The Path to Being a Pastor

Rezension von Phil Newton
13. Januar 2022 — 8 Min Lesedauer

„Gott hat mich zum Dienst berufen“

In den frühen 1970er Jahren passierte in meiner kleinen Heimatstadt ein seltsames Phänomen. Als die Jesusbewegung sich immer mehr ausbreitete, erklärte ein Dutzend junger Männer, sie hätten eine geistliche Berufung erhalten. Am häufigsten geschah dies in Gottesdiensten, die von Gleichaltrigen geleitet wurden, oft mit mystisch klingenden Aussagen wie „Gott hat mir gesagt, ich soll predigen“ oder „Gott hat mich in den Dienst berufen.“ Nach knapp einem Jahr war das Dutzend auf sechs Männer zusammengeschrumpft. Ein paar Jahre später waren es nur noch vier, die den Dienst fortsetzten. Einige von ihnen, die angegeben hatten, eine göttliche Berufung erhalten zu haben, gingen nicht mehr in die Gemeinde und hatten das Christsein aufgegeben. Was war auf ihrem Weg zum Dienst falsch gelaufen? Könnte es an ihrem Verständnis von Berufung gelegen haben?

Wenn man über eine Berufung zum Dienst nachdenkt, kommen einem meist die Berufungen von Mose, Jesaja, Jeremia und Paulus in den Sinn. Aber wer hat schon einen brennenden Dornbusch, eine himmlische Vision oder ein blendendes Licht erlebt, das dem Dienst vorausging? Und wer würde denken, dass unsere Berufung zum Dienst mit diesen biblischen Gestalten vergleichbar ist?

„Wenn man über eine Berufung zum Dienst nachdenkt, kommen einem meist die Berufungen von Mose, Jesaja, Jeremia und Paulus in den Sinn. Aber wer hat schon einen brennenden Dornbusch, eine himmlische Vision oder ein blendendes Licht erlebt, das dem Dienst vorausging?“
 

Der Eintritt in den pastoralen Dienst muss mehr sein als eine Karriereentscheidung anhand einer Liste möglicher Stellen. Bobby Jamieson, stellvertretender Pastor der Capitol Hill Baptist Church in Washington, D.C. ist der Meinung, dass der Begriff „Berufung zum Dienst“ das Gespräch über den Dienst „in eine falsche Richtung“ lenken und zu falschen Annahmen über Qualifikationen und Begabungen für den Dienst führen kann.

In Anlehnung an Paulus in 1. Timotheus 3,1 spricht er lieber davon, einen pastoralen Dienst „anzustreben“, was einer biblischeren Sichtweise entspricht (S. 20–21). Jamieson schreibt: „,Berufung‘ schreibt Gott etwas zu, dessen man sich nicht sicher sein kann, bis es geschieht. ‚Berufung‘ impliziert, dass man weiß, dass Gott etwas getan hat, bevor er es getan hat“ (S. 25).

In seinem Buch The Path to Being a Pastor: A Guide for the Aspiring nimmt Jamieson angehende Pastoren und Älteste mit auf eine Reise, die sie auf ihren Dienst vorbereiten soll. In kurzen, offen biografischen Kapiteln beschreibt er die Suche, den Weg und die Annäherung an das Ziel des pastoralen Dienstes.

Willst du Pastor werden?

Auch wenn die Heilige Schrift nur wenige Beispiele für ungewöhnliche Berufungen zum Dienst nennt, so fallen doch zahlreiche Beispiele von Kandidaten auf, die einen von den örtlichen Gemeinden anerkannten Dienst anstrebten: beispielsweise Timotheus, Archippus, Titus, Gaius, Sopater, Trophimus und andere. Sie berichten weder von einem brennenden Dornbusch, einem blendenden Licht oder einer himmlischen Stimme. Stattdessen sehen wir Männer, die Christus dienen wollen, ein geistliches Amt anstreben und von den Gemeinden im syrischen Antiochia, in Lystra, Derbe, Beröa und Ephesus bestätigt werden. Von ihren Ortsgemeinden ermutigt, kamen sie schließlich unter die Mentorschaft von Paulus. Danach vertraten sie ihre Gemeinden (vgl. Apg 20,4–5) und übernahmen vielfältige Dienste. Wie bereiteten ihre Gemeinden und Paulus diese Männer auf den Dienst in anderen Gemeinden vor? Jamieson untersucht aus dem Blickwinkel des 21. Jahrhunderts, wie die Kirchen des ersten Jahrhunderts angehende Pastoren und Älteste geformt haben könnten.

Reicht eine bloße Berufung?

Gemeinden könnten davon ausgehen, dass ein junger Mann, der sich zum Dienst berufen fühlt, deshalb auch für den öffentlichen Dienst bereit ist. Als ich anfing, das Pastorenamt anzustreben, fand ich nicht viele Gemeinden, die ihre Verantwortung ernst nahmen, angehende Pastoren auszubilden, anstatt ihnen sofort Führungsaufgaben zu übertragen. Doch dieses häufige Versäumnis gefährdet den Pastorenanwärter, die entsendende Gemeinde und die künftigen Gemeinden. Wie einer meiner College-Professoren oft sagte: „Manche Männer sind zum Pflügen berufen, nicht zum Predigen“.

„Eine gesunde Ortsgemeinde sollte den Charakter, die Gaben und die Leidenschaft eingehend prüfen. Diese schwere Aufgabe einem Seminar zu überlassen, wird nicht funktionieren.“
 

Eine gesunde Ortsgemeinde sollte den Charakter, die Gaben und die Leidenschaft eines Bewerbers für den pastoralen Dienst eingehend prüfen. Diese schwere Aufgabe einem Seminar zu überlassen, wird nicht funktionieren. Die Gemeinde steht in der Lücke zwischen einem Anwärter und dem Pastorenamt, indem sie Demut, Treue, Schrifttreue, die Fähigkeit zu lehren und zu predigen, sein Hirtenherz, Lernbereitschaft und den Wunsch, sich lange und hart für die Herde einzusetzen, beobachtet und bestätigt.

Ist das Idealismus? Ich nenne es lieber Motivation. Jamieson hat Recht, wenn er schreibt: „Der beste Weg, die Kunst der Seelsorge zu erlernen, ist die genaue Beobachtung einer gesunden Gemeinde. Lerne von treuen Pastoren und gesunden Gemeinden, wie man Seelsorge praktiziert“ (S. 58). Er ist der Meinung, dass Kirchenmitglieder und Pastoren sich um die Gesundheit der Gemeinde kümmern müssen, da dies die Grundlage für die Verkündigung des Evangeliums in ihren Gemeinden und für die Heranbildung der nächsten Pastorengeneration ist.

Wie soll ich mich vorbereiten?

„Ich bin zum Dienst berufen, also ist der nächste Schritt die theologische Ausbildung.“ Falsch! Das Studium mag noch kommen, aber „diese Großteil der Vorbereitung für den Dienst als Pastor findet außerhalb des akademischen Studiums statt“ (S. 137). Jamieson rät klugerweise: „Selbst während des Studiums sollte deine Ortsgemeinde den zentralen Rahmen und das wichtigste Mittel für deine pastorale Ausbildung darstellen“ (S. 143). Im längsten und hilfreichsten Teil seines Buches beschreibt Jamieson in 19 prägnanten Kapiteln den „Weg“ ins Pastorenamt. Wenn man z.B. einen Dienst anstrebt, sollte man als Nachfolger Jesu Christi „mit gutem Beispiel vorangehen“. Den Rest deines Lebens wird man dich beobachten, deshalb fang an, anderen ein Vorbild zu geben, das sie nachahmen können (S. 61–65). Zum pastoralen Dienst gehört es, andere zu führen. Anstatt auf einen Titel zu warten, solltest du besser „etwas leiten“. Starte eine Studentenarbeit, baue einen Dienst im Altersheim auf oder gründe einen Lesekreis. Folgen die Menschen deinem Beispiel? Wenn nicht, dann ist der pastorale Dienst vielleicht doch nicht das geeignete Ziel für dich (S. 75–76).

Um einen gesunden Pastorendienst leisten zu können, müssen die Männer von Gottes Wort getränkt sein. Jamieson ermahnt: „Beherrsche die Heilige Schrift und lass dich von ihr beherrschen“ (S. 77). Wie Jamieson und ich im Pastorat gelernt haben, „wird fast jeder Tag, an dem du als Pastor dienst, deine Fähigkeit zur Auslegung und Anwendung der Schrift auf die Probe stellen“ (S. 78). Warte nicht auf das formale Studium. Übe dich regelmäßig darin, Gottes Wort zu lesen, darüber zu meditieren, es auszulegen und im täglichen Leben anzuwenden.

Während du dich in die Heilige Schrift vertiefst, „nimm jede Gelegenheit zum Lehren wahr, die du bekommen kannst“ (S. 83). Als ich anfing, den Pastorenberuf anzustreben, habe ich niemals Angebote abgelehnt, zu lehren oder zu predigen. Wir lernen am besten zu lehren und zu predigen, indem wir lehren und predigen. Jamieson fordert angehende Pastoren auf, „das Handwerk des Predigens von der Pike auf zu lernen“ (S. 91). Zum Lernen gehört es, das Predigen unter einem guten Prediger zu studieren, zu lernen, wie man Exegese und Homiletik unterscheidet, biblische Darlegungen auszuarbeiten, sich ein gelehriges Herz zu bewahren, wenn man herausgefordert oder korrigiert wird, sich über Rückmeldungen zu schriftlichen und mündlichen Predigten zu freuen und den rechten Gebrauch der Worte als Werkzeuge für wirksames Predigen zu lernen (S. 91–97).

Der angehende Pastor sollte für sein Leben gern lesen, sich dem Gebet widmen, Pornografie meiden, weise heiraten, sein Leben für seine Frau hingeben, seinen Kindern ein seelsorgerlicher Vater sein, Gottes Pläne für die Gemeinde studieren und außerhalb des Rampenlichts dienen (S. 99–135).

Jamieson schließt mit dem wichtigsten Ratschlag: Liebe und ehre Christus. Er schreibt: „Die Freuden des Pastorenberufs können so groß sein, dass man versucht ist, sie zu sehr zu wollen“. Wie kann man sich vor dieser Versuchung schützen? „Halte Christus in Ehren. So gut der pastorale Dienst auch sein mag, Jesus ist unendlich viel besser“ (S. 175).

50 Jahre später

Nach fünfzig Jahren im Pastorenamt empfehle ich gerne das Buch The Path to Being a Pastor und möchte es auch an angehende Pastoren verteilen.

Es ist zwar schon viel über den pastoralen Dienst geschrieben worden, aber Bobby Jamieson bringt es fertig, unzählige weise Ratschläge auf 176 Seiten unterzubringen. Jedes dieser lebendig geschriebenen Kapitel lädt zum Nachdenken und zur Diskussion mit angehenden Pastoren und Ältesten ein.

Buch

Bobby Jamieson, The Path to Being a Pastor: A Guide for the Aspiring, Crossway, 2021, 192 Seiten, ca. 16,30 Euro.