Ermordet im Schatten des Allmächtigen

Artikel von John Piper
8. Januar 2022 — 5 Min Lesedauer
„Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt, der bleibt unter dem Schatten des Allmächtigen. Ich sage zu dem HERRN: Meine Zuflucht und meine Burg, mein Gott, auf den ich traue!“ (Ps 91,1–2)

Am 8. Januar 1956 wurden Jim Elliot, Nate Saint, Ed McCully, Peter Flemming und Roger Youderian auf einer Sandbank namens „Palm Beach“ am ecuadorianischen Curaray-Fluss mit Speeren getötet. Sie hatten versucht, zum ersten Mal in der Geschichte die Huaorani-Indianer mit dem Evangelium von Jesus Christus zu erreichen. Elisabeth Elliot hielt diese Geschichte in ihrem Buch Im Schatten des Allmächtigen fest. Der Titel basiert auf Psalm 91,1: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt, der bleibt unter dem Schatten des Allmächtigen.“

Kein Missgeschick

Hier wurde Jim Elliot ermordet: im Schatten des Allmächtigen. Als Elisabeth zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes diesen Titel wählte, hatte sie die herzzerreißenden Geschehnisse keineswegs vergessen. Die beiden waren erst drei Jahre verheiratet gewesen, als er umgebracht wurde, und hatten eine zehn Monate alte Tochter.

Der Titel war kein Versehen – ebenso wenig, wie der Tod der fünf Missionare ein Versehen war. Aber die Welt sah das anders. Auf der ganzen Welt wurde der Tod dieser jungen Männer als tragischer Albtraum bezeichnet. Elisabeth jedoch glaubte, dass die Welt etwas übersah. Sie schrieb: „Die Welt erkannte nicht die Wahrheit der zweiten Hälfte von Jim Elliots Glaubenssatz: ‚Der ist kein Tor, der hingibt, was er nicht behalten kann, auf dass er gewinne, was er nicht verlieren kann.‘“[1]

Sie nannte ihr Buch Im Schatten des Allmächtigen, weil sie zutiefst davon überzeugt war, dass die Zuflucht von Gottes Volk keine Zuflucht vor Leiden und Tod ist, sondern eine Zuflucht vor der letzten und endgültigen Niederlage. „Denn wer sein Leben retten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es retten“ (Lk 9,24) – denn der Herr ist Gott, der Allmächtige.

Gott gebrauchte seine Allmacht nicht, um Jesus am Kreuz zu befreien. Er wird sie auch nicht gebrauchen, um dich und mich aus der Bedrängnis zu befreien. „Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen“ (Joh 15,20). Wenn wir den Glauben und die Unbeirrbarkeit und den Mut dieser fünf Missionare besäßen, würden wir möglicherweise mit Paulus sagen:

„‚Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wie Schlachtschafe sind wir geachtet!‘ Aber in dem allem überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendein anderes Geschöpf uns zu scheiden vermag von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ (Röm 8,36–39)

Sicher in seiner Stärke

Hast du jemals wirklich erfasst, was die Aussage „Mein Gott, der mich liebt und sich selbst für mich gegeben hat, ist allmächtig“ bedeutet? Sie besagt: Wenn du deinen Platz „im Schatten des Allmächtigen“ eingenommen hast, wirst du von Allmacht beschützt. In der Allmacht Gottes liegt unbegrenzte und unendliche Sicherheit – unabhängig davon, was in diesem Leben geschehen mag.

„In der Allmacht Gottes liegt unbegrenzte und unendliche Sicherheit – unabhängig davon, was in diesem Leben geschehen mag.“
 

Die Allmacht Gottes bedeutet, eine ewige, unerschütterliche Zuflucht in der immerwährenden Herrlichkeit Gottes zu haben, ganz egal, was auf dieser Erde passiert. Und diese Zuversicht ist die Kraft, durch die man dem Ruf Gottes radikal gehorsam sein kann – selbst dem Ruf, zu sterben.

Gibt es eine befreiendere, ergreifendere oder stärkendere Wahrheit als die, dass Gott, der Allmächtige, deine Zuflucht ist? Dass sie den ganzen Tag über, jeden Tag, in all den gewöhnlichen und außergewöhnlichen Ereignissen des Lebens besteht? Nichts anderes als das, was er zu deinem Besten anordnet, wird dir widerfahren.

Gott griff ein

Die Nachforschungen zu den Umständen rund um das Martyrium der fünf Missionare offenbarten die Hand Gottes auf unerwartete Weise. Für die Septemberausgabe 1996 von Christianity Today schrieb Steve Saint, der Sohn des ermordeten Nate Saint, einen Artikel über neue Erkenntnisse bezüglich der Stammesintrigen, die hinter den Morden standen. Dabei schrieb er einen der erstaunlichsten Sätze über die Souveränität des Allmächtigen:

„Als [die Mörder] ihre Erinnerungen berichteten, wurde mir klar, wie absolut unwahrscheinlich es gewesen war, dass der Mord am Palm Beach überhaupt geschah. Es ist derart absonderlich, dass ich es nicht anders erklären kann als durch göttliches Eingreifen.“ (kursive Hervorhebung hinzugefügt)

Mit anderen Worten: Es gibt nur eine einzige Erklärung, weshalb diese fünf jungen Männer starben und ein Vermächtnis hinterließen, das Tausende inspirierte. Gott griff ein. Das ist die Art von Souveränität, die wir meinen, wenn wir sagen: „Nichts anderes als das, was er zu deinem Besten anordnet, wird dir widerfahren.“

Das bedeutet auch, dass niemand – wirklich niemand – Gottes Absichten durchkreuzen kann. Er wird seine missionarischen Pläne für die Völker verwirklichen. In den dunkelsten Augenblicken unseres Schmerzes verbirgt Gott seine Waffen hinter feindlichen Linien. Alles, was im Lauf der Geschichte geschieht, wird dem Ziel dienen, das in Psalm 86,9 beschrieben wird:

„Alle Völker, die du gemacht hast, werden kommen und vor dir anbeten, o Herr, und deinem Namen Ehre geben.“

Wenn wir das glauben würden, wenn wir uns wirklich von dieser Wahrheit der Allmacht Gottes ergreifen ließen – dass wir im Schatten des Allmächtigen vollkommen sicher leben – welch einen Unterschied würde das in unserem persönlichen Leben, in unseren Familien und Gemeinden machen! Wie demütig und kraftvoll würden wir im Hinblick auf die Rettungsabsichten Gottes!


[1]  Vgl. Elisabeth Elliot, Im Schatten des Allmächtigen: Das Tagebuch Jim Elliots, Bielefeld: CLV, 19993, S. 14.