Der Kampf für den Glauben in einer Kultur der Verwirrung

Artikel von Justin Dillehay
12. August 2022 — 9 Min Lesedauer

Wir leben in einer Zeit großer theologischer Verwirrung. Gemäß der aktuellsten „State of Theology“-Studie von Ligonier Ministries lehnen 30 Prozent derer, die sich selbst als Evangelikale bezeichnen, die Gottheit Christi ab. 46 Prozent von ihnen glauben, der Mensch sei von Natur aus gut, und 22 Prozent sind der Meinung, die geschlechtliche Identität sei eine „Frage der persönlichen Entscheidung“.

Hätte man in den vergangenen Jahrhunderten derartige Studien durchgeführt, dann würde man vielleicht feststellen, dass es schon immer so gewesen ist. Dennoch hat uns unsere Kultur eine gehörige Dosis Relativismus und Individualismus eingeimpft, die es Menschen erschwert, irgendeine Autorität über sich zu akzeptieren. Daher bevorzugen Menschen einen Glauben, der sich gegen klare Definitionen sträubt, und ein Christentum ohne spezifische Inhalte.

All das gibt uns die Gelegenheit, tiefer über Judas 3 nachzusinnen. Dort fordert der Halbbruder Jesu auf, „dass ihr für den Glauben kämpft, der den Heiligen ein für alle Mal überliefert worden ist.“ Diesen Vers möchte ich nun aus drei Blickwinkeln betrachten. Sie sollen uns Aufschluss darüber geben, was es heißt, in einer Zeit der moralischen und theologischen Verwirrung für den Glauben zu kämpfen.

1. Ein Glaube mit klaren Grenzen und Inhalten

Das Wort „Glaube“ bezieht sich üblicherweise auf den Akt des Herzens, das ganze Vertrauen auf Jesus Christus als unsere einzige Hoffnung im Leben wie im Sterben zu setzen. Doch „der Glaube“ meint nicht den Akt, sondern den Inhalt des Glaubens.

„Judas kann die Christen im Jahr 65 n.Chr. dazu aufrufen, für ‚den Glauben‘ einzustehen und dabei annehmen, dass diese wissen, wovon er spricht.“
 

Dies deutet an, dass es bereits im ersten Jahrhundert einen anerkannten Korpus an Lehren gab, von dem erwartet wurde, dass alle Christen ihm zustimmten. Judas kann die Christen im Jahr 65 n.Chr. dazu aufrufen, für „den Glauben“ einzustehen und dabei annehmen, dass diese wissen, wovon er spricht. Im Gegensatz zu manchen Skeptikern in unserer Zeit spricht Judas nicht von mehreren „Christentümern“. Wie auch Paulus glaubt er, dass da „ein Glaube“ ist (Eph 4,5) und dass alle, die diesem entgegengesetzt lehren, nicht zulässige Alternativen anbieten, sondern falsche Evangelien predigen (vgl. Gal 1,6–9). Christen müssen nicht in allem übereinstimmen (vgl. Röm 14), aber in manchen Dingen schon (vgl. 1Kor 15,3; Gal 1).

Zudem ergibt sich aus dieser Stelle, dass die biblische Lehre trotz des Umfangs der Bibel präzise zusammengefasst werden kann. Genau das tut ein gutes Glaubensbekenntnis. Wenn auf der Webseite einer Gemeinde die Rubrik „Was wir glauben“ fehlt, bin ich sehr zurückhaltend, Menschen an diese Gemeinde zu verweisen. Du kannst nicht für etwas kämpfen, das du nicht definieren kannst. Für Judas war der Glaube kein leerer Eimer – er hatte einen Inhalt. Darum stellt sich natürlich die Frage: Womit war dieser Eimer gefüllt?

2. Ein Glaube voller moralischer und lehrmäßiger Wahrheit

Für Judas und die frühe Kirche umfasste der Glaube sowohl moralische als auch lehrmäßige Wahrheiten.

Moralische Wahrheit

Zuerst enthält der Glaube grundlegende moralische Wahrheiten in Bezug auf Sünde und Gerechtigkeit. In der Tat spricht Judas seine Ermahnung wegen Menschen aus, welche sich „unbemerkt eingeschlichen“ hatten und „schon längst zu diesem Gericht aufgeschrieben worden sind, Gottlose, welche die Gnade unseres Gottes in Zügellosigkeit verkehren und Gott, den einzigen Herrscher, und unseren Herrn Jesus Christus verleugnen“ (Jud 4).

„Wenn ‚Christus ist für unsere Sünden gestorben‘ eine Angelegenheit von größter Wichtigkeit ist, muss auch das rechte Verständnis von Sünde von größter Wichtigkeit sein.“
 

In Zügellosigkeit zu leben und dann theologische Rechtfertigungen dafür zu erfinden, stellt eine Verleugnung des Glaubens – und eine Verleugnung Christi – dar. Als warnendes Beispiel, das die Passage für unsere Kultur, in der manche Gemeinden die Regenbogenfahne im Namen der christlichen Nächstenliebe hissen, besonders relevant macht, zitiert Judas das Schicksal Sodoms und Gomorrhas, „die in gleicher Weise wie diese die Unzucht bis zum Äußersten trieben und anderem Fleisch nachgingen, … indem sie die Strafe eines ewigen Feuers zu erleiden haben“ (Jud 7).

Irrt euch nicht: Unser apostolisches Glaubensbekenntnis erklärt, dass wir „an die Vergebung der Sünden“ glauben (vgl. 1Kor 6,9–11; Kol 1,13–14). Es setzt jedoch auch voraus, dass wir wissen, was Sünde ist. Wenn „Christus ist für unsere Sünden gestorben“ eine Angelegenheit von größter Wichtigkeit ist, muss auch das rechte Verständnis von Sünde von größter Wichtigkeit sein.

Jesus ist nicht gekommen, um die Gebote zu lockern, und er ist nicht gestorben, um die moralische Ausrichtung des Universums zu ändern (vgl. Mt 5,19). Er starb, damit uns vergeben werden kann und wir von der Sklaverei der Sünde befreit werden können. Er wurde auferweckt, damit wir in einem neuen Leben wandeln dürfen. Das ist der Glaube. Und das ist es, was diese Irrlehrer leugnen – zu Judas’ Zeiten wie auch heute.

Bevor ich zu einseitig erscheine, möchte ich anmerken, dass man den Glauben nicht nur durch das Gutheißen sexueller Unmoral verleugnen kann, sondern beispielsweise auch durch die Weigerung, für die eigenen gealterten Eltern zu sorgen: „Wenn aber jemand für die Seinen, besonders für seine Hausgenossen, nicht sorgt, so hat er den Glauben verleugnet und ist schlimmer als ein Ungläubiger“ (1Tim 5,8). Derselbe Glaube, der uns lehrt, vor Unzucht zu fliehen, lehrt uns auch, Vater und Mutter zu ehren.

Jeder Versuch, den Glauben auf lehrmäßige Wahrheiten zu reduzieren, die sich in den frühen Bekenntnissen finden lassen (üblicherweise aus der Bemühung heraus, Konflikten mit der sexuellen Revolution aus dem Weg zu gehen), ist ein Trugschluss, der die Seelen der Menschen gefährdet.

Lehrmäßige Wahrheit

Während der eine das Christentum einfach als Zustimmung zu einer Reihe von Lehren betrachtet (unabhängig davon, wie man lebt), sieht der andere das Christentum einfach im Bestreben, ein guter Mensch zu sein (unabhängig davon, was man glaubt). Schließlich kann man ja auch ein guter „Nächster“ sein, ohne an die Dreieinigkeit zu glauben!

„Ein Christ ist nicht einfach jemand, der auf eine bestimmte Art und Weise lebt. Ein Christ ist jemand, der bestimmte Dinge glaubt.“
 

Natürlich sollte niemand abstreiten, dass Atheisten und Hindus gute Mitmenschen sein können oder dass die Nächstenliebe zum Herzstück des Glaubens gehört. Sie ist jedoch nicht das ganze Herz. Keinesfalls sollte man das erste große Gebot vergessen: „Du sollst den HERRN, deinen Gott lieben von ganzem Herzen.“ Wenn es nach Jesus geht, dann „ist aber das ewige(s) Leben, dass sie … den allein wahren Gott, und den (er gesandt hat), Jesus Christus, erkennen“ (Joh 17,3).

Ein Christ ist nicht einfach jemand, der auf eine bestimmte Art und Weise lebt. Ein Christ ist jemand, der bestimmte Dinge glaubt. Der Glaube bejaht, dass bestimmte Geschehnisse wie die Schöpfung des Universums ex nihilo oder die Auferstehung Jesu wirklich passiert sind (vgl. Hebr 11,3; 1Kor 15). Er bejaht, dass bestimmte Aussagen wie „Jesus ist Herr“, „der HERR ist einer“, und „alle Götter der Nationen sind wertlose Götzen“ wahr sind (vgl. Röm 10,9; 1Kor 12,3; 5Mose 6,4; 1Kor 8,6; Ps 96,5). Und er bejaht, dass bestimmte Ereignisse wie das Gericht über die Gottlosen und die Auferstehung des Leibes wirklich passieren werden (vgl. Jud 6.14; 1Kor 15; 2Tim 2,8).

Glaube ohne Werke mag tot sein, aber Werke ohne Glauben sind ebenfalls tödlich. Ziel des Glaubens ist es nicht, einfach nur ein guter Mensch zu sein, sondern zu begreifen, dass man kein guter Mensch gewesen ist. Die Behauptung, „gute“ Menschen könnten ohne Glauben an Jesus gerettet werden, ist nichts weiter als purer Moralismus und damit eine Verleugnung des Glaubens.

3. Ein Glaube, der den Zeitgeist überdauert

Den Christen wurde immer wieder gesagt: „Das Christentum muss sich entweder ändern oder es wird sterben, weil von einem modernen Menschen nicht erwartet werden kann, an ______ zu glauben.“ Interessanterweise waren es vor 100 Jahren, wie Trevin Wax zeigt, die Lehrinhalte wie die Jungfrauengeburt oder die Auferstehung, von denen man angeblich nicht erwarten konnte, dass „der moderne Mensch“ sie glauben kann. Dem modernen Menschen der 1920er war die biblische Moral recht, nur die Wunder behagten ihm nicht.

„Glaube ohne Werke mag tot sein, aber Werke ohne Glauben sind ebenfalls tödlich.“
 

Doch heute ist nahezu das Gegenteil der Fall. Es ist die Moral der Bibel, die unserer Kultur sauer aufstößt – insbesondere in Bezug auf Sexualität. Und wieder einmal wird uns gesagt, wir hätten uns anzupassen oder müssten aussterben. Blickt man jedoch ins 20. Jahrhundert zurück, zeigt sich ein völlig anderes Bild. Die Kirchen, die sich anpassten, sind die Kirchen, die gestorben sind. Es sind die Kirchen, die bereit waren ihr Leben zu geben, welche es behalten haben.

Genau das hätte der Judasbrief uns auch gesagt. Der Glaube ist nicht etwas, das wir dem Zeitgeist anpassen können, denn der Glaube ist nicht etwas, das wir selbst geschaffen haben – er ist etwas, das „ein für alle Mal den Heiligen überliefert“ worden ist. Das gilt auch heute noch.

Und obwohl menschliche Kulturen sich wandeln in Bezug auf die Schwerpunkte des Glaubens, die sie am anstößigsten finden, bleibt der grundlegende Stein des Anstoßes derselbe. Die Menschen wollen noch immer einen Gott, der ihnen erlaubt ihren sinnlichen Begierden zu frönen, und der sie aufgrund ihrer guten Werke annimmt. Der christliche Glaube bietet nichts davon. Stattdessen verspricht er etwas Besseres.

In der Tat leben wir in einer Zeit großer theologischer Verwirrung. Die Versuchung, den Menschen das zu geben, was sie wollen, anstelle dessen, was sie brauchen, bleibt wie eh und je bestehen. Dennoch waren gefallene Menschen nie gute Richter, wenn es darum geht zu bestimmen, was sie brauchen. Daher wäre es das Allerliebloseste, den Glauben so zu verdrehen, dass wir ihnen geben, was sie wollen. Und darum ist das Allerliebevollste genau das, was Judas sagt: Kämpft für den Glauben, der den Heiligen ein für alle Mal überliefert worden ist!