Die Herde im Blick behalten
Hilfen für den pastoralen Dienst, Teil 1
Dies ist der erste Artikel einer Reihe, die praktische Hinweise für Älteste gibt, wie sie ihren pastoralen Dienst ausüben können. Die weiteren Artikel folgen in den nächsten Wochen.
„Wo sind eigentlich Stefan und Maria?“ Seit ein paar Wochen hatte ich sie nicht mehr in der Gemeinde gesehen. Am nächsten Tag erzählte mir jemand, dass sie die Gemeinde wegen einer Bemerkung verlassen hatten, die in einem unserer Kurse gefallen war. Sie haben nie ein Wort zu mir oder zu sonst jemandem gesagt, den ich kenne. Aber auf einmal waren sie verschwunden.
Solche Nachrichten sind hart. Zwanzig Jahre lang hatte ich diesem Paar als Pastor gedient und sie geliebt, mit viel Einsatz. Ich habe Hochzeiten für die Familie ausgerichtet; geholfen, die Ehe eines ihrer Kinder zu retten und ständig für sie gebetet. Dann waren sie plötzlich weg.
Wobei das nicht stimmt. Es kam nicht wirklich aus dem Nichts. Für mich sah es zwar so aus, aber die Bemerkung, die sie beleidigt hatte, schwelte schon seit einiger Zeit in ihnen. Schließlich begannen sie, sich nach einer anderen Gemeinde umzusehen. Ich nahm Kontakt zu ihnen auf, nachdem sie sieben Wochen lang weg geblieben waren (Sieben Wochen?! Es ist mir peinlich, das zu schreiben). Zugegeben, Stefan und Maria hätten etwas sagen sollen. Aber meine Verantwortung als Pastor besteht darin, den Zustand der Herde zu kennen, und ich wünschte, ich hätte es früher bemerkt.
Was werde ich also tun? Dieses Erlebnis verstärkte die Dringlichkeit einer alten Idee, um unseren Dienst als Pastoren und Aufseher der Herde zu verbessern. Denn bis jetzt erfüllen wir Paulus’ Aufforderung an die Ältesten in Ephesus in unserer Gemeinde noch nicht in Perfektion: „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der der Heilige Geist euch zu Aufsehern gemacht hat, damit ihr für die Gemeinde Gottes sorgt.“
Was wir bereits tun
Jeden Monat beten die Ältesten unserer Gemeinde namentlich für die Mitglieder, bis wir uns durch die gesamte Mitgliederliste durchgearbeitet haben. Jede Woche beten wir für die Mitglieder, die in meinem Notizbuch aufgeführt sind. Jede Woche fragen die Mitarbeiter nach Gebetsanliegen aus der Gemeinde. Jede Woche besprechen die Mitarbeiter, wo pastorale Dienste gefragt sind. Und jedes Jahr überprüfen die Ältesten die Mitglieder unserer Gemeinde, damit wir eine aktuelle Mitgliederliste haben.
Wenn du in einer lebensbeherrschenden Sünde gefangen bist, einen großen Kummer erlitten hast oder bei dir eine unheilbare Krankheit diagnostiziert wurde, kümmern wir uns um deine Seele. Wenn du dich nach Gemeinschaft, geistlichen Gesprächen, Gebetspartnern und Ermutigung sehnst, haben wir entsprechende Hilfsangebote. Wenn du etwas über Theologie, Weltanschauungen, Hermeneutik, Homiletik oder einfach über die Bibel lernen möchtest, haben wir auch dafür spezielle Dienste.
Doch was ist mit denjenigen, die zwar Mitglieder sind, aber nicht so bekannt sind oder unsere Hilfe nicht in Anspruch nehmen? Sind die Ältesten zufrieden, wenn eine Person nur zu 50% an den Gottesdiensten teilnimmt, und das war es dann auch schon? Können wir sagen, dass wir uns sorgfältig um sie gekümmert haben? Gehört nicht mehr dazu, ihr Leben zu betreuen als das? Und wenn ja, wie setzen wir das tatsächlich um?
Was wir planen zu tun
Mit diesen Fragen habe ich lange Zeit gerungen. Ich habe Richard Baxters bahnbrechendes Werk The Reformed Pastor gelesen und bin zu dem Schluss gekommen, dass seine Praxis, alle Familien einmal im Jahr zu besuchen, einer anderen Ära angehört. Baxter hatte keine öffentlichen Schulen, keine Musikschulen, keine Vereine, keine Hütten im Norden, keine Hochzeitsfeste und keine Geburtstagsfeiern, mit denen er sich arrangieren musste, oder? Er hatte lediglich eine einfache Stadt mit 800 Familien.
An der grundsätzlichen Notwendigkeit für Älteste, ihre Herde zu kennen, hat sich dennoch nichts geändert. Dies ist nach wie vor ein Grundprinzip des Hirtendienstes.
Unser neues Ziel? Ich möchte, dass jedes einzelne Mitglied unserer Gemeinde regelmäßige seelsorgerliche Betreuung durch die Ältesten erfährt. Deshalb habe ich folgende Schritte geplant:
1. Ich will mit den Ältesten über das Wesen der Gemeinde und ihre Verantwortung für jedes einzelne Mitglied sprechen.
Es ist immer eine Herausforderung, die Hauptsache die Hauptsache bleiben zu lassen. Ich weiß, dass ich gegen die Tendenz ankämpfen muss, eher aufgaben- als menschenorientiert zu handeln. Und wenn die Gemeinde wächst und wir das Budget einhalten, kann man schnell denken, dass die Dinge gut laufen. Macht es wirklich etwas aus, wenn einer oder zwei rausfallen? Aber Jesus gab sich nicht mit den 99 zufrieden, sondern ging dem Einen nach.
2. Ich will eine Vision erarbeiten, die die pastorale Sorge für jedes Mitglied beinhaltet.
Die Gemeindemitgliedschaft dient nicht in erster Linie dazu, Freiwillige zu rekrutieren, damit die Dienste besser laufen. Es ist eine Verpflichtung, einander zu helfen, in den Himmel zu kommen. Ich möchte nicht, dass sich die Gemeinde damit zufrieden gibt, dass die Kinderbetreuung gut ausgestattet ist und unsere Anlagen sauber sind, sondern dass sie auf das Ziel hinarbeitet, dass jedes Mitglied in Christus reif und mündig wird.
Viele unserer Mitglieder erleben Aspekte davon in ihren Kleingruppen, aber wir wollen, dass jedes Mitglied vollkommen in Christus wird, nicht nur die Mitglieder einer Kleingruppe.
3. Ich will einen Plan für die pastorale Begleitung erstellen und nicht nur auf Probleme reagieren.
Dabei müssen drei wichtige Überlegungen angestellt werden: (a) Wir müssen sicherstellen, dass wir über genaue Informationen verfügen. Es ist unmöglich, sich um eine Herde zu kümmern, wenn man nicht weiß, wo sie sich aufhält. (b) Jedes Mitglied muss einem bestimmten Ältesten zur Aufsicht und Betreuung zugewiesen werden. (c) Die Ältesten sollen dabei angeleitet werden, einen Betreuungsplan für jedes Mitglied zu entwickeln.
Die Ältesten können nicht davon ausgehen, dass jedes Mitglied auf eine persönliche Betreuung wartet oder diese wünscht. Jedem Mitglied muss Zeit gegeben werden, eine Beziehung zu seinem Ältesten aufzubauen, so dass die Gespräche im Laufe der Zeit tiefer werden können.
Dieser Plan beginnt damit, dass ein Ältester seine Mitglieder kontaktiert, um sie nach Gebetsanliegen zu fragen. Mit der Zeit würden die Ältesten versuchen, etwas über bestimmte Sorgen in der Familie, im Leben oder in der Gemeinde zu erfahren und sie auf Dienste aufmerksam zu machen, die ihnen helfen können. Hoffentlich können die Ältesten jedem Mitglied helfen, geistliche Ziele für das Jahr festzulegen, und dann mit der Person in Kontakt bleiben, um sie zu ermutigen, sie zu beraten und für sie zu beten.
Gute Fragen stellen
Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Ältesten wissen, wie sie gute Fragen stellen können, z.B.:
- Was trägt am meisten zu deinem geistlichen Wachstum bei?
- Wie möchtest du im kommenden Jahr als Glaubender wachsen? Gibt es geistliche Ziele, bei deren Verwirklichung ich dir helfen kann?
- Was sind deine größten Ängste? Kämpfe?
- In welchen Bereichen der Gemeinde engagierst du dich? Wie hat die Gemeinde deinen Glaubensweg beeinflusst? Was war hilfreich? Was war nachteilig?
- Gibt es jemanden, den du mit dem Evangelium zu erreichen versuchst? Wie sieht es mit deinem Bemühen aus, die Bibel zu lesen, zu beten und für die Gemeinde zu spenden? Wünschst du dir, in einem dieser Bereiche zu wachsen?
- Wie geht es deiner Familie? Welche Freuden oder Sorgen bereitet sie dir?
- Wie können die Ältesten für dich beten?
Ein Ältester wird nicht alles, was die Mitglieder ihm erzählen, an alle Ältesten herantragen. Aber Zusammenfassungen und dringende Einzelheiten werden weitergegeben, damit alle Ältesten besser beten und lehren können.
Ich habe gestern mit Stefan und Maria Kontakt aufgenommen. Ich wollte sie wissen lassen, dass sie mir am Herzen liegen, dass ich sie vermisse und dass ich ihre Sorgen ansprechen möchte. Ich weiß nicht, ob sie zurückkommen werden. Ich hoffe aber, dass sie es tun.
In der Zwischenzeit möchte ich, dass die Mitglieder wissen, dass sie sich mit ihren Anliegen an jemanden wenden können, der sie kennt, sie liebt, für sie betet und sie leitet.