Gemeinde ist genial

Artikel von Michael Wiche
23. November 2021 — 7 Min Lesedauer

Hast du schon gewusst, dass Gemeinde genial ist?

Und das sage ich nicht, weil ich Pastor bin und es eben dazu gehört, dass ich das so sage…

„Was für eine Zusage: Jesus baut seine Gemeinde – trotz und gerade in Krisenzeiten und in herausfordernden Umständen!“
 

Gemeinde ist genial, weil Gott Gemeinde so sieht. Gemeinde ist genial, weil sie Gottes wunderbarem und herrlichem Plan entspricht.

Was kommt dir in den Sinn, wenn du an deine Ortsgemeinde und an die Menschen in deiner Gemeinde denkst? Was siehst du, wenn du über deinen eigenen Tellerrand hinaus die Gemeinde Jesu weltweit anschaust?

Wenn du so ähnlich wie ich gestrickt bist, dann wirst du schnell dazu neigen, deinen Blick auf das Fehlende, das Unvollkommene, das Noch-nicht-Fertige zu richten und enttäuscht oder frustriert zu werden. Aber Gemeinde ist so viel mehr – in Gottes Augen und aus seiner Perspektive.

Ich will vier Aspekte aus der Bibel aufzeigen, die deutlich machen, warum Gemeinde aus Gottes Sicht genial ist und warum sie das auch für uns sein sollte.

1. Gemeinde ist eine Erfindung Gottes

„Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten des Totenreiches sollen sie nicht überwältigen.“ (Mt 16,18)
„Gemeinde ist Gottes Erfindung. Er hat seinen vollkommenen und souveränen Plan mit seiner Gemeinde und er wird seinen Plan auch zum Ziel bringen.“
 

Hier, in Jesu Wort an Petrus, begegnet uns das erste Mal im Neuen Testament das Wort „Gemeinde“. Jesus sagt, dass Er die Gemeinde bauen wird und dass diese Gemeinde nicht überwunden werden kann – selbst von den Pforten des Totenreiches nicht. Was für eine Zusage: Jesus baut seine – trotz und gerade in Krisenzeiten und in herausfordernden Umständen! Diese Zusage Jesu steht felsenfest, auch wenn es uns manchmal schwer fällt, Gottes Plan in der konkreten Gemeinde zu sehen.

Gemeinde ist Gottes Erfindung. Er hat seinen vollkommenen und souveränen Plan mit seiner Gemeinde und er wird seinen Plan auch zum Ziel bringen. Beim Bau seiner Gemeinde ist es Gottes Idee, durch uns schwache Sünder zu wirken. Er hat das Schwache und Verachtete und Törichte erwählt, damit sich keiner seiner eigenen Kraft rühmen kann (vgl. 1Kor 1,27–31). Es gefällt Gott, uns als seine Mitarbeiter und Werkzeuge zu gebrauchen, damit Menschen Ihn kennenlernen und Ihm alle Ehre geben. Wie genial, dass Jesus uns als seine Werkzeuge im Bau seiner Gemeinde mit einbezieht.

2. Gemeinde ist ein Wunder

„Denn Er ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht und die Scheidewand des Zaunes abgebrochen hat, indem er in seinem Fleisch die Feindschaft, das Gesetz der Gebote in Satzungen, hinwegtat, um die zwei in sich selbst zu einem neuen Menschen zu schaffen und Frieden zu stiften, und um die beiden in einem Leib mit Gott zu versöhnen durch das Kreuz, nachdem er durch dasselbe die Feindschaft getötet hatte.“ (Eph 2,14–16)
„Gemeinde ist ein Wunder, weil dort Menschen zusammenkommen, die normalerweise nie etwas miteinander zu tun gehabt hätten.“
 

Paulus beschreibt Gemeinde als ein Geheimnis, das zur Zeit des Alten Testaments verborgen war, jetzt aber offenbar geworden ist. Dieses Geheimnis besteht in dem Wunder, dass die Menschen, die vorher verfeindet und fremd waren, nun zusammen in Einheit die Gemeinde ausmachen und gemeinsam EINEN Leib bilden. Im Neuen Testament waren das vor allem die gegensätzlichen Gruppen von Juden und Heiden (aber auch von Sklaven und Herrschern), die Gott miteinander versöhnt in die Gemeinde stellt. Juden und Heiden waren so weit auseinander, dass es menschlich gesehen unvorstellbar war, dass diese beiden Gruppen zusammen zu einer Gemeinde gehören könnten. Einen größeren Kontrast, eine größere Kluft gibt es nicht. Aber Gott hat diese Trennung niedergerissen.

Gemeinde ist ein Wunder, weil dort Menschen zusammenkommen, die normalerweise nie etwas miteinander zu tun gehabt hätten. Schau dich doch einmal in deiner Gemeinde um: Menschen aller Generationen, Herkünfte, Schichten, Sprachen und Prägungen findest du in der Gemeinde. Dass diese so unterschiedlichen Menschen eine Einheit bilden, grenzt nicht nur an ein Wunder, sondern es ist tatsächlich eins; und zwar eins, dass Gott selbst schenkt! Jesus betet selbst für uns – seine Gemeinde –, dass wir eins sind, so wie Jesus mit dem Vater eins ist (vgl. Joh 17,21). Diese Einheit sollen wir vor Ort leben als Zeugnis für die Welt. So spiegeln wir als Gemeinde die Herrlichkeit Gottes in dieser Welt wider!

3. Gemeinde ist unvollkommen

„Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.“ (1Joh 1,8–9)

Selbst wenn Gemeinde aus perfekten Leuten bestehen würde, ist sie spätestens dann nicht mehr perfekt, wenn ich ein Teil dieser Gemeinde bin. Jeder von uns ist ein Sünder, d.h. wir werden schuldig an Gott und wir werden schuldig aneinander. Hier auf der Erde gibt es keine perfekte Gemeinde. Erst im Himmel – in der ewigen Herrlichkeit bei Gott selbst – werden wir perfekt sein. Gemeinde bedeutet nicht, dass wir eine perfekte Fassade aufbauen, so dass alles schick und leuchtend aussieht, sondern dass wir einander vergeben und ermutigen, dass wir unsere Unvollkommenheit sehen (und die des anderen) und durch Gottes Gnade und Wirken befähigt werden, uns gegenseitig zu lieben und Teil derselben Gemeinde zu sein. Wir sind in der Gemeinde auf Gottes Gnade und Vergebung und auf die Vergebung unserer Geschwister angewiesen. Davon leben wir:

„Seid aber gegeneinander freundlich und barmherzig und vergebt einander, gleichwie auch Gott euch vergeben hat in Christus“ (Eph 4,32).

„Bist du bereit, deine Vorstellung von einer ‚perfekten‘ Gemeinde aufzugeben und in der realen Gemeinde vor Ort in aller Unvollkommenheit Gottes Herrlichkeit in dieser Welt widerzuspiegeln?“
 

Wir sind dazu herausgefordert, die reale Gemeinde zu lieben, in die Gott uns gestellt hat. Dietrich Bonhoeffer schreibt dazu:

Wer seinen Traum von einer christlichen Gemeinschaft mehr liebt als die christliche Gemeinschaft selbst, der wird zum Zerstörer jeder christlichen Gemeinschaft, und ob er es persönlich noch so ehrlich, noch so ernsthaft und hingebend meint.“[1]

Bist du bereit, deine Vorstellung von einer „perfekten“ Gemeinde aufzugeben und in der realen Gemeinde vor Ort in aller Unvollkommenheit Gottes Herrlichkeit in dieser Welt widerzuspiegeln?

4. Gemeinde ist miteinander

„Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, gleichwie ich euch geliebt habe.“ (Joh 15,12)

Ich allein kann keine Gemeinde sein. Wir brauchen uns gegenseitig – so hat Gott das vorgesehen.  Gemeinde ist Familie. Wenn wir zum Glauben an Jesus Christus kommen, werden wir als Gottes Kinder adoptiert und in Gottes Familie aufgenommen. Dazu gehören dann eine Menge anderer Schwestern und Brüder. Weil wir aufeinander angewiesen sind, finden wir im Neuen Testament unzählige Stellen mit der Formulierung „einander“, die uns zeigen, wie wir gemeinsam als Gemeinde leben sollen: Liebt einander! Vergebt einander! Nehmt einander an! Ermutigt und ermahnt einander! Betet füreinander! (vgl. Joh 13,34; Eph 4,32; Röm 15,7; Kol 3,16; Jak 5,16).

Gott will, dass wir in der gegenseitigen Ergänzung gemeinsam in der Gemeinde unterwegs sind. Das ist Gottes Plan und Mittel für unsere eigene Heiligung. So sollen wir persönlich in unserer Beziehung zu Jesus geistlich wachsen. Und so soll die ganze Gemeinde immer mehr in das Bild wachsen, was Gott schon sieht und für uns vorgesehen hat (vgl. Eph 4,13). Gemeinde dreht sich nicht um dich und um das Erfüllen deiner Bedürfnisse, sondern um Gottes Ehre und seine Herrlichkeit, die sichtbar werden soll – gerade in unserem Miteinander. Jesus gibt seinen Jüngern den Auftrag einander zu lieben. An dieser Liebe zueinander soll die Welt uns als Jesu Gemeinde erkennen (vgl. Joh 13,34–35).

Teil der Gemeinde sein

Ich lade dich ein, Teil von Gottes Plan in deiner Ortsgemeinde zu sein, indem du dich Ihm als Werkzeug in seiner Gemeinde zur Verfügung stellst. Lebe an dem Platz, den Gott für dich in deiner Gemeinde vorgesehen hat. Investiere das, was du hast und wer du bist, in die Erfindung Gottes, in das Wunder, in das Unvollkommene, so dass wir gemeinsam Gottes Herrlichkeit in dieser Welt widerspiegeln! Kannst du sehen, wie genial Gemeinde ist?


[1]  Dietrich Bonhoeffer, Gemeinsames Leben, Chr. Kaiser Verlag München, 1939, S.19.