Bereit für eine neue Dimension? Gemeinsam Bibel lesen

Artikel von Matt Smethurst
31. Dezember 2021 — 6 Min Lesedauer

Ich folgte Jesus schon seit vielen Jahren nach, ich liebte die Bibel, ich beteuerte, wie wichtig Gemeinschaft ist – und dennoch betrachtete ich mein Christsein im Grunde als Einzelsport. Sicherlich, ich hatte nie bewusst gedacht: Ich liebe Jesus, aber nicht die Gemeinde. Es war subtiler, eher: Ich liebe Jesus, aber die Gemeinde brauche ich nicht wirklich. Hätte man mein Christenleben mit einer Mahlzeit verglichen, dann wäre die Gemeinde eine Beilage gewesen – eine nette Ergänzung, aber völlig optional.

„Gott sei Dank ist Christsein kein Einzelsport. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt.“
 

Ich wünschte, mich hätte damals jemand behutsam zur Bibel geführt (die mir ja wichtig war) und mir die atemberaubende Vision gezeigt, die sie für das christliche Leben entwirft – und wie verkümmert die meinige im Vergleich dazu war. (Ich gehe davon aus, dass es tatsächlich Menschen gab, die das taten, aber ich war einfach zu blind oder nicht bereit, es zu sehen.)

Gott sei Dank ist Christsein kein Einzelsport. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt, es ist Teamarbeit.

Weisheit ist kollektiv

Keiner von uns schlägt Gottes Wort im luftleeren Raum auf. Wir sind komplexe Individuen, die an die Schrift mit einem Koffer voller Erfahrungen und Intuitionen, Überzeugungen und Vorurteilen herantreten. So etwas wie „neutrales“ Lesen gibt es bei keinem Buch – und erst recht nicht bei dem Buch, das den Anspruch erhebt, allumfassende Aussagen über unser Leben zu machen.

„Deshalb ist es unerlässlich, dass wir gemeinsam mit anderen an die Schrift herantreten, im Kontext einer vielfältigen Gemeinschaft.“
 

Dazu kommt, dass wir alle unterschiedlich gestrickt sind. Manche neigen dazu, die Bibel eher mit intellektuellem Interesse zu lesen, andere wiederum lesen sie mehr zur persönlichen Erbauung (diese Blickwinkel schließen sich allerdings nicht gegenseitig aus, sondern sollten zusammengehören). In der Welt des Sports hört man manchmal, dass eine bestimmte Athletin als „Allround-Sportlerin“ bezeichnet wird. Sie kann einfach alles, sagt man über sie. Aber wenn es darum geht, die Schrift zu verstehen und umzusetzen, dann trifft diese Beschreibung auf niemanden zu. Deshalb ist es unerlässlich, dass wir gemeinsam mit anderen an die Schrift herantreten, im Kontext einer vielfältigen Gemeinschaft. Andernfalls werden uns unsere Erfahrungen einschränken, unsere Vorlieben werden uns bestimmen und unsere Vorurteile uns den Blick versperren.

Es passiert so leicht, dass man Gottes Wort die eigenen Lieblingsgedanken überstülpt, ohne es zu merken. Zum Beispiel lese ich einen Text vielleicht nur im Licht einer bestimmten, persönlichen Situation, die ich erlebt habe, oder ich bin darauf fokussiert, darin gewisse, vorgefasste Ansichten bestätigt zu finden. Wir benötigen dringend andere Christen – idealerweise solche, die anders sind als wir selbst –, die in unserem Leben sowohl Grenzen setzen als auch Grenzen beseitigen, die uns davon abhalten, auf falsche Weise zu lesen, und uns zugleich dazu befreien, weise zu lesen.

Vom Wort erfüllte Freundschaften

Die ersten Christen zögerten nicht lange, ehe sie sich um Gottes Wort versammelten. Lukas fasst den Rhythmus ihres Lebens so zusammen: „Und sie blieben beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und in den Gebeten“ (Apg 2,42). In unserer heutigen, hochgradig individualistischen Gesellschaft geschieht es so schnell, dass man ohne tiefgehende Gemeinschaft versucht, in der Lehre der Apostel – also der Schrift – zu bleiben. Natürlich ist es sehr wichtig, auch regelmäßig alleine deine Bibel zu lesen. Aber die Urgemeinde hat uns ein Beispiel gegeben, das für uns von zentraler Bedeutung ist: Gemeinschaft mit anderen, die in Gottes Wort und im Gebet verankert ist. Tatsächlich geht es genau darum, wenn Paulus an die Kolosser schreibt:

„Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.“ (Kol 3,16; LU)

Diese Aufforderung setzt voraus, dass die Glieder der Gemeinde in Kolossä keine Ansammlung von geistlichen Silos sind. Sie leben in Gemeinschaft, als ein Leib.

Wusstest du, dass selbst Petrus – der Fels der Gemeinde und Apostel des auferstandenen Christus – seine Bibel gründlich missverstand und jemanden brauchte, der ihn korrigierte (vgl. Gal 2,11–21)? Wenn ein Petrus nicht dagegen gefeit war, Gottes Wort falsch zu verstehen, dann sind wir es genauso wenig.

Oder denke an Apollos, laut Lukas „ein beredter Mann, der mächtig war in den Schriften“ (Apg 18,24). Er kannte seine Bibel und lehrte sie gut. Doch selbst er benötigte zwei andere, nämlich Priscilla und Aquilla. Sie nahmen ihn zur Seite und „legten ihm den Weg Gottes noch genauer aus“ (Apg 18,26). Wiederum: Wenn ein Apollos nicht dagegen gefeit war, Gottes Wort misszuverstehen, dann sind wir es genauso wenig.

Ein Pastor ist ein Geschenk

Gottesfürchtige Geschwister in deinem Leben zu haben, ist ein wichtiger Faktor für das Wachstum als Christ. Aber du solltest keinesfalls übersehen, wie sehr du zudem gottesfürchtige Hirten benötigst. Geistliche Leiter sind Gottes Geschenke für dein geistliches Wohl (Eph 4,11–14). Zu Gottes Plan für die Gemeinde gehören Pastoren und Älteste, die (u.a.) dir helfen sollen, Gottes Wort besser zu verstehen und umzusetzen. Wenn du Teil einer Gemeinde bist, in der das nicht geschieht, dann such dir eine neue. Thabiti Anyabwile bringt das treffend auf den Punkt: „Wenn du deine Bibel in der Gemeinde nicht brauchst, dann sagt die Bibel, dass du diese Gemeinde nicht brauchst.“

„Pastoren sind außerdem von Gott beauftragt, dazu beizutragen, dich vor allen Arten von Irrlehre, schädlicher Lehre und jeglicher Verfälschung des reinen Evangeliums zu schützen.“
 

Pastoren sind außerdem von Gott beauftragt, dazu beizutragen, dich vor allen Arten von Irrlehre, schädlicher Lehre und jeglicher Verfälschung des reinen Evangeliums zu schützen. Paulus nennt als Qualifikationen für einen Ältesten, dass er jemand sein soll, „der sich an das zuverlässige Wort hält, wie es der Lehre entspricht, damit er imstande ist, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen“ (Tit 1,9).

Deshalb, mein Freund, mach es dir zu einer wichtigen Aufgabe, eine gesunde, von der Bibel durchdrungene, evangeliumszentrierte Gemeinde zu finden. Und wenn du sie gefunden hast, werde Teil davon. Verpflichte dich ihr. Unterstelle dein Leben der Aufsicht durch ihre Leiter, integriere dich in die Fürsorge und Rechenschaft unter ihren Mitgliedern. Gott liebt dich von ganzem Herzen, und er hat dieses Modell mit der Urgemeinde in Gang gesetzt, um deine geistliche Gesundheit zu schützen.

Frag einen Freund

Zu den ergiebigsten, gewinnbringendsten Zeiten des Bibellesens, die ich in meinem Leben erlebt habe, gehören jene, bei denen ich meinem Freund Dave am Tisch gegenübersaß. Im College gingen wir jeden Donnerstagabend nach dem Treffen unserer christlichen Studentengruppe in das örtliche IHOP-Restaurant und studierten gemeinsam ganze biblische Bücher. In diesem Moment liegt vor mir eine alte Bibel mit Notizen und Kaffeeflecken aus jener Zeit. Wir durchstreiften Satz für Satz 1. Mose und die Sprüche, den Hebräerbrief und das Johannesevangelium. (Das Hohelied war uns zu heikel.) Dave und ich erlebten die Freude, Entdeckungen zu machen, und wir genossen es, wenn Verse einen von uns persönlich und uns auch gemeinsam ansprachen.

Und hier ist nun meine Herausforderung für dich: Egal, wie dein Terminkalender aussieht und in welcher Lebensphase du dich befindest, lass die erste Woche 2022 nicht vorübergehen, ohne einen anderen Gläubigen einzuladen, sich regelmäßig mit dir zu treffen, um Gottes Wort zu lesen. Das ist alles – gar nichts Ausgefallenes. Aber ich kann dir versprechen, dass es immer wieder aufs Neue ein Fest sein wird.