Fünf Fragen für deine Gemeindesuche

Artikel von Ric Rodeheaver
24. Juni 2022 — 6 Min Lesedauer

Die Suche nach einer neuen Gemeinde kann einen leicht überfordern. Bei so vielen Möglichkeiten – und das bei einer so schwerwiegenden Entscheidung – wissen wir manchmal nicht, wo wir anfangen sollen.

Wenn du gerade auf der Suche nach einer neuen Gemeinde bist, kannst du zunächst einmal einen ehemaligen Pastor, dem du vertraust, um Rat fragen – oder du schaust dir die Gemeinden in einem bibeltreuen Bund oder Netzwerk an. Bei der Auswahl solltest du dich auf Gemeinden in der Nähe deines Wohnorts konzentrieren, damit du dich wirklich ins Gemeindeleben einbringen und involviert sein kannst. Achte auch darauf, dass du die Gemeinde öfter besuchst, damit nicht ein schlechter (oder außergewöhnlich guter) Sonntag deine Sicht von der Gemeinde bestimmt. Und wenn du eine potenzielle Gemeinde besuchst, komm mit diesen Fragen im Hinterkopf:

1. Ist Gottes Wort die Hauptspeise?

Das mag offensichtlich scheinen, aber es ist erstaunlich, wie oft das „Offensichtliche“ vorausgesetzt und deshalb ignoriert wird. Woher weißt du, ob eine Gemeinde die Bibel ernst nimmt? Du kannst dir das Glaubensbekenntnis auf der Website anschauen. Allerdings haben völlig unterschiedliche Gemeinden oft recht ähnliche Bekenntnisse. Am aufschlussreichsten ist es wohl zu schauen, wie es um den „Predigt-Speiseplan“ bestellt ist. Die meisten Gemeinden haben auf ihrer Webseite (oder ihrem YouTube-Kanal) ein Predigtarchiv, wo du dir eine Auswahl der Predigten ansehen kannst.

Es geht hier um eine feine, aber sehr bedeutsame Unterscheidung: Lehrt die Gemeinde lediglich bibelorientierte Botschaften oder lehrt sie die Bibel?

Am einfachsten lässt sich dies feststellen, indem man sich die letzten drei bis sechs Monate des Predigtkalenders anschaut. Finden sich da viele Reihen (gewöhnlich vier bis sechs Wochen lang), die auf verschiedene aktuelle Themen abzielen (z.B. eine erfüllte Ehe, Beziehungen, Elternschaft, Selbstbewusstsein, kulturelle Trends usw.)? Oder nimmt sich die Gemeinde die Zeit, einfach das Johannesevangelium, den Brief des Paulus an die Kolosser oder die Bergpredigt Jesu zu lehren?

Natürlich kann man die Bibel auch in vier- bis sechswöchigen Themenabschnitten lehren. Es geht nicht so sehr darum, wie die Mahlzeit serviert wird, sondern darum, ob die Bibel das Hauptgericht ist (und nicht eine Beilage oder Vorspeise für ein anderes Hauptgericht, das verlockender zu sein scheint).

2. Ist die Gemeinde eher ein Nachtclub oder ein Zuhause?

Geht es der Gemeinde, wenn du die Versammlung an einem Sonntagmorgen beobachtest, darum, eine Gemeinschaft von Menschen zur Ehre Gottes zu bilden, oder stehen geistliche Erfahrungen für das Individuum im Vordergrund? Für die Bibel ist klar, dass sich in der Gemeinde das Volk Gottes als Gemeinschaft versammelt, es also nicht um eine Konsumerfahrung für gleichgesinnte Menschen geht.

„Für die Bibel ist klar, dass sich in der Gemeinde das Volk Gottes als Gemeinschaft versammelt, es also nicht um eine Konsumerfahrung für gleichgesinnte Menschen geht.“
 

Wie erkennt man das? Frag dich zunächst selbst: Ähnelt das gesamte Umfeld der Gemeinde eher einem Nachtclub oder deinem Wohnzimmer? Sind die Menschen dort, um eine angenehme Erfahrung für sich selbst zu machen, oder um mit ihrer Familie zusammen zu sein?

Achte zweitens auf die Elemente, die die Versammlung ausmachen: Gebete, die gebetet werden; die Anwendungspunkte der Predigt; die Art und Weise, wie (oder ob) das Abendmahl ausgeteilt wird usw. Wirst du durch diese Elemente auf Gemeinschaft ausgerichtet, oder geht es nur um den Einzelnen?

Nehmen wir beispielsweise den Trend, den Gottesdienstraum zu verdunkeln und nur die Bühne hell zu beleuchten. Diese theatralische Beleuchtung verlagert den Schwerpunkt von der versammelten Gemeinde – in der das Miteinander ebenso wichtig ist wie das, was auf der Bühne passiert – auf einige wenige Leute vorne. Sie signalisiert, dass der Schwerpunkt eher auf der Performance als auf der Teilhabe am Gottesdienst liegt. Selbst subtile stilistische Entscheidungen haben theologische Implikationen.

3. Sind die Gemeindeleiter Hirten oder Profis?

Erinnert die Leitungsstruktur an ein Team von Hirten oder an einen Verwaltungsrat? Erledigen die Leute aus den Reihen der Gemeinde den Dienst selbst oder bezahlen sie Fachleute für die Arbeit? Ähnelt die Leitungsstruktur der Struktur des Neuen Testaments – eine Pluralität von Männern, die gleichberechtigt die Autorität und Verantwortung haben, das Volk Gottes zu hüten? Oder ähnelt die Leitungsstruktur eher der eines modernen Unternehmens, mit einem CEO und Organigrammen von mittleren Managern und Ausführenden, die die Vision des CEOs umsetzen?

Wenn eine Gemeinde bestrebt ist, alle ihre Mitglieder auszurüsten und einzusetzen, bekräftigt sie das Priestertum aller Gläubigen und signalisiert Vertrauen in ihre Befähigung durch den Heiligen Geist. Wenn Gemeindeleiter jedoch darauf bestehen, alles selbst zu tun oder sich darauf verlassen, dass ein Einzelner die Prioritäten der Gemeinde setzt, kann dies ein Zeichen von Stolz oder Unsicherheit (manchmal auch von beidem) sein und deutet auf einen Mangel an biblischer Ekklesiologie hin.

4. Besteht die Versammlung aus mündigen Mitgliedern oder unverbindlichen Konsumenten?

Ruft die Gemeinde ihre Leute aufgrund eines Verständnisses von Mitgliedschaft, das sich an einem biblischen Bundesverständnis orientiert, zu einem Leben der Opferbereitschaft und Unterordnung auf? Oder lässt die Gemeinde zu, dass die Besucher autonom und unverbindlich bleiben – und ist vor allem darum bemüht, dass sie mit dem zufrieden sind, was sie von der Gemeinde bekommen?

Eine Gemeinde ist nicht wie ein Fitnessclub oder eine Handelskette, denen man beitritt, um Zugang zu Waren oder Dienstleistungen zu erhalten. Du schließt dich einer Gemeinde an, um dich einem Volk unterzuordnen, das zu einem größeren Ziel als individuelle Selbstverwirklichung berufen ist (vgl. 1Petr 2,9; Hebr 13,7.17). Manchmal geben Gemeinden im Namen von Relevanz, Anpassung an die Kultur oder einfacher pastoraler Nachlässigkeit ihr stärkstes Zeugnis auf: nämlich ein Volk zu sein, das sich bewusst und aufopfernd Christus verpflichtet und unterordnet – zu seiner Ehre und zum Wohl des ganzen Leibes.

„Besonders in einer Konsumgesellschaft, in der Demut und Dienen nicht im Vordergrund stehen, brauchen wir Gottes Gnade, um die Gemeinde so zu lieben, wie wir es sollten.“
 

Wie Mitgliedschaft im Detail aussieht, kann von Gemeinde zu Gemeinde variieren. Wichtig ist zu fragen, ob die Gemeinde über einen Mechanismus verfügt, der ihre Mitglieder unterstützt, zur Rechenschaft auffordert und dabei hilft, die vielen Implikationen des Evangeliums im Leben anzuwenden.

Ein praktischer Weg herauszufinden, ob die Menschen in einer Kirche wirkliche eine Gemeinschaft bilden, besteht darin, bei deinem Besuch früh zu kommen und lange zu bleiben. Beobachte, wie die Menschen miteinander umgehen. Erinnert dich der Umgang eher an die Verbundenheit einer Familie oder mehr an das Zusammensein von Fans bei einem Konzert?

5. Bist du bei deiner Suche bereit, Gottes Gnade sowohl zu empfangen als auch weiterzugeben?

Dieser Punkt hat eigentlich mehr mit dir als mit der Gemeinde zu tun, die du in Betracht ziehst. Irgendwann musst du dich für eine Gemeinde entscheiden. Gib dich dieser Gemeinde dann voll und ganz hin. Schließe dich mit den Menschen dort zusammen, liebe sie und lass dich von ihnen lieben. Bete für die Gemeindeleiter, unterstütze sie und folge ihnen (vgl. Hebr 13,17). Engagiere dich, gehe Verpflichtungen ein, sei rechenschaftspflichtig, übernimm Verantwortung für die Arbeit des Evangeliums in dieser Gemeinde, an ihr und durch sie.

Dazu brauchst du Demut und eine dienende Haltung. Besonders in einer Konsumgesellschaft, in der Demut und Dienen nicht im Vordergrund stehen, brauchen wir Gottes Gnade, um die Gemeinde so zu lieben, wie wir es sollten. Keine Gemeinde wird jemals perfekt sein, auch wenn sie alle deine Kriterien erfüllt. In jeder Gemeinde wird es unbequeme und schmerzhafte Momente geben, und zwar aus einem einfachen Grund: Sie ist voll von Menschen wie du und ich – erlöste Sünder, die Gnade brauchen.