Voraussetzungen für Gemeindezucht
Vier Elemente, die wichtige Grundvoraussetzungen zum Thema Gemeindezucht darstellen:
1. Die Erwartung einer Veränderung.
Im Neuen Bund ist uns verheißen, dass Menschen, die zu Christus gehören, durch die Kraft des Heiligen Geistes ein verändertes Leben führen werden. Selbst wenn sich diese Veränderung sehr langsam vollzieht, sollte eine Gemeinde doch irgendeine Veränderung erwarten – die sichtbare Frucht von Gottes Gnade und Geist. Gemeindezucht ist die richtige Reaktion auf einen Mangel an sichtbarer Frucht oder gar auf das Vorhandensein schlechter Frucht.
2. Repräsentatives Handeln.
Christen sollen gewissermaßen kleine Christusse sein, die Jesus auf der Erde repräsentieren. Das Konzept der Repräsentation basiert auf dem Gedanken, dass Jesus Erlöser und Herr ist, und auf der Tatsache, dass Christen einen neuen Status und eine neue Aufgabe haben. Gemeindezucht ist die richtige Reaktion, wenn Christen darin versagen, Jesus zu repräsentieren, und auch keinen Wunsch danach erkennen lassen.
3. Die Autorität der Ortsgemeinde.
Jesus hat der Ortsgemeinde die Autorität verliehen, die Bürger seines Reiches offiziell zu bestätigen und zu beaufsichtigen. Eine Gemeinde macht niemanden zu einem Christen; das kann nur der Heilige Geist tun. Doch Gemeinden besitzen die Autorität und Verantwortung, öffentlich vor der Welt zu bekunden, wer Christ ist und wer nicht.
„Gemeinden besitzen die Autorität und Verantwortung, öffentlich vor der Welt zu bekunden, wer Christ ist und wer nicht.“
Ein Gemeindeausschluss bedeutet also nicht die physische, womöglich gewaltsame Entfernung einer Person aus der öffentlichen Versammlung einer Gemeinde, gleichsam als ob die Gemeinde die staatliche Macht hätte, Menschen physisch von einem Ort zu entfernen. Er besteht vielmehr aus der öffentlichen Stellungnahme, dass die Gemeinde nicht länger für das himmlische Bürgerrecht einer Person garantieren kann. Ein Gemeindeausschluss ist die Erklärung einer Gemeinde, dass sie nicht länger bestätigen kann, dass eine bestimmte Person Christ ist.
4. Mitgliedschaft als Unterordnung.
Als ein Akt des Gehorsams gegenüber Christus sind Christen dazu berufen, sich der Bestätigung und Aufsicht einer Ortsgemeinde unterzuordnen. Bei drohender Gemeindezucht kann ein Gemeindeglied somit nicht durch eigenen Austritt dem Handeln der Gemeinde zuvorkommen. Das wäre, wie wenn eine Person ihre Staatsangehörigkeit aufgeben würde, bevor sie für ein Verbrechen, dessen sie angeklagt ist, vor Gericht gestellt werden könnte.
Durch dieses theologische Raster gewinnen wir ein umfassenderes Verständnis von Gemeindezucht. Es geht nicht einfach nur darum, Sünde zu korrigieren oder gelbe Karten für Fehlverhalten zu verteilen, sondern darum, Sünde zu korrigieren, damit die Gemeindemitglieder tatsächlich Jesus auf die rechte Weise repräsentieren. Sie sollen dazu aufgerufen werden, das zu sein, was sie zu sein behaupten.
„Bei Gemeindezucht geht es um nichts anderes als um den Ruf Jesu auf der Erde.“
Deshalb dreht sich in der Gemeindezucht alles um die Frage, wer auf der Erde berechtigt oder autorisiert ist, den Himmel zu repräsentieren. Wer sich selbst Christ nennt, bekennt damit, dieses Recht zu haben. Wer Gemeindemitglied ist, hat die offizielle Bestätigung dafür. Die Ortsgemeinde, an die Jesus die Schlüsselgewalt dafür verliehen hat, garantiert für die Glaubwürdigkeit eines Bekenntnisses zu Christus durch Taufe und Abendmahl. Gemeindezucht kommt dann ins Spiel, wenn diese Glaubwürdigkeit in Frage gestellt wird. Dahinter steht eine einzige Frage: Glaubt die Gemeinde nach wie vor, dass ein strauchelndes Mitglied wirklich noch Christ ist, und zwar in der Weise, dass sie dies weiterhin öffentlich bejahen möchte?
Kurz gesagt: Bei Gemeindezucht geht es um nichts anderes als um den Ruf Jesu auf der Erde. Die Messlatte hängt in der Tat hoch.
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Dies ist ein Auszug aus dem Buch Gemeindezucht. Wie die Gemeinde den Namen Jesu ehrt und bewahrt von Jonathan Leeman (S. 41–42). Weitere Infos und eine Bestellmöglichkeit gibt es hier.