In seinen Tod getauft
„(Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind,) die sind in seinen Tod getauft?“ (Röm 6,3, LUT)
Der selige Augustin sagt im 4. Buch über die Trinität im 3. Kapitel: „Für den zweifachen Tod bei uns setzt der Heiland seinen einfachen Tod ein, und um für uns eine doppelte Auferweckung zu erwirken, im Sakrament und als Beispiel hat er seine eine Auferweckung voran- und ausgestellt. Mit einem sterblichen Leib nämlich bekleidet und darin allein sterbend, mit ihm allein auferstehend stimmt er mit ihm allein nach beiden Seiten mit uns zusammen, weil er in ihm zum Sakrament für den inneren Menschen und zum Beispiel für den äußeren Menschen wurde. Dem Sakrament für den inneren Menschen gilt jenes Wort: ,Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der sündige Leib zerstört werde’ (Röm 6,6). Auf das Beispiel aber bezieht sich jenes Wort (Mt 10,28): ,Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten.’ Dazu hat er die Seinen durch diesen seinen Tod aufs Nachdrücklichste ermuntert.“ Dass sich aber die Auferstehung des Leibes des Herrn auf das Sakrament für den inneren Menschen bezieht, wird durch jenes Apostelwort deutlich (Kol 3,1): „Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist.“ Auf das Vorbild aber bezieht sich jenes Wort (Lk 21,18): „Kein Haar von eurem Haupt soll umkommen“, und dass er seinen Leib den Jüngern nach der Auferstehung zeigte. So redet also der Apostel vom Tod und von der Auferstehung Christi an dieser Stelle in ihrer Bedeutung als Sakrament und nicht in ihrer Bedeutung als Beispiel. Darum ist zu beachten: Es gibt einen zweifachen Tod, nämlich einen natürlichen oder besser zeitlichen, und einen ewigen. Der zeitliche Tod ist die Scheidung des Leibes von der Seele. Aber dieser Tod ist nur ein Gleichnis, ein Abbild, und wie der Tod, der auf die Wand gemalt ist, im Vergleich zu jenem ewigen Tod (der auch ein geistlicher Tod ist). Darum wird er in der Schrift sehr häufig Schlaf, Ruhe, Schlummer genannt. Der ewige Tod ist zweifach. Der eine ist gut und herrlich. Er ist der Tod der Sünde und der Tod des Todes, durch den die Seele gelöst und geschieden wird von der Sünde und der Leib von der Verdorbenheit, und durch den sie durch die Gnade und Herrlichkeit verbunden wird mit dem lebendigen Gott. Das erst ist im eigentlichsten Sinn Tod. (Denn bei allem anderen Tod bleibt irgendetwas, was dem Leben beigemischt ist, zurück, außer bei diesem Tod, wo Leben allein in vollkommener Reinheit ist, weil es ewiges Leben ist.) Denn diesem Tod allein kommen in geradezu vollkommenem Grad die Eigenschaften des Todes zu und allein in diesem Tod stirbt ganz und gar dahin und vergeht in ein ewiges Nichts, was so stirbt, und niemals kehrt irgendetwas aus ihm zurück. (Ja, er tötet auch den ewigen Tod.)
„So sterben die Sünde und der Sünder, wenn er gerechtfertigt wird.“
So sterben die Sünde und der Sünder, wenn er gerechtfertigt wird. Denn die Sünde kehrt in Ewigkeit nicht wieder, wie der Apostel hier sagt: „Christus stirbt hinfort nicht mehr“ usw. (Röm 6,9). Und um diesen Tod geht es hauptsächlich in der Schrift. Denn Gott hat beschlossen, durch Christus zunichtezumachen, was der Teufel durch Adam hereingebracht hat. Hereingebracht aber hat der Teufel Sünde und Tod. Darum führte Gott den Tod des Todes herbei und die Sünde der Sünde, das Gift des Giftes, die Gefangenschaft der Gefangenschaft, wie er durch Hosea (13,14) spricht: „Tod, ich will dein Tod sein, Hölle, ich will dich fressen.“ Das ist in allen Kriegen der Kinder Israels vorgebildet, die einst im Alten Testament die Heiden töteten. Der andere Tod ist ewig und von schlimmster Art. Es ist der Tod der Verdammten. Hier sterben nicht die Sünde und der Sünder, so, dass der Mensch gerettet wird, sondern der Mensch stirbt, während die Sünde in Ewigkeit lebt und bleibt. Das ist der Tod des Sünders, ein Tod von schlimmster Art (vgl. Ps 34,22). Der Apostel aber, der im Sinn eines Sakraments vom Tode Christi redet, redet von dem zweiten geistlichen Tode, und so werden uns seine Worte leichtverständlich. Ich sagte: „Die Sünde der Sünde.“ Was bedeutet das? Die Sünde der Sünde besteht darin, dass man dem Gesetz der Sünde zuwiderhandelt und das Gesetz der Glieder übertritt und gegen die fleischlichen Begierden sündigt. Das ist die allerbeste Sünde. Gleichwie es der Tod des Todes ist, dass man dem Tod zuwiderhandelt – das heißt Leben – so ist die Sünde der Sünde die Gerechtigkeit. Daher das Wort des Predigers (Sir 42,14): „Besser ist die Bosheit des Mannes als ein Weib, das wohl tut“. D. h., es ist besser, dass der Geist das Gesetz des Fleisches übertritt und tut, was dem Fleisch zuwider ist, als dass das Fleisch seinem eigenen Gesetz gemäß handelt.
„Es ist besser, dass der Geist das Gesetz des Fleisches übertritt und tut, was dem Fleisch zuwider ist, als dass das Fleisch seinem eigenen Gesetz gemäß handelt.“
Das sind die Werke des Herrn, an denen er Wohlgefallen hat und durch die er auch uns fröhlich macht, wie geschrieben steht: „Der Herr wird sich freuen an seinen Werken“ (Ps 104,31). Und unten in Römer 8,3: „Und um der Sünde willen verdammte er die Sünde.“ Diese Redeweise in Verneinungen, die viel köstlicher sind als die positiven Aussagen, gebraucht der Geist, um die Ewigkeit dessen auszudrücken, wovon er redet. Denn dass „der Tod getötet wird“, das bedeutet so viel wie: Der Tod kehrt nicht mehr zurück. Und dass „die Gefangenschaft gefangengenommen wird“, das heißt: Die Gefangenschaft kehrt niemals wieder (vgl. Ps 68,19). Das kann man mit positiven Sätzen nicht so ausdrücken. Denn es kann auch ein Leben ohne Ewigkeit gedacht werden. So heißt es auch dort (Ps 68,21): „Unser Gott ist ein Gott, der selig macht, und ein Herr, der der Ausgang aus dem Tod ist.“ Das ist besser, als wenn es hieße: Er ist der Eingang ins Leben. Denn der Eingang ins Leben kann zu einem Ausgang aus dem Leben werden, ja, er wird es notwendigerweise, aber der „Ausgang aus dem Tod“, das heißt in ein Leben eingehen, das keinen Tod mehr kennt. Und das ist das „Wohlgefallen Christi“, davon Psalm 16,3 sagt: „An den Heiligen, die im Land sind, an ihnen hat er herrlich all mein Wohlgefallen kundgetan.“ Und Psalm 111,2: „Groß sind die Werke des Herrn, auserlesen nach all seinem Wohlgefallen.“
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Dies ist ein Auszug aus Martin Luthers Vorlesung über den Römerbrief 1515/1516. Weitere Infos und eine Bestellmöglichkeit gibt es hier.