Die Bibel ist keine Gebrauchsanweisung

Buchauszug von Jared Wilson
10. März 2022 — 7 Min Lesedauer

Grundlegende Anweisungen, bevor du die Erde verlässt

Hast du jemals gehört, dass die Bibel so erklärt wurde? An dieser praktischen Gedächtnisstütze ist sicher etwas Wahres dran. Aber trifft dies auch den Kern dessen, was die Bibel wirklich ist? Die Art und Weise, wie viele von uns die Heilige Schrift behandeln – als göttliches Ratgeberbuch – scheint nicht ganz richtig zu sein, wenn wir uns genau ansehen, was in der Bibel steht. Und ich fürchte, dass wir damit genau das Gegenteil von dem bewirken, was wir eigentlich wollten. Aber wenn die Bibel keine Gebrauchsanweisung für die praktische Anwendung ist, was ist sie dann? Wenn es nicht in erster Linie darum geht, was wir tun sollen, worum geht es dann? Wenn es nicht um uns geht, um wen geht es dann?

In der Bibel geht es um Jesus

Jesus? Na klar, wirst du jetzt denken, das versteht sich von selbst. Und ich stimme dir zu. Dass es um Jesus geht, war schon immer selbstverständlich. Aber wir müssen es immer wieder sagen, es ist nicht „selbstredend“. In der Bibel geht es um Jesus. Von vorne bis hinten, Seite für Seite, von 1. Mose 1,1 bis Offenbarung 22,21 geht es in der Heiligen Schrift in erster Linie und im Wesentlichen um die rettende Offenbarung des göttlichen Wortes Gottes.

Jesus selbst hat das so gesagt. In Lukas 24 gehen zwei Jünger Jesu auf dem Weg nach Emmaus und sprechen davon, was sie über die Auferstehung Christi gehört haben. Plötzlich taucht Jesus neben ihnen auf. Er fragt sie, worüber sie reden. Sie erkennen ihn zuerst nicht und erklären ihm, dass sie über Jesus sprechen und verwirrt darüber sind, dass er gekreuzigt wurde, obwohl sie die ganze Zeit dachten, er sei derjenige, der Israel erlösen soll. Und dass sie auch nicht wussten, was sie von dieser erstaunlichen Behauptung über seine Auferstehung halten sollten. Da tut Jesus etwas sehr Interessantes: „Und er begann bei Mose und bei allen Propheten und legte ihnen in allen Schriften aus, was sich auf ihn bezieht“ (Lukas 24,27).

„Alles, was die Bibel lehrt – sei es theologisch oder praktisch, historisch, poetisch, pragmatisch oder prophetisch –, soll uns näher zu Christus führen, damit wir ihn klarer sehen und herzlicher lieben. In der Bibel geht es um Jesus.“
 

In 2. Korinther 1,20 sagt Paulus, dass auf alle biblischen Verheißungen „in ihm das Ja ist“. Der Hebräerbrief ist ein wunderbares Beispiel für diese Wahrheit, denn er zeigt uns, wie alles, was zu Christus führte, Christus sozusagen aus dem Schatten heraus verkündete. Er erinnert uns sogar daran, dass es bei den mächtigen Taten der großen alttestamentlichen Helden nicht um sie selbst ging, sondern darum, „im Glauben“ an die Verheißung des kommenden Christus zu handeln.

Alles, was die Bibel lehrt – sei es theologisch oder praktisch, historisch, poetisch, pragmatisch oder prophetisch –, soll uns näher zu Christus führen, damit wir ihn klarer sehen und herzlicher lieben. In der Bibel geht es um Jesus.

Die Hauptbotschaft der Bibel lautet: Das Werk ist vollbracht

Als ich eines Abends auf dem Heimweg von meinem Hauskreis war, hörte ich im örtlichen christlichen Radiosender einen zehnminütigen Vortrag von einem Mann, der erzählte, was er am Vortag in der Kirche gelernt hatte. Es lief alles auf den Appell hinaus, Jesus zu unserem „Vorbild“ zu machen. Es klang sehr schön und inspirierend.

Es gibt in der Tat kein besseres Vorbild als Jesus, das bestreite ich nicht. Aber was bei diesem Mann von der Predigt seines Pastors hängen geblieben war, hatte leider nichts damit zu tun, worum es im Evangelium wirklich geht. Das hätte auch der Dalai Lama sagen können. Selbst der sich zum Buddhismus bekennende Schauspieler Richard Gere hält Jesus für ein großartiges Vorbild. Das tun auch viele Atheisten. Die meisten denkenden Menschen erkennen an, dass Jesus ein gutes Vorbild ist, und wünschen sich, die Christen würden mehr wie Jesus handeln (oder zumindest wie ihre Vorstellung von Jesus).

„Die Hauptbotschaft der Bibel, die uns zu Jesus Christus führt, lautet hingegen: Das Werk ist vollbracht, es ist alles getan.“
 

Dies zeigt den inhärenten Mangel der Botschaft „Jesus als Vorbild“: Die Aufforderung „Sei wie Jesus!“ ist für sich genommen keine gute Nachricht. Das Evangelium ist kein guter Rat, sondern eine gute Botschaft. Der Schwerpunkt in unseren Gemeinden muss auf Gottes vollendetem Werk durch Christus liegen. Um es klar zu sagen: Wir sollten die Menschen in unseren Gemeinden ermahnen, christusgemäßer zu leben. Aber wenn wir in unseren Predigten den Fokus darauf legen, Jesus ähnlicher zu werden, und nicht auf die gute Nachricht der Gnade angesichts unseres Unvermögens, wie Jesus zu sein, dann erreichen wir am Ende das Gegenteil von dem, was wir beabsichtigen. Wir propagieren ungewollt einen gesetzlichen Glauben, wenn wir uns mehr mit Werken und Verhalten als mit dem Wirken Christi in unserem Herzen beschäftigen. Die Hauptbotschaft der Bibel, die uns zu Jesus Christus führt, lautet hingegen: Das Werk ist vollbracht, es ist alles getan.

Die gute Nachricht der Bibel ist weitaus besser als ihre Anweisungen

Die Bibel ist unglaublich praktisch, wir müssen sie nicht erst dazu machen. Sie enthält viele praktische Anweisungen, und die sollen wir auch lehren. Aber das ist nicht das Wichtigste. Natürlich ist die Praxis immer Teil der Verkündigung. Wir dürfen aber das „tun“ niemals vom „getan“ des vollendeten Werkes Christi im Evangelium trennen, sonst laufen wir Gefahr, das Gesetz zu predigen.

In 2. Korinther 3,7–11 erinnert Paulus an die Übergabe der Gesetzestafeln an Mose auf dem Berg Sinai. Als Mose hinaufstieg, um mit Gott zu sprechen, war die Herrlichkeit des Allerhöchsten so intensiv, dass ihr Glanz noch auf seinem Gesicht blieb, als er herunterkam. Die strahlende Herrlichkeit war so stark, dass Mose sein Gesicht mit einem Tuch bedeckte, um die Kinder Israel vor ihr zu schützen. Aber so stark, intensiv und ehrfurchtgebietend diese Herrlichkeit auch war, laut Paulus wird sie durch das Wirken des Geistes, der Gerechtigkeit und des Evangeliums von Jesus noch in den Schatten gestellt.

Daran erkennen wir, dass die wesentliche Botschaft der Bibel das Evangelium ist. Daher sollten wir bei allem, was wir sagen und tun, egal ob innerhalb oder außerhalb der Gemeinde, genau dies in den Mittelpunkt stellen. Viele von uns werden die Realität anerkennen müssen, dass das Evangelium nicht nur für Ungläubige da ist. Es gilt auch für Christen.

Dieses Buch, das wie ein vertrauter Freund zu uns spricht, fordert Pastoren behutsam heraus, das Modell der „attraktiven“ Gemeinde zugunsten eines wirklich biblischen Ansatzes zu überdenken, der sich am Evangelium, an der Gnade und an der Frucht orientiert.

Vielleicht müssen wir erkennen, wie vielseitig und widerstandsfähig das Evangelium ist, und wie viel tiefer und kraftvoller als Gebote und Verbote diese Botschaft ist. Wir müssen wohl begreifen, dass das Evangelium mehr tut, als das Gesetz jemals tun könnte. Es geht weiter als das Gesetz. Wenn beim Verkünden der Gebote schon Gottes Herrlichkeit erstrahlte, so Paulus, „wie sollte dann nicht der Dienst des Geistes von weit größerer Herrlichkeit sein?“ (2Kor 3,8).

Die gute Nachricht des Evangeliums überragt alle Anweisungen! Sie ist so viel besser, weil sie uns tatsächlich rettet. Das Evangelium ist der Dienst der Gerechtigkeit, denn es verkündet nicht nur die Vergebung der Sünden, sondern die volle Anerkennung des perfekten Gehorsams Christi, der uns gutgeschrieben wird!

Die Kraft zum Heil

Wenn wir auf die Welt und unsere Gemeinden blicken, denken wir, wir wüssten, wie alles in Ordnung kommen kann. Wir sagen den Leuten einfach, sie sollen sich anstrengen. Deshalb all die Anweisungen.

Aber was wird die verlorene Welt wirklich retten? Unsere Klagen über sie jedenfalls nicht.

Was wird die Herzen der Menschen in deiner Gemeinde verändern? Kein Herumnörgeln.

Was kann Menschen zu einer echten Lebensveränderung motivieren, die mit wirklicher Herzensveränderung beginnt? Keiner der unzähligen hilfreichen Tipps.

Nach Aussage der Bibel ist allein das Evangelium Gottes Kraft zum Heil (Röm 1,16 ELB). Wir müssen aufhören so zu tun, als sei das Evangelium zwar dafür gut, dass sich ein Mensch bekehrt, es könne ihm aber nicht die nötige Kraft für alle praktischen Glaubensfragen schenken, die danach kommen.