Wir brauchen mehr geistlichen Realismus
Ich fürchte manchmal, dass wir selbst unser ärgster Feind sind, weil wir uns weigern, ans Ende unserer menschlichen Mittel zu kommen. Vieles von dem, was ich gesagt habe, könnte so verstanden werden, dass wir mehr Anstrengung, Kraft und Investition vom menschlichen Standpunkt her benötigen. Doch ohne den Hauch von Gottes Geist und dem Eingreifen von Gottes Gnade wird nichts Anhaltendes erreicht werden. Die Polarisierung der Meinungen über das Wort und den Geist im Leben der evangelikalen Gemeinde ist wahrscheinlich eine der größten Tragödien der letzten dreißig Jahre. Als gerechtfertigte negative Reaktion gegen eine egozentrische Geistlichkeit, die den Schwerpunkt auf Erfahrungen setzt, haben wir unsere Dienste oft so durchgeführt, als wären sie selbstständig und unabhängig von Gottes gnädiger Befähigung. Wenn wir die Forderungen unserer Kultur heute und in der Zukunft bewältigen wollen, müssen wir zu einer richtigen Sichtweise dieser beiden notwendigen Bestandteile des Evangeliumsdienstes zurückkehren. Es ist nach wie vor die gnadenvolle Arbeit des Geistes Gottes, dass er durch das Wort Gottes das Volk Gottes erzeugt. J.I. Packer beschreibt es so:
„Gottes Geist belehrt uns durch die Schrift. Der Geist Christi, der in Christen wohnt, führt sie nie dazu, die Lehre der Bibel zu bezweifeln, zu kritisieren, über sie hinauszugehen oder ihr nicht gerecht zu werden. Geister, die so etwas hervorrufen, sind nicht der Geist Christi (1Joh 4,1–6). Der Heilige Geist wirkt in uns die Anerkennung der göttlichen Autorität der Schrift, sodass wir die geistlichen Realitäten, von denen sie berichtet, annehmen und so leben, wie sie uns gebietet. Genau wie der Geist uns das Wort gegeben hat, indem er über die menschlichen Autoren brütete und die Kirche dazu führte, ihre Bücher als Kanon für Glauben und Handeln anzuerkennen, so ist er nun der autoritative Interpret der Schrift und zeigt uns die Auswirkungen der biblischen Lehre auf unsere Lebensweise. Sicher kann man in Kommentaren die Bedeutung der Bücher der Bibel als Botschaften an die ersten Leser erkunden. Dennoch wird ihre Bedeutung für unser Leben heute nur deutlich, wenn der Geist unsere verhärteten Gewissen weckt. Der Geist führt uns nie weg vom geschriebenen Wort, genau so wenig wie vom lebendigen Wort. Stattdessen hält er uns in ständiger, bewusster, zufriedener Unterordnung zu Beiden zusammen.“ (J.I. Packer, Truth and Power, S. 39)
„Wir brauchen einen gesunden biblischen Realismus in Bezug auf unsere eigene Trägheit, unsere Kompromisse, unsere intellektuelle Arroganz, unsere Selbstzufriedenheit und Unabhängigkeit von Gott.“
Bis diese Art des Realismus unsere Gedanken und Herzen ergreift, werden wir nie wirklich betende Menschen werden; und bis wir wieder betende Menschen werden, werden wir entkräftete und verarmte Menschen sein. Wir brauchen nicht nur einen gesunden biblischen Realismus bezüglich der Fantasie-Christenheit mit ihren Träumen und Täuschungen, sondern wir brauchen auch einen gesunden biblischen Realismus in Bezug auf unsere eigene Trägheit, unsere Kompromisse, unsere intellektuelle Arroganz, unsere Selbstzufriedenheit und Unabhängigkeit von Gott. Wenn wir sehen wollen, wie das Evangelium in Kraft verkündigt wird und wie der Herr Jesus in unserem Land verherrlicht, angebetet, und verehrt wird, dann wird die Gemeinde des 21. Jahrhunderts eine Gemeinde sein, die niederkniet vor dem Kreuz, vereint mit Christus in seinem Tod, damit wir mit ihm auferweckt werden in seiner Kraft. Es wird eine Gemeinde der Buße sein, vollkommen von dem Gott der Gnade abhängig; eine Gemeinde, die weiß, dass der Weg ins christliche Leben auch der Weg voran im christlichen Leben ist; eine Gemeinde, die sich unter die gewaltige Hand Gottes demütigt, damit er sie erhöhen möge zur rechten Zeit (seiner, nicht ihrer). Und wenn Gott sein Volk erhöht, sendet er uns in seine Welt, mit seinem Wort in unseren Händen, auf unseren Lippen und in unseren Herzen. Er sendet uns, um seine Wahrheit in Liebe zu verkündigen, in der Gewissheit, dass es vom Anfang bis zum Ende Gottes Werk ist. Alles, was sich durch das Feuer seines Gerichtes bewährt, wird allein durch seine Kraft vollbracht und existiert allein zu seiner Ehre. Es wird eine Gemeinde sein, die bis zum Ende von einer leidenschaftlichen Hingabe beherrscht und dominiert wird; eine Gemeinde, die in der Gegenwart, und doch für die Ewigkeit, lebt.
„Und einen Tempel sah ich nicht in ihr; denn der Herr, Gott der Allmächtige, ist ihr Tempel, und das Lamm. Und die Stadt bedarf nicht der Sonne, noch des Mondes, dass sie in ihr scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm. Und die Heidenvölker, die gerettet werden, werden in ihrem Licht wandeln, und die Könige der Erde werden ihre Herrlichkeit und Ehre in sie bringen. Und ihre Tore sollen niemals geschlossen werden den ganzen Tag; denn dort wird keine Nacht sein. Und man wird die Herrlichkeit und die Ehre der Völker in sie bringen. Und es wird niemals jemand in sie hineingehen, der verunreinigt, noch jemand, der Gräuel und Lüge verübt, sondern nur die, welche geschrieben stehen im Buch des Lebens des Lammes.“ (Offb 21,22–27)
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Dies ist ein Auszug aus dem Booklet Eine Gemeinde für das 21. Jahrhundert? von David Jackman. Weitere Infos und eine Bestellmöglichkeit gibt es hier.