Was ich nach 33 Jahren als Pastor gelernt habe
Ich kann es selbst kaum begreifen, dass ich nun schon seit 33 Jahren Woche für Woche Gottes Wort predige (oder es zumindest versuche). Es begann alles, als ich im Alter von 22 Jahren mein Studium abschloss. Die Vorbereitung im Studium war größtenteils informeller Natur. Ich hatte danach noch so viel zu lernen, und lerne immer noch. Der HERR hat mich in dieser Zeit vieles gelehrt.
1. Die Gemeinde hört wirklich zu
Als ich mit meinem Dienst als Pastor anfing, hatte ich eine sehr niedrige Sicht vom Verkündigungsdienst. Vielleicht lag es daran, dass ich so viel Kritik an langen Predigten mitbekommen hatte. Mein Dienst fokussierte sich auf Einzelgespräche, weil ich der Meinung war, dass das Evangelium hier viel besser demonstriert werden könne als in einer Predigt.
Irgendwann begriff ich dann aber, dass die Leute in meiner Gemeinde mir wirklich zuhörten.
Vor kurzem kam ein 11-jähriger Junge auf mich zu und berichtete, wie der HERR ihm neues Leben in Christus geschenkt hatte. Es passierte wohl im vergangenen Jahr, als ich gerade dabei war, die Herrlichkeit des Evangeliums aufzuzeigen, wie sie in der Ehe dargestellt wird (Eph 5). In den Reihen saß dieser kleine Junge und kämpfte innerlich mit diesen Wahrheiten. Er sagte zu sich selbst: „Ich bin doch nicht so sündig. Meine Sünde ist nicht so schlimm, dass sie den Tod am Kreuz verdient.“ Aber der Geist Gottes arbeitete an ihm und zeigte ihm auf: „Doch, du bist voller Sünde. Und du weißt es auch.“ Mitten in dieser Predigt brachte der HERR diesen Jungen dazu, sein Vertrauen auf das Blut Christi zu setzen.
Wenn ein kleiner Junge während einer Predigt über die Ehe gerettet wird, dann ist das Wort Gottes mächtig, die Aufmerksamkeit jedes Menschen zu bekommen.
2. Gott ist treu
Ich bin ein ganz normaler Mann und ein ganz normaler Prediger, was bedeutet, dass ich viel Hilfe nötig habe. So auch bei meiner Predigtvorbereitung und bei der Verkündigung selbst. Ich brauche Hilfe nach einer Predigt, von der ich denke, sie völlig in den Sand gesetzt zu haben. Und ich brauche Hilfe, wenn der Stolz in mir darüber aufsteigt, eigentlich einen ganz guten Job auf der Kanzel gemacht zu haben. Der HERR hat sich in all den Jahren als treu erwiesen und mir immer geholfen.
Seit etwa 20 Jahren predige ich auslegend durch Bücher der Bibel. Manchmal kommt es vor, dass ich am Montag einem Text gegenüberstehe, von dem ich nicht weiß, was er mir zu sagen hat. Und der Sonntag kommt immer näher! Und trotzdem gibt mir der HERR jede Woche Erkenntnis, um sein Volk zu nähren. Er tut es immer wieder. Manchmal erlebte ich das so deutlich, dass ich mich wie die Witwe aus 1 Könige 17 fühlte, deren Ölkrug nicht leer wurde. Gott ist wirklich treu!
Natürlich: Es geht hier eigentlich mehr um Gottes Treue gegenüber seinem Volk und nicht mir. Trotzdem bin ich dankbar. Er hilft mir auch in der Verkündigung. Manchmal fühle ich mich so als würde ich eine große Last einen Berg herauf schleppen. Aber sehr oft kommt es mir auch so vor als würde ich selbst getragen werden. Vor allem dann, wenn ich den Menschen predige, die Gott mir anvertraut hat.
3. Ich muss predigen
Der Predigtdienst ist gut für mich. Ich muss mich wöchentlich mit Gottes Wort beschäftigen. Ich muss damit arbeiten bis ich etwas in der Hand habe. Bevor ich den Text meiner Gemeinde predigen kann, muss Gott ihn mir an mein Herz tragen. Ich wäre ein Heuchler, würde ich den Text predigen, ohne ihn zu mir selbst sprechen zu lassen.
Vor einigen Jahren predigte ich durch das Johannesevangelium. Der HERR arbeitete in dieser Zeit an mir wegen einer Sünde in meinem Leben, aber bislang hatte ich nicht richtig auf sein Reden reagiert. Dann las ich in Joh 1,47 über Nathanael, in dem kein Falsch war. Dadurch brachte mich der HERR zu einem tieferen Verständnis von Buße und Sündenbekenntnis.
Die Vorbereitung einer Predigt hilft mir dabei, selbst zu wachsen. Schon zu Beginn der Woche versuche ich, herauszufinden, was Gott durch den jeweiligen Text sagen will. Ich versuche, den Sinn des Textes so schnell wie möglich in meinen Kopf und in mein Herz zu bekommen. Dafür lese ich den Text immer wieder, betreibe Wortstudien und lese Kommentare.
Das führt dazu, dass ich mich die ganze Woche hindurch mit der Predigt beschäftige. Egal, wo ich bin – Krankenbesuche, Ältestensitzungen, Seelsorge, Gebetstreffen – der Text begleitet mich. So wird auch meine Vorbereitung der Predigt in den Dienst an den Geschwistern integriert. Beim Schlafengehen, wie beim Aufwachen ist die Predigt in meinen Gedanken. Währen dieser Phase denke ich darüber nach, was gesagt werden muss und wie der Text angewandt werden kann. Später in der Woche setze ich die Struktur und den Ablauf der Predigt fest und überlege mir etwas für die Einleitung und den Schluss.
Dieser Ansatz der Predigtvorbereitung macht es möglich, dass der Text mich die ganze Zeit verfolgt und so auch mein eigenes Herz erreicht. Oft hat Gott mir schon während der Vorbereitung Dinge aufgezeigt, die ich in meinem Leben ändern musste. Ich möchte gar nicht daran denken, wo ich geistlich wäre, wenn ich diese wöchentliche Übung nicht hätte.
4. Die Heilige Schrift ist unerschöpflich
Ich habe von Predigern gehört, die in einer Gemeinde nicht länger bleiben konnten, weil ihnen die Predigten ausgegangen sind. Sie wollten auch keine alten Predigten noch einmal predigen und so entschieden sie sich, die Gemeinde zu wechseln.
Zu Beginn meines Dienstes hatte ich auch oft Angst davor, irgendwann nicht mehr zu wissen, was ich noch predigen soll. Dann begann ich, durch die Bücher der Bibel zu predigen.
Nach 33 Jahren dieses Dienstes merke ich, dass mein Leben irgendwann enden wird, ich jedoch niemals etwas anderes predigen werde als die Bibel.
Manchmal halte ich inne und merke, dass es tatsächlich sein könnte, dass ich über den jeweiligen Text wahrscheinlich nie wieder meiner Gemeinde predigen werde. Das ist schon ein schwieriger Gedanke. Ich werde niemals all das predigen, was Gott in seinem Wort verborgen hat, bevor ich sterbe. Die Reichtümer Christi sind wahrlich unergründlich (Eph 3,8).
Wenn Sie am Anfang Ihres Dienstes stehen, bleiben Sie dabei. Paulus rief Timotheus am Ende seines Lebens dazu auf, das Wort zu predigen. Er warnte ihn vor einer Zeit, in der Menschen die gesunde Lehre nicht mehr hören wollen. Wir leben in so einer Zeit und es ist deshalb unglaublich wichtig, dass wir in der Auslegung des Wortes Gottes treu bleiben. Wenn der HERR Sie zu dieser Treue befähigt, Woche für Woche sein Wort zu predigen, werden Sie auch sehen, wie wichtig es für Ihre eigene Seele und für Ihre Gemeinde ist. Gott hat alles vorbereitet, was wir für diese wichtige Aufgabe brauchen.
Steve Hussung, What I’ve Learned from 33 Years of Preaching God’s Word
© 9MarksMinistries
Übersetzung und Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung