Was du nach deiner Predigt nicht tun solltest

Artikel von Dave Harvey
27. Oktober 2015 — 6 Min Lesedauer

Der Abschluss einer Predigt ist ein gefährlicher Moment für den Prediger. Er hat gerade 30–45 Minuten damit verbracht, seine Auslegungsergebnisse zu präsentieren und all das, was er in seinen Forschungen herausgefunden hat, mit Eifer an die Gemeinde heranzutragen. Die 10–20 Stunden Vorbereitungszeit sind jetzt Geschichte, und er hat sich ins Auto gesetzt, um nur noch nach Hause zu fahren. Höchstwahrscheinlich ist er erschöpft – emotional, geistig und körperlich. Wenn man zur Verkündigung berufen ist, lässt man alles vorne an der Kanzel liegen.

Ich habe das oft erlebt. Und in den letzten 30 Jahren habe ich einiges darüber gelernt, was ich nach einer Predigt tun oder lieber lassen sollte. Hier sind die drei wichtigsten Lektionen:

1. Gehe nicht aus der Deckung!

Als Prediger befindest du dich im Kampf. Paulus erklärt uns, dass es Gott gefallen hat, diejenigen, die glauben, durch die Torheit der Predigt zu retten (1Kor 1,21). Sünder werden immer wieder von dem „Fürsten der Macht der Luft“ angegriffen, „der jetzt in den Söhnen des Ungehorsams wirkt“ (Eph 2,2). Gott gebraucht die Predigt, um Menschen zu verändern und um sie aus dem Herrschaftsbereich des Feindes zu befreien.

„Wir dürfen nicht so naiv sein, zu denken, der Kampf sei mit der Ablieferung der Predigt vorbei.“
 

Satan hat eine klare Meinung zur Predigt des Evangeliums: Sie muss aufhören. Wir dürfen nicht so naiv sein, zu denken, der Kampf sei mit der Ablieferung der Predigt vorbei. Die Vorbereitung der Predigt (Studium, Nachdenken und Gebet) hat schützende Vorteile. Aber nach der Predigt sind wir normalerweise erschöpft und leer. Das bedeutet, dass wir auch verletzlich sind.

Auch dein Fleisch ist fleißig. Durch das Predigen tun sich Versuchungen auf. Wir können stolz darüber werden, wie Gott uns gebraucht. Oder aber wir werden verbittert, weil wir noch keine Frucht sehen. In so einem Fall müssen wir uns immer daran erinnern, dass dort, wo viele Worte des Menschen sind, die Sünde nicht fern ist (Spr 10,19).

Wenn wir predigen, machen wir Fehler. Wenn du schon etwas länger im Predigtdienst stehst, weißt du, dass jede Predigt Mängel aufweist. Diese Schwachheiten haben die Gewohnheit, am Sonntagnachmittag vor deiner Tür zu stehen, um dir einen Besuch abzustatten. Öffne ihnen bloß nicht. Diese Dinge werden dein Haus füllen, den Frieden stören und die Predigt in ein bestimmtes Licht stellen. Du wirst denken, du wärst töricht, unbegabt und die ganze Predigt sei ruiniert.

Es gibt unter der Sonne für alles Zeit und Raum. Aber deine Predigt direkt nach der Verkündigung zu evaluieren, wird dich dazu führen, deine Predigt zu hassen. Du musst dich darauf gefasst machen, dass du nach der Predigt angegriffen wirst. Wie sich auch Soldaten auf einen Angriff vorbereiten, so müssen auch wir in Verteidigungsstellung gehen.

Halte dir das Evangelium vor Augen – vor, während und nach geistlichen Angriffen. Wir müssen begreifen, dass es in der Verkündigung nicht um unsere Worte, sondern um Gottes Kraft geht. Es gab in der Geschichte der Welt noch nie eine Predigt, die so schlecht war, dass Gott sie nicht gebrauchen konnte. Meinen wir wirklich, Gottes Wege und Wirkungen seien von der Qualität unserer Verkündigung abhängig? Das ist sicher nicht das, was wir verkündigen und wir sollten auch in dieser Weise predigen.

Wir müssen uns also auf Angriffe vorbereiten, indem wir uns vor Augen halten, dass Gott größer ist als unsere Fehler.

2. Höre nicht auf dich selbst!

Wenn wir angegriffen werden, wird es laut in uns. Anschuldigende Gedanken werden bei uns anklopfen, um unsere Aufmerksamkeit zu bekommen. Vielleicht sind es aber auch selbstverherrlichende Gedanken und wir fangen an, höher von uns zu denken als sich gebührt (Röm 12,3). In solchen Momenten müssen wir unsere Seele zur Ruhe bringen.

„Bringe deine Seele damit zur Ruhe, dass du deine Gedanken auf Gott richtest und nicht auf deine Darbietung.“
 

Wir können unsere Seele zur Ruhe bringen, indem wir dem HERRN vertrauen, dass er die Predigt gebraucht, um Frucht zu bewirken. Bringe deine Seele damit zur Ruhe, dass du deine Gedanken auf Gott richtest und nicht auf deine Darbietung. Wenn wir Stolz empfinden, müssen wir uns daran erinnern, dass unsere Predigt bedeutungslos ist, wenn Gott sich nicht entscheidet, sie zu gebrauchen. Wenn du dich unfähig fühlst, erinnere dich daran, dass sein Wort nicht leer zurückkehrt (Jes 55,1). Unsere Predigt wird das bewirken, wofür Gott sie gebrauchen will. Glücklicherweise kennen wir seine Gedanken und Pläne nicht.

Brüder, wir müssen die angreifenden Gedanken ignorieren und unsere Gedanken auf die besseren Dinge lenken (Phil 4,8). Der beste Trost für einen Prediger nach der Predigt ist: „Lasst ab und erkennt, dass ich Gott bin“ (Ps 46,11). Wenn wir diese Einstellung haben, werden wir auch mit Kritik und Komplimenten richtig umgehen.

Wenn wir unsere Predigt Gott anvertraut haben, können unsere Gedanken zur Ruhe kommen. Ich brauche meistens 2–3 Stunden, um mich nach einer Predigt zu sammeln. Ich versuche, etwas zu lesen oder lege mich auch kurz hin, um etwas zu schlafen. Manchmal sehe ich mir auch eine Sendung im Fernsehen an. Wären unsere Kinder jünger, würde ich etwas mit ihnen gemeinsam machen, um meinen Kopf frei zu bekommen.

Jemand hat mal behauptet, der Einsatz während einer Predigt gleiche ungefähr dem Einsatz einer normalen 8-Stunden-Schicht. Ich weiß nicht, ob das wirklich stimmt, aber es fühlt sich auf jeden Fall so an. Es geht also darum, Körper und Seele zur Ruhe kommen zu lassen, um für die nächste Predigt bereit zu sein.

3. Fange nicht an, zu angeln!

Predigen kann sowohl zu Ablehnung als auch zu Bewunderung führen, weshalb wir versucht sein werden, nach Komplimenten zu angeln. Wir fangen an, Fragen zu stellen, um ein positives Feedback zu bekommen. So stärken wir unser Selbstbewusstsein. Ich habe das viel zu oft gemacht. Es gibt wenige Dinge, die bedeutungsloser sind als erworbene Komplimente. Es sei denn, wir erhalten statt des erhofften Kompliments eine harte Kritik. Das erinnert uns daran, dass wir nicht immer Dinge angeln, die uns schmecken.

„Wenn du doch ein Kompliment bekommst, gebe Gott die Ehre dafür.“
 

Das Problem dahinter ist, dass wir sehr ergebnisorientiert handeln. Wir sind daran interessiert, wie wir bei den Leuten ankommen. Wir wollen wissen, wie es sich „angefühlt“ hat, als gebe es ein Barometer dafür, Gottes Wirken nachzuprüfen. Wir haben manchmal das Bedürfnis, die Anerkennung der anderen zu kommen, statt Gott zu vertrauen.

Prediger bekommen normalerweise mehr Ermutigungen zu hören als andere Menschen. Also fange nicht an, nach Komplimenten zu angeln. Und wenn du doch ein Kompliment bekommst, gebe Gott die Ehre dafür.

Und außerdem: Höre dir deine Predigten nicht an. Warum? Du bist viel zu subjektiv, wenn es darum geht, deine eigene Predigt zu evaluieren. Du hast 15–20 Stunden mit der Vorbereitung verbracht, was bedeutet, dass die Objektivität schon lange außer Haus ist. Wenn du wirklich Hilfe haben willst, wende dich an erfahrene Prediger und vertrauenswürdige Gemeindemitglieder, die dir ein konstruktives Feedback geben können. Bedanke dich für dieses Feedback, egal wie es ausfällt.

Spurgeons Unzufriedenheit mit sich selbst

Charles Spurgeon, der wohl größte Prediger der letzten 300 Jahre, sagte einmal: „Es ist lange her, dass ich eine Predigt gehalten habe, mit der ich zufrieden war. Ich erinnere mich eigentlich gar nicht, einmal zufrieden gewesen zu sein.“

Und dieser Mann wurde der „Prinz der Prediger“ genannt.

Wenn Spurgeon mit seinen Predigten unzufrieden war, haben auch wir das Recht dazu.

Lassen wir diese Momente also ruhig auf uns zukommen.