G.K. Chesterton in neun Punkten
Am 29. Mai 1874 wurde G.K. Chesterton geboren. Obwohl er selbst Katholik war, hat sich unter Evangelikalen eine enthusiastische Fanszene um den britischen Autoren gebildet. „Ich danke Gott für G.K. Chesterton“, erklärt John Piper. „Seine Gabe, die Welt zu sehen und auszudrücken, was er sieht, sucht seinesgleichen. Er öffnet mir die Augen für das, was ist. Und das, was ist, trägt die Fingerabdrücke Gottes.“
Hier sind neun Dinge, die du über den „Prince of Paradox“ wissen solltest:
1. Als Kind war Chesterton ein langsamer Lerner.
Gilbert Keith Chesterton wurde 1874 in einem wohlhabenden Teil Londons geboren. Er besuchte eine renommierte Knabenschule, war aber ein derart langsamer Lerner, dass er erst im Alter von acht Jahren das Lesen lernte. Seine Eltern ließen ihn sogar auf eine mögliche geistige Behinderung hin untersuchen. „Ich glaube, der Eindruck, den ich bei den meisten meiner Mitschüler und Lehrer erweckt habe, war die wohlbegründete Überzeugung, dass ich am Schlafen war“, schreibt Chesterton in seiner Autobiographie.
2. Obwohl er niemals einen Universitätsabschluss erlangte, wäre er beinahe Professor geworden.
Nach seinem Schulabschluss besuchte er die Slade School of Art, um Illustrator zu werden, und besuchte Literaturkurse am University College, London. Noch vor seinem Abschluss brach er sein Studium für eine Anstellung bei einem Verlag ab. Im Alter von 25 begann er für ein Wochenmagazin zu schreiben und Bücher zu veröffentlichen. Zwei Jahre später schrieb er bereits regelmäßig für The Daily News. Mit 30 begann er sich einen Namen als Schriftsteller zu machen. Obwohl er keinen Universitätsabschluss hatte, wurde ihm eine Kandidatur auf den Lehrstuhl für Literatur an der Universität Birmingham angeboten, welche er allerdings ablehnte.
3. Chesterton war einer der produktivsten Schriftsteller aller Zeiten.
Er schrieb um die 80 Bücher und wirkte an 200 weiteren mit. Er verfasste hunderte von Gedichten – darunter ein Epos –, fünf Theaterstücke, fünf Romane und 200 Kurzgeschichten. Besonders beliebt wurde seine Father Brown-Reihe mit dem gleichnamigen Priester-Detektiv als Hauptfigur. Für sein täglich Brot brachte er über 4000 Zeitungsartikel zu Papier und gab seine eigene Zeitung G. K.‘s Weekly heraus. „Um das einmal einzuordnen“, sagt Dale Ahlquist, „4000 Artikel entsprechen einer Ertragsmenge von einem Artikel pro Tag auf eine Dauer von 11 Jahren gerechnet.“
4. Chesterton schrieb Detektivgeschichten über einen Verbrechen aufklärenden Priester.
Zwischen 1910 und 1936 publizierte er Kurzgeschichten über einen katholischen Priester und Amateurdetektiv, bekannt als Father Brown. Im Gegensatz zu Sherlock Holmes, welcher auf Deduktion und wissenschaftliches Verständnis setzt, löst Father Brown Geheimnisse mittels Induktion und geistlichem Verständnis.
Daniel Callam beschreibt das Können des Priesterdetektivs folgendermaßen:
„Father Brown hat drei Qualitäten, die es ihm ermöglichen, in den Geist des Verbrechers einzudringen und ihn dadurch zu identifizieren. Als erstes ist er ein Priester, der damit beschäftigt ist, tagein, tagaus die echten Sünden der Menschen anzuhören, und als solcher mit menschlichem Bösen vertraut ist. Daraus folgt, zweitens, dass Father Browns Interesse an einem Fall über dessen Auflösung und die Überführung des Täters hinausgeht: Sein Ziel ist es, den Sünder wieder mit Gott zu versöhnen, wie das Ende von Der Unsichtbare Mann zeigt, als er dem Mörder James Welkin die Beichte abnimmt. Und drittens und am wichtigsten, zeigt Father Brown Mitgefühl mit dem Verbrecher, weil auch er sich als Sünder versteht und sich als solcher ebenfalls zu allen möglichen Vergehen, auch dem des Verbrechers, fähig sieht.“
Insgesamt umfasst die Father Brown-Serie 51 Kurzgeschichten in fünf Bänden.
5. Chesterton war einer der einflussreichsten Apologeten des 20. Jahrhunderts.
In seinem Buch Orthodoxie: eine Handreichung für die Ungläubigen berichtet Chesterton, er habe, bevor er zum Glauben kam, „nie auch nur eine Zeile christlicher Apologetik gelesen“ und fügt hinzu: „Auch heute noch lese ich so wenig davon wie möglich.“ Trotz seiner bekennenden Abneigung gegen die Apologetik war er selbst einer der einflussreichsten Apologeten des 20. Jahrhunderts.
Der Anglikanische Theologe David Pickering erklärt Chestertons Effektivität folgendermaßen:
„[E]r gebraucht eine Reihe rhetorischer Kunstgriffe, welche es ihm ermöglichen, mit seinen Lesern auf gemeinsame Nenner zu kommen. Diese nutzt er, um sich dem Leser als Freund zu präsentieren, der trotz seiner eigenen Glaubensüberzeugungen religiöse Fragen unvoreingenommen zu untersuchen pflegt. Teil seiner Strategie ist es, die Bandbreite seiner apologetisch gebrauchten Theologie so zu begrenzen, dass nicht-religiöse Leser leicht einen Bezug dazu finden können.“
6. Chesterton trat erst als Mann mittleren Alters zur römisch-katholischen Kirche über.
Chesterton wuchs in einem Haushalt auf, dessen religiöse Ansichten unitarisch geprägt waren. Seinen Wandel hin zum Anglikanismus rechnete Chesterton seiner Frau an. Trotzdem bekannte er sich zu seinem orthodoxen Glauben erst im Jahr 1908; dem Jahr, in dem er sein Buch Orthodoxie veröffentlichte.
Im Laufe der nächsten 14 Jahre wog er die Ansprüche der anglikanischen und der römisch-katholischen Kirche gegeneinander ab. Seine Befürchtung, die anglikanische Kirche könne den Bedrohungen der Moderne keine adäquate Antwort liefern, trieb ihn in die Arme der römisch-katholischen Kirche. 1922, im Alter von 48 Jahren und 14 Jahre vor seinem Tod, entschied er sich Katholik zu werden. Als Chesterton starb, pries ihn Papst Pius XI. als „Verteidiger des katholischen Glaubens“.
7. Chesterton und George Bernard Shaw waren „frenemies“.
George Bernard Shaw war ein von der Kritik gelobter und mit einem Nobelpreis prämierter Bühnenautor, welchem manchmal sogar der zweite Rang nach William Shakespeare unter britischen Dramatikern zugesprochen wird. Zudem war er ein radikaler Befürworter der Euthanasie und ein bekennender Widersacher des Christentums.
Trotzdem pflegten Shaw und Chesterton über 35 Jahre lang ein freundschaftliches, wenn auch zänkisches, Verhältnis zueinander.
„Er hat etwas von einem Heiden“, so Chesterton, „und so wie viele andere Heiden ist er ein sehr feiner Mann.“ Von 1911 bis 1928 führten die beiden eine Reihe öffentlicher Debatten. Während dieser pflegten der beleibte Chesterton (er wog etwa 150 kg bei einer Körpergröße von 1,95 m) und der spindeldürre Shaw es, sich gegenseitig zu verspotten. Einmal sagte Chesterton, Shaw sehe aus, „als ob eine Hungersnot England heimgesucht hätte“, woraufhin Shaw entgegnete: „Ja, und Sie sehen aus, als ob Sie sie verursacht hätten.“
8. Chesterton beeinflusste viele einflussreiche Personen und zwei nationale Unabhängigkeitsbewegungen.
Eine Reihe verschiedenster Personen wurde von Chesterton beeinflusst, darunter Schriftsteller (J.R.R. Tolkien, Ernest Hemingway, F. Scott Fitzgerald, George Orwell, Agatha Christie, Neil Gaiman, Dean Koontz), Dichter (W.H. Auden, T.S. Eliot), Regisseure (Orson Welles, Alfred Hitchcock) und ein U.S.-Präsident (Theodore Roosevelt). Weil er zudem das Denken von Mahatma Gandhi und Michael Collins prägte, erstreckte sich sein Einfluss sogar auf die indische wie auch die irische Unabhängigkeitsbewegung.
9. Chesterton prägte eine Reihe protestantische Denker und Schriftsteller.
Obwohl sie viele Lehren der Katholischen Kirche nicht teilen, wurden Autoren wie Trevin Wax, Philip Yancey und John Piper entscheidend von Chesterton geprägt. In seiner Autobiographie Überrascht von Freude erwähnt C.S. Lewis, wie Chesterton ihn dazu brachte Christ zu werden. „Als ich begann, Chesterton zu lesen … wusste ich nicht, worauf ich mich da einließ“, schreibt Lewis. „Ein junger Mann, der ein überzeugter Atheist zu bleiben wünscht, kann seine Lektüre nicht vorsichtig genug auswählen. Ich las Chestertons Der ewige Mensch und sah zum ersten Mal einen Abriss der Weltgeschichte aus christlicher Perspektive, der Sinn für mich ergab.“ In seinem Nachruf auf Chesterton pries der Dichter und Literaturkritiker T.S. Eliot Chesterton als Mann, der „mehr als jeder andere seiner Zeit“ für den „Erhalt der (christlichen) Minderheit in der modernen Welt“ getan habe.