Wo zwei oder drei versammelt sind ...

Matthäus 18,20

Artikel von Harry Reeder
26. März 2022 — 4 Min Lesedauer

Wie oft haben wir schon gehört, wie jemand diesen Vers zitiert hat, um uns in einem Gottesdienst, einem Hauskreis oder einem Gebetstreffen der Gegenwart des Herrn zu versichern?

„Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte.“ (Mt 18,20)

Doch wir missbrauchen diesen Vers, wenn wir ihn so aus dem Zusammenhang reißen!

In diesem Fall ist diese gängige, aber missbräuchliche Anwendung bis zu einem gewissen Grad harmlos, denn die Gegenwart des Herrn in der versammelten Gemeinde ist ein biblisches Konzept. Entsprechende Verheißungen finden wir an vielen anderen Stellen. Aber diesen Text dafür zu gebrauchen ist immer noch problematisch, weil wir damit einen fragwürdigen Umgang mit der Bibel fördern und weil uns dadurch entgeht, was dieser Text eigentlich aussagt.

Der Textzusammenhang

In Matthäus 18 gibt Jesus seiner Gemeinde eine klare Anleitung, wie wir einander mit wiederherstellender Liebe begegnen sollen. Am Anfang des Abschnitts wird eine Situation beschrieben: Jemand, der sich als Christ bezeichnet, ist in einem Fehltritt gefangen. In vier Schritten wird uns gezeigt, wie wir reagieren sollten.

  1. Wir sollen zu ihm gehen und demütig versuchen, die Sache unter vier Augen zu klären. Dabei muss es unsere aufrichtige Absicht sein, den Gläubigen durch die Gnade Gottes zu gewinnen, sodass er die Sünde, in die er sich verstrickt hat, ablegt und neu danach strebt, Christus zu gehorchen.
  2. Sollte dieser Schritt fehlschlagen, sollen wir ein oder zwei andere Geschwister mitbringen, die unsere Motivation für die Wiederherstellung des Bruders oder der Schwester teilen (siehe auch Gal 6,1–2).
  3. Wenn auch diese Bemühungen erfolglos bleiben, müssen wir es „der Gemeinde sagen“. Das heißt nicht, die Person im Gottesdienst bloßzustellen, sondern die Ältesten und damit die Gemeinde zu involvieren.
  4. Die Person wird vor den Konsequenzen gewarnt, wenn sie sich weigert, die Sünde zu bekennen und Buße zu tun. Die nächsten Maßnahmen wären der Ausschluss vom Tisch des Herrn und von der Gemeinde. Das ist in Matthäus 18 gemeint, wenn es heißt, dass der unbußfertige Sünder als „Heide und Zöllner“ identifiziert wird – in der Hoffnung, dass auch dieser letzte Schritt Gott gemäße Buße in ihm bewirkt.

Diese Art von Gemeindezucht wird als „Binden und Lösen“ im Reich Gottes bezeichnet (vgl. Mt 16,19). Am Ende schließt der Abschnitt mit der ernüchternden und zugleich tröstlichen Zusage der Gegenwart des Herrn, wenn die Gemeinde diese Schritte wiederherstellender Disziplin im Namen Christi ausführt.

„Dieser Text beabsichtigt, der versammelten Gemeinde zuzusichern, dass der Herr mitten unter ihnen ist, wenn sie diese biblischen Schritte zur Wiederherstellung eines unbußfertigen Sünders gehen.“
 

Dieser Text beabsichtigt, der versammelten Gemeinde zuzusichern, dass der Herr mitten unter ihnen ist, wenn sie diese biblischen Schritte zur Wiederherstellung eines unbußfertigen Sünders gehen. Er offenbart, wie der Heilige Geist, den Christus gegeben hat, die Gemeindezucht zum Segen der Gemeinde leitet – um den unbußfertigen Sünder zurückzugewinnen, die Gemeinde zu heiligen und sie zu einem wirksamen Zeugnis für Christus in dieser Welt zu befähigen.

Die Segnungen

  1. Jüngerschaft Wenn ein Text im Zusammenhang gepredigt oder gelehrt wird, kann sein voller Segen ausgeschöpft werden. Gleichzeitig wird dem Volk Gottes eine Anleitung dafür gegeben, wie man mit dem Wort der Wahrheit richtig umgeht.
  2. Weisheit Gemeindezucht bietet zahlreiche Gelegenheiten für Gottes Weisheit, jeden Schritt durch das Wort Gottes und die Gegenwart des Geistes Gottes zu durchdringen.
  3. Heiligkeit Die Gegenwart Christi durch den Heiligen Geist rüstet die Gemeinde Gottes aus und befähigt sie zu dem heiligen Unterfangen, unbußfertige Sünder zurückzugewinnen.
  4. Das Reden der Wahrheit in Liebe Die Gegenwart des Heiligen Geistes ist unabdingbar, damit sowohl die Weisheit des Wortes Gottes sichtbar wird als auch die Frucht des Geistes, die sie bewirkt.
  5. Geistliche Gaben Die Gegenwart des Heiligen Geistes und das Mitwirken des Volkes Gottes gewährleistet den vielfältigen Segen der Gaben des Geistes. Zusammen mit der Frucht des Geistes werden sie durch die Gegenwart Christi durch seinen Geist zur Verfügung gestellt.
„Wir können Gott für die Zusage der Gegenwart Christi durch seinen Geist preisen, wenn Gottes Leute einander lieben, indem sie einander aus der Sünde heraushelfen.“
 

Wenn wir den Textzusammenhang beachten, können wir theologische Irrtümer und Irrlehren vermeiden. Nicht nur das, sondern wir schöpfen auch das volle Segenspotential eines Textes aus. In diesem Fall können wir Gott für die Zusage der Gegenwart Christi durch seinen Geist preisen, wenn Gottes Leute einander lieben, indem sie einander aus der Sünde heraushelfen.

Schließlich können wir Gott preisen, dass er uns in diesem Prozess der wiederherstellenden Gemeindezucht die Gegenwart Christi verspricht. Wir werden der Kraft Gottes durch den Heiligen Geist versichert, die sich durch die Gnade Gottes zeigt – zur Ehre Gottes, vor dem Angesicht Gottes.