Schwierige Charaktere in die Gemeinde aufnehmen?

Drei Voraussetzungen für Gemeindemitgliedschaft

Buchauszug von Jonathan Leeman
19. April 2022 — 7 Min Lesedauer

Glaube

Ich sagte bereits, dass Gemeindemitgliedschaft dort beginnt, wo eine Gemeinde das persönliche Glaubensbekenntnis einer Person bestätigt, so wie es Jesus bei Petrus tat. Viele Gemeinden gebrauchen ein ausformuliertes Glaubensbekenntnis als offizielles Statement ihrer Gemeinde, um diesen Prozess zu erleichtern und sicherzustellen, beim Aufnahmegespräch eine gemeinsame Glaubensgrundlage zu haben.

Beispielsweise würden die Mormonen, die Zeugen Jehovas und einige liberale Protestanten ihren Glauben an Jesus mit denselben Worten wie Petrus bezeugen. Sie würden allerdings nicht sagen, dass Jesus Gott ist. Von welchem Jesus sprechen wir also? Ein Glaubensbekenntnis der Gemeinde schafft Klarheit.

In der frühen Gemeinde leugneten einige, dass Jesus vollkommen Mensch war. Hören wir, wie der Apostel Johannes eine Gemeinde dazu ermutigt, kritisch und urteilsfähig in dieser Angelegenheit zu sein:

„Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind! Denn es sind viele falsche Propheten in die Welt ausgegangen. Daran erkennt ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der bekennt, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, der ist aus Gott; und jeder Geist, der nicht bekennt, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, der ist nicht aus Gott. Und das ist der Geist des Antichristen, von dem ihr gehört habt, dass er kommt; und jetzt schon ist er in der Welt.“ (1Joh 4,1–3)

Dort gab es Propheten, die behaupteten: „Ja, ich glaube an Jesus, genauso wie du.“ Johannes sagt jedoch: „Du musst das erst überprüfen. Sie könnten nicht ganz so sein wie du.“

In den darauffolgenden zweitausend Jahren hat falsche Lehre nur so um sich gegriffen. Aus diesem Grund verfügen die meisten Gemeinden über ein Glaubensbekenntnis, das die Punkte Gott, die Heilige Schrift, Sünde, Errettung, die Gemeinde und Jesu Wiederkunft beinhaltet.

Das Ziel bei der Befragung einer Person nach ihrem Glaubensbekenntnis ist nicht die Bestätigung durch professionelle Theologen, sondern die Bestätigung durch Christen. Hören wir, welchen Maßstab Jesus anlegt: „Wer nun sich selbst erniedrigt wie dieses Kind, der ist der Größte im Reich der Himmel. Und wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf“ (Mt 18,4–5). Anders ausgedrückt: Christen sollten ihr Augenmerk besonders auf eine vom Heiligen Geist gewirkte Zerbrochenheit und Demut vor Gott richten. Wie klingt solch eine Zerbrochenheit? Etwa so: „Ja, ich bin ein verdorbener Sünder. Ja, Gott sollte mich richten. Doch – ja!, Jesus starb am Kreuz für meine Sünden. Jetzt ist er mein Herr und ich folge ihm.“

Wie klingt ein zerbrochenes Herz? Es klingt danach, dass es begonnen hat, gesunde Lehre anzunehmen und dass es auf das vertraut, was die Bibel über Gott und über uns sagt.

Buße

Das Christsein beginnt nicht allein mit Glauben. Genauso wenig beginnt die Gemeindemitgliedschaft allein mit Glauben. Beides beginnt mit Buße. Jesus predigte: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15).

Ebenso wie gesunde Lehre und echter Glaube ist auch die Buße die Frucht eines durch den Heiligen Geist gebrochenen Herzens.

Wenn ich wirklich ein Handbuch über die Maßstäbe für die Aufnahmegespräche verfassen sollte, würde ich direkt bei den Seligpreisungen aus Matthäus 5,3–11 anfangen. Es würde sich ungefähr so lesen:

Halten Sie nach denen Ausschau, die arm im Geiste sind; die trauern aufgrund ihrer Sünde; die nicht immer auf ihre Rechte und auf ihren Weg bestehen, sondern sanftmütig sind; die sterbenskrank von all der Sünde und ihren Folgen sind und so sehr nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, als sei sie ihr Lebenselixier. Wenn Sie solche Menschen gefunden haben, stellen Sie sicher, dass sie wissen, wer Jesus ist. Vergewissern Sie sich, dass Jesus ihren verarmten Geist erfüllt, ihre Sünden vergeben hat, ihr Leben und ihre Anbetung bekommt und dass sie sich auf seine Gerechtigkeit verlassen und diese Gerechtigkeit auch praktisch erstreben. Wenn Sie solche Leute finden, dann sagen Sie zu ihnen: „Tretet bei!“

„Was Menschen in einer Gemeinde als Mitglied tauglich sein lässt, ist nicht ihre eigene moralische Reinheit, sondern Christi.“
 

Wir müssen beachten, dass es keine moralische Perfektion ist, die jemanden zur Mitgliedschaft qualifiziert. Es ist genau das Gegenteil, nämlich die Erkenntnis des eigenen Mangels an moralischer Perfektion, gepaart mit einem Hunger nach Gerechtigkeit im eigenen Leben. Gläubige sind nicht Menschen, die niemals sündigen, sondern solche, die die Sünde bekämpfen. Die richterliche Aufgabe einer Gemeinde ist nicht, die Gerechten zu bestätigen, sondern die Ungerechten, die nach Gerechtigkeit dürsten – nach der Gerechtigkeit, die allein Gott in Christus geben kann.

Anders ausgedrückt: Was Menschen in einer Gemeinde als Mitglied tauglich sein lässt, ist nicht ihre eigene moralische Reinheit, sondern Christi – nicht, was sie selbst getan haben, um errettet zu werden, sondern was Gott für sie getan hat, um sie zu erretten.

Taufe

Müssen sich die Leute wirklich erst in einem Gemeindebüro hinsetzen und ein Aufnahmegespräch mit einem Gemeindeältesten führen, bevor sie einer Gemeinde beitreten können? Nein, es gibt verschiedene Wege, um sicherzustellen, dass jemand Jesus repräsentiert, bevor die Gemeinde ihren Genehmigungsstempel aufdrückt.

An dieser Stelle ist es wichtig zu sehen, dass es da eine Sache gibt, die Gemeinden von ihren zukünftigen Mitgliedern neben ihrer Errettung erwarten sollten: die Taufe. Der erste Schritt im Leben eines Christen im Neuen Testament ist die Taufe – immer. Die Menschenmenge fragte Petrus, was sie tun sollten, um errettet zu werden, und er antwortete ihnen: „Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi“ (Apg 2,38). Paulus ging in seinem Brief an die Römer schlichtweg davon aus, dass alle getauft sind (Röm 6,4). Und die Taufe ist das Erste, was Jesus seinen Jüngern aufträgt, wenn sie Menschen zu Jüngern machen (Mt 28,19).

Die Taufe errettet eine Person nicht, aber Jesus sieht für seine Erretteten vor, dass sie sich öffentlich mit ihm und mit seinem Volk identifizieren. Die Taufe gehört dazu, wie man ein offizieller Bürger des Reiches Gottes wird. Sie ist eine Art, die Flagge zu hissen.

In dieser Weise haben Gemeinden seit zweitausend Jahren die Taufe als Voraussetzung für Gemeindemitgliedschaft betrachtet. Sagt die Bibel: „Du musst getauft werden, um einer Gemeinde beizutreten?“ Nein. Aber sie sagt: „Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen.“ Wenn Sie sich mit dem Volk Christi identifizieren wollen und von Bürgern des Reiches Christi erwarten, dass sie sich mit Ihnen identifizieren, müssen Sie sich zuvor mit Christus identifizieren. Genau das ist der Zweck der Taufe. Ein Ablehnen der Taufe würde Sie, nun ja, nicht gerade sehr bußfertig erscheinen lassen. Wie Mark Dever es einmal ausdrückte: Nass zu werden ist der leichteste Befehl, den Jesus uns je gab. Danach wird es nur noch schwerer.

Schlussfolgerung

Ein befreundeter Pastor rief mich vor einigen Wochen an und fragte mich, ob er einen bestimmten Mann in die Gemeinde aufnehmen sollte. Dieser Mann war einige Monate zuvor aus der Gemeinde ausgetreten, wollte nun aber zurückkehren. Er war eine etwas schwierige Persönlichkeit, nicht eklatant spaltend, jedoch unreif und meckerte manchmal über die Leitung. Mein Freund tendierte dazu, diesen Mann nicht wieder aufzunehmen.

Ich fragte ihn, ob er glaubte, dieser Mann sei ein Christ. „Ja“, lautete seine zögerliche und etwas widerstrebende Antwort.

Dann fragte ich, ob er in einer Menschenmenge im Einkaufs­center bereitwillig auf diesen Mann zeigen und ausrufen könnte, dass dieser ein Repräsentant Jesu sei. „Ich schätze schon“, war seine zögerliche Antwort.

„Nun, dann denke ich, solltest du ihn wieder in die Gemeinde aufnehmen. Wir dürfen auch den anstrengenden Christen nicht den Beitritt in unsere Gemeinden verwehren.“

Gemeinden sollten nicht auf die Menschen schauen, die niemals anstrengend sind, sondern auf diejenigen, die zugeben, dass sie zwar anstrengend, aber auch bereit sind, dagegen anzukämpfen.

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Dies ist ein Auszug aus dem Buch Gemeindemitgliedschaft. Wie die Welt sehen kann, wer zu Jesus gehört von Jonathan Leeman (S. 76–80). Weitere Infos und eine Bestellmöglichkeit gibt es hier.