Warum „Gen Z“-Christen Kirchengeschichte brauchen
Niemand ist vor dem Einfluss des Umfelds, in dem er lebt, aufwächst und lernt, gefeit – sei es zum Guten oder zum Schlechten. Die Generation Z (1997–2012) ist meine Generation. Unsere größte Errungenschaft ist gleichzeitig auch unsere größte Gefahr: das Internet. Wir haben nie ohne es gelebt. Der ständige technologische Fortschritt und der ungehinderte Zugang zu unbegrenzten Ressourcen mit ständig aktualisierten Informationen sind für meine Generation normal. Über aktuelle Nachrichten immer auf dem Laufenden zu sein, ist mühelos und fast unumgänglich. Wir könnten es kaum vermeiden, selbst wenn wir es versuchen würden.
Das Beste an den Nachrichten ist einfach, dass sie neu sind. Wir sind eine Generation, die von Modeerscheinungen und Trends besessen ist. Wir wollen über das reden, worüber alle anderen reden, und das tun, was alle anderen tun. Andernfalls könnten wir den Anschluss verlieren und das Gefühl haben, nichts beitragen zu können. Viele von uns wollen einerseits eine bessere Zukunft gestalten und andererseits nicht in Erinnerungen an die Vergangenheit schwelgen. Ersteres ist lobenswert. Letzteres hat verheerende Folgen.
Für meine Generation scheinen Dinge, die sich vor zwei Wochen ereignet haben, oft schon wieder bedeutungslos zu sein – ganz zu schweigen von den Ereignissen vor 2000 Jahren. Unser postmodernes Zeitalter trägt die Spuren des Empirismus, der die Geschichte für fast nutzlos erklärt, weil sie nicht durch Sinneserfahrung erlernt wird. Obwohl solche Philosophien noch nicht ganz auf die Vorzüge der Geschichte verzichten können, liegt die völlige Verwerfung der Geschichte in greifbarer Nähe.
„Kirchengeschichte ist wichtig, doch unsere Generation wird mehr als jede andere versucht sein, sie völlig zu vernachlässigen.“
Ich bin jedoch davon überzeugt, dass Gen-Z-Christen die Kirchengeschichte genauso sehr brauchen wie jede andere Generation – vielleicht sogar noch mehr. Kirchengeschichte ist wichtig, doch unsere Generation wird mehr als jede andere versucht sein, sie völlig zu vernachlässigen.
Hier sind vier Gründe, warum wir sie brauchen.
1. Das Christentum ist eine Religion der Historiker
Wir alle rekonstruieren die Vergangenheit durch Erinnerungen und Geschichten. Wir alle versuchen also, Historiker zu sein – ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Besonders Christen müssen sich auf eine solche Disziplin einstellen. Schließlich basiert so vieles von dem, was wir glauben, auf historischen Behauptungen. Ein kurzer Blick auf eines der historischen christlichen Glaubensbekenntnisse, wie z.B. das Apostolische Glaubensbekenntnis, beweist dies in überwältigender Weise:
- „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde“ –historische Behauptung.
- „Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist“ – historische Behauptung.
- „geboren von der Jungfrau Maria“ – historische Behauptung.
- „gelitten unter Pontius Pilatus“ – historische Behauptung.
- „gekreuzigt, gestorben und begraben“ – historische Behauptung.
- „hinabgestiegen in das Reich des Todes“ – historische Behauptung.
- „und am dritten Tage auferstanden von den Toten“ – historische Behauptung.
- „aufgefahren in den Himmel“ – historische Behauptung.
Das ist ein historisches Glaubensbekenntnis, nicht nur weil es aus der Vergangenheit stammt, sondern auch weil es unseren Glauben auf tatsächliche historische Ereignisse gründet. Es behauptet, dass etwas in der Vergangenheit geschehen ist. Das Christentum ist historisch, und diejenigen, die an seinen Behauptungen festhalten, sind notwendigerweise Historiker. Wie Robert Tracy McKenzie schreibt:
„Gott hat uns als historische Wesen geschaffen, uns einen historischen Glauben eingepflanzt und uns an die Vergangenheit gebunden, indem er uns in eine historische Kirche eingefügt hat.“
2. Die Kirchengeschichte ist unsere Geschichte
Wenn sich jemand bekehrt, wird er in die Familie Gottes aufgenommen (Eph 1,4–5). Die Rede von „Brüdern und Schwestern“ ist im gesamten Neuen Testament allgegenwärtig. Diese Adoption in Gottes Familie gilt nicht nur für die jetzt Lebenden, sondern auch für diejenigen, die vor uns lebten.
Maria Magdalena, der Apostel Paulus, Augustinus von Hippo, seine Mutter Monica, Anselm von Canterbury, Thomas von Aquin und Johannes Calvin sind unsere Brüder und Schwestern. Wenn wir über die Geschichte der Kirche lesen, erfahren wir etwas über unsere Abstammung und darüber, wie der historische christliche Glaube in unsere heutige Zeit gekommen ist. Das Christentum ist nicht in einem Vakuum entstanden. Wir haben Wurzeln. Wir haben ein Erbe. Wir haben eine Geschichte.
3. Wir können aus den Fehlern der Vergangenheit lernen
Jeder, der sich auch nur ein wenig in die christliche Gemeinschaft hineinwagt, wird bald feststellen, dass sich die Christen über eine Fülle von sekundären und tertiären Lehren uneinig sind. Dennoch gibt es unverzichtbare Lehren, auf die sich die Kirche allgemein verständigt – zum Beispiel die Dinge, die in den Glaubensbekenntnissen zusammengefasst sind. Die meisten Glaubensbekenntnisse wurden ausdrücklich formuliert, um falsche Lehren zu verurteilen und die Ansichten der Kirche klarzustellen. Wenn wir es vernachlässigen, von diesen Irrtümern und insbesondere den extremsten Versionen (Häresien) zu lernen, dann bringen wir uns selbst in Gefahr.
„Es ist nicht schwer, an Irrlehren zu glauben. Viele Christen tun dies, ohne es zu wissen.“
Es ist nicht schwer, an Irrlehren zu glauben. Viele Christen tun dies, ohne es zu wissen. Gerade deshalb ist es wichtig, etwas über Gnostizismus, Arianismus, Pelagianismus und die zahlreichen anderen Lehren zu erfahren, die die Kirche im Laufe der Jahrhunderte geplagt haben. Es ist auch notwendig, zu erfahren, wie die Kirche und ihre Leiter auf diese Irrlehren reagierten. Wenn wir in dieser Hinsicht nachlässig sind, denken und sprechen wir vielleicht in der Folge falsch über Gott – und beten am Ende einen ganz anderen Gott an.
4. Die Kirchengeschichte beweist, dass die Kirche nicht sterben kann
Die Kirche setzt sich immer durch. Durch Verfolgung und den Aufstieg des Islam, durch das finstere Mittelalter und den Aufstieg des Säkularismus, durch die zahlreichen Katastrophen, die wir uns selbst eingebrockt haben, durch jeden Sturm und jede tobende See, die die Kirche potenziell bedrohen, erweist sie sich als unvergänglich und drängt entschlossen in das nächste Zeitalter. Wenn es scheint, dass das Schiff endgültig gesunken ist, wird es zu einem U-Boot; wenn es in die Luft katapultiert wird, wachsen ihm Adlersflügel. Warum ist das so?
Es liegt nicht daran, dass die Kirche ein beispielloses Syndikat intellektueller Köpfe ist. Immerhin hat Gott das Törichte in der Welt erwählt, um die Weisen zu beschämen (1Kor 1,27). Es liegt auch nicht daran, dass die Kirche schon immer Macht- und Einflusspositionen innehatte. Schließlich gab es brutale Verfolgung in der frühen Kirche und auch heute. Es liegt sicher nicht an unserer unerschütterlichen Treue zu Gott. Denn jede Generation der Kirche war mit Sündern wie uns gefüllt.
Einfach ausgedrückt: Die christliche Kirche kann nicht sterben, weil Jesus Christus bereits gestorben ist. Ein Blick auf die Geschichte der Kirche bezeugt die Verheißung Jesu, dass selbst die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwältigen werden (Mt 16,18).
Abschließendes Plädoyer
Man könnte meinen, die Christen der Generation Z würden aufgrund der Altertümlichkeit des Christentums eine trockene und unpraktische Botschaft in das 21. Jahrhundert tragen, aber das Gegenteil ist der Fall. Stattdessen zeigt sich die Wahrheit des Christentums in seiner anhaltenden Frische durch die Jahrhunderte hindurch, weil das Evangelium jede erdenkliche Hürde überwindet und sich für jedes Umfeld und jede Zeitperiode eignet.
Die Geschichte der Kirche hat nicht mit uns begonnen und sie wird auch nicht mit uns enden. Wenn wir jedoch eine bessere Zukunft gestalten wollen, müssen wir lernen, in der Vergangenheit zu forschen.