich mir, dass den Gläubigen im Kontext ihrer Gemeindefamilie der Wert des Tages des Herrn – und wie Gottes Gnade sie dadurch formt – bewusst wird. Deswegen möchte ich ein paar Möglichkeiten aufzeigen, wie man mehr vom Gottesdienst haben kann.
1. Bete
„Oft haben wir nicht, weil wir nicht bitten.“
Das hört sich fast zu selbstverständlich an, aber manchmal entgeht uns gerade das Selbstverständlichste. Wenn du geistlich wachsen und mehr vom Sonntagsgottesdienst profitieren willst, solltest du beten. Oft haben wir nicht, weil wir nicht bitten (vgl. Jak 4,2). Jesus befiehlt uns, zu bitten, zu suchen und anzuklopfen (vgl. Mt 7,7). Möchtest du wachsen und mehr wie Jesus werden? Dann bete und bitte Gott, den Sonntagsgottesdienst dazu zu benutzen. Das ist sein Plan (vgl. Röm 8,29). Und er gebraucht die Gemeinde, um ihn auszuführen (vgl. Eph 4,11–16). Bete, dass Gott dir hilft, durch den Dienst deiner Gemeinde an Jesus-Ähnlichkeit zuzunehmen.
2. Lies den Predigttext vorher und denk darüber nach
„Falls deine Gemeinde den Predigttext zur Verfügung stellt, lies ihn und denk schon vor dem Sonntag darüber nach.“
In unserer Gemeinde geben wir die Schriftstellen für die Predigt und andere Abschnitte, die im Gottesdienst gelesen werden, schon in der Vorwoche bekannt. So kann man sich schon mal mit dem Text, seiner Argumentation und der Gliederung vertraut machen. Wie die Harke den Boden vorbereitet, vollbringt dieses erste Lesen nicht die ganze Gartenarbeit, aber es lockert den Boden unseres Herzens auf und macht ihn empfänglicher für das gepredigte Wort. Falls deine Gemeinde den Predigttext zur Verfügung stellt, lies ihn und denk schon vor dem Sonntag darüber nach. Dieses Nachsinnen über das Wort ist seit jeher die Praxis der Gottesfürchtigen gewesen (vgl. Ps 119,15; 27; 97).
3. Mach es zur Priorität, andere zu ermutigen
Vieles, was ich hier empfehle, hat damit zu tun, wie du selbst das Wort aufnimmst. Die nächsten zwei Punkte möchten dich jedoch dazu anregen, bewusst anderen zu dienen.
Wenn du nicht absichtsvoll handelst, wirst du vermutlich tun, was gerade bequem ist. Das kann bedeuten, dass du jegliche Unterhaltung vermeidest oder nur darüber sprichst, was du im Moment spannend findest – oder was dein Gegenüber gerade leidenschaftlich interessiert. Ich frage mich jedoch: Wie anders würden unsere Gespräche verlaufen, wenn wir uns vornehmen würden, andere zu ermutigen, Jesus besser kennenzulernen und ihm nachzufolgen? Wie würde es unsere Unterhaltungen verändern, wenn wir versuchten, einem Ungläubigen das Evangelium zu erklären, ein zweifelndes Gemeindeglied zu trösten oder jemanden zu ermahnen, dem der Stolz aus allen Poren quillt?
„Wie anders würden unsere Gespräche verlaufen, wenn wir uns vornehmen würden, andere zu ermutigen, Jesus besser kennenzulernen und ihm nachzufolgen?“
Ich versuche, sonntags zumindest drei Arten von Leuten anzusprechen und zu ermutigen. Ich möchte mit einem Besucher sprechen, zweitens mit jemandem, der regelmäßig kommt, aber kein Gemeindemitglied ist, und zuletzt mit einem Gemeindemitglied. Während ich mit ihnen spreche und ihnen zuhöre, überlege und bete ich: „Wie kann ich sie im Herrn ermutigen?“
Für manch einen bedeutet das, schon vor dem Gottesdienst zu planen, auf wen man zugehen möchte. Vielleicht muss man sich auch schon ein paar Gedanken darüber machen, was man dann sagen wird. Tun wir das nicht, wird es wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass wir uns mit unserer Familie und unseren Freunden unterhalten und viele andere vernachlässigen, die Gott mit uns gemeinsam anbeten. So verpassen wir die Gelegenheit, die Menschen um uns herum zu ermutigen. Stell dir vor, wie deine Gemeinde sich verändern würde, wenn jeder so handeln würde! Ich denke, du selbst und viele andere hätten mehr vom Gottesdienst.
4. Diene
Dieser Punkt ist schnell abgehandelt: Wenn es Nöte in der Gemeinde gibt, versuche ihnen zu begegnen. Melde dich freiwillig zum Dienst. Jesus hat es vorgemacht und sagt, dass die gesegnet werden, die gemäß seinem Beispiel demütig dienen (vgl. Joh 13,1–17). Einer der Gründe, warum wir denken, dass wir nicht genug vom Gottesdienst bekommen, ist, dass wir nicht genug einbringen. Der Weg zum Segen ist mit Dienst gepflastert. Vergiss nicht, die Schürze der Demut anzulegen und anderen zu dienen (vgl. 1Petr 5,5).
4. Reinige dein Herz
Früher hat man in der Kirche seine „Sonntagskleidung“ getragen und sich für den Gottesdienst besonders herausgeputzt. Die Bibel legt weniger Wert auf die äußere Bekleidung. Sie spricht hingegen von geistlicher Kleidung. In einer treffenden Metapher spricht Jakobus davon, allen Schmutz und allen Rest von Bosheit abzulegen und das eingepflanzte Wort mit Sanftmut aufzunehmen, „das die Kraft hat, eure Seelen zu erretten“ (Jak 1,21). In diesem Bild geht es darum, die schmutzigen Kleider auszuziehen, um das gute Wort aufzunehmen. Das kann man sicher auf den Sonntagmorgen anwenden. Die Sünde betrügt uns (vgl. Jer 17,9) und vernebelt unseren Verstand (vlg. Röm 1,21–22). Wir müssen die Sünde aktiv töten und den Herrn Jesus Christus anziehen (vgl. Kol 3,5–17). Wenn du mehr vom Gottesdienst haben willst, dann töte die verbleibende Sünde in deinem Herzen, ehe du zum Gottesdienst gehst (vgl. Röm 8,13).
5. Sei pünktlich
Wenn etwas wichtig ist, sind wir pünktlich zur Stelle. Der Gottesdienst ist wichtig. Also sei pünktlich. So einfach ist das. Hier ist die gleiche Intentionalität erforderlich wie bei den anderen Punkten in diesem Artikel.
6. Sei innerlich involviert
Wenn wir uns mit den Heiligen am Tag des Herrn zum Gottesdienst versammeln, sollten wir uns bewusst sein, dass Gott uns durch sein Wort formt. Wir sind dabei allerdings nicht passiv. Wir haben eine Verantwortung. Hier sind einige Möglichkeiten, uns am Gottesdienst zu beteiligen:
- Abschalten: Zieh es in Erwägung, dein Handy zu Hause zu lassen oder es abzuschalten. Nutze zumindest die ablenkenden Zeitfresser-Apps nicht.
- Lesen: Wenn die Bibel gelesen wird, lies mit und lass Herz und Verstand beteiligt sein.
- Konzentrieren: Im Gegensatz zum Atmen erfordert Konzentration unsere Anstrengung. Um die Gedanken wandern zu lassen, müssen wir uns nicht anstrengen, aber Konzentration kommt nicht von selbst. Bete um Konzentration und bemühe dich darum, während du im Gottesdienst sitzt. Stell dir vor, dass Gott selbst mit dir redet, denn genau das tut er durch sein Wort.
- Beten: Genau wie bei der Schriftlesung können wir hier versucht sein uns auszuklinken. Aber das muss nicht sein. Geh beim Gebet innerlich mit und mache es zu deinem eigenen. Das ist einer der Gründe, warum wir das Gebet mit „Amen“ beenden. Bestätige, was gebetet wurde, indem du laut „Amen“ sagst.
- Singen: Du bist vielleicht wie ich von Natur aus kein Sänger. Aber als Christ hast du ein Lied, das du singen kannst. Wir haben eine Verantwortung „zueinander“ zu singen (vgl. Eph 5,19–20). Auch wenn du nicht singen kannst, schmettere aus voller Kehle. Vielleicht bringt es deinem Sitznachbarn in Erinnerung, dass Gott real ist und dass er die Macht hat zu retten.
- Zuhören: Es macht einen Unterschied, ob ich höre, dass irgendwelche Worte gesagt werden, oder ob ich diesen Worten wirklich aufmerksam zuhöre. Besonders wenn das Wort gepredigt wird, gib dir Mühe dem Wort aufmerksam zuzuhören. Lass es in dich eindringen und dich überführen. Lass zu, dass es dich ermutigt. Lass es dein Gesicht zum Strahlen bringen über die Größe Gottes!
7. Sammle die Brocken und sing Gott ein Lied
„Denk noch einmal darüber nach, wie Gott dich mit seinem Wort, den Liedern, den Gebeten, dem Abendmahl, der Predigt oder der Gemeinschaft gesegnet hat.“
Am Ende des Tages magst du versucht sein, einfach das Kalenderblatt zum Montag umzuwenden. Aber nicht so schnell! Gott möchte dich durch das gemeindliche Zusammenkommen nähren und formen. Darum widerstehe dem Drang zu schnell weiterzuziehen. Mach es stattdessen wie die Jünger nach der Speisung der Fünftausend: Sammle die übriggebliebenen Brocken des Tages auf und verwahre sie in einem Tagebuch und in deinem Herzen. Denk noch einmal darüber nach, wie Gott dich mit seinem Wort, den Liedern, den Gebeten, dem Abendmahl, der Predigt oder der Gemeinschaft gesegnet hat. Befasse dich noch einmal mit dem wunderbaren Evangelium. Hat es Gott gefallen, Zuneigung zu Christus in dir zu erwecken? Hat er deinen Hass für die Sünde vermehrt? Hat er dir die Gnade geschenkt, dich neu im Glauben festzuklammern? Hat er dich wieder daran erinnert, dass er dich liebt? Denke über diese Dinge nach und preise ihn dafür. Und wenn du schon dabei bist, singe ihm ein Loblied!
Fazit
Es darf gerne zur vertrauten Gewohnheit werden, zum Gottesdienst zu gehen, doch es wäre geistlich ungesund, dabei auf Autopilot zu schalten. Stattdessen müssen wir bewusst und absichtsvoll vorgehen. Wenn wir das tun, werden wir feststellen, dass wir oft mehr aus dem Gottesdienst herausholen können, wenn wir mit Intention etwas mehr investieren.