Wie ich das Schweigen brach

Rezension von Tim Challies
30. Juli 2021 — 4 Min Lesedauer

Rachael Denhollanders Buch Wie ich das Schweigen brach: Eine junge Frau kämpft für Gerechtigkeit ist keine leichte Kost, aber ein wichtiges Buch, das man lesen sollte. Es erzählt von den schrecklichen Verbrechen eines Mannes und hält warnend vor Augen, dass viele ähnliche Verbrechen von zahlreichen anderen Straftätern verübt wurden und werden. Obwohl es sich weitgehend auf das Leiden einer einzigen Frau konzentriert, zeigt es aber auch, wie viele andere Opfer durch die Verbrechen, die an ihnen begangen wurden, gelitten haben. Das Buch beschreibt, wie ein böses Individuum der Gerechtigkeit zugeführt wurde und lässt begründete Hoffnung zu, dass dies auch bei vielen anderen Tätern möglich sein wird. (Denhollander war die erste Frau, die gegen den ehemaligen Mannschaftsarzt von USA Gymnastics, Larry Nassar, öffentliche Anschuldigungen vorbrachte, der später wegen sexuellem Missbrauch von Hunderten junger Mädchen für schuldig befunden wurde).

Anstelle einer ausführlichen Rezension möchte ich anhand einiger Aspekte begründen, weshalb ich Wie ich das Schweigen brach für ein besonders hilfreiches Buch halte.

Erstens enthüllt das Buch, auf welche Weise Sexualstraftäter ihre Opfer ausnutzen und wie sie es schaffen, mit ihren Verbrechen ungestraft davonzukommen. Wir mögen überzeugt sein, einen solchen Täter erkennen zu können, der sich an denen vergreift, die wir lieben, aber dieses Buch zeigt, dass wir dazu neigen, unsere eigenen Fähigkeiten diesbezüglich zu überschätzen. Wir mögen auch glauben, dass wir sexuellen Missbrauch sofort identifizieren und dagegen aufstehen würden, aber dieses Buch zeigt, wie und warum das so oft nicht der Fall ist. Tatsache ist, dass Larry Nassar, wie viele andere Sexualstraftäter, ein Meister darin war, Vertrauen zu gewinnen und dann Menschen zu seinem eigenen Vergnügen zu täuschen und auszubeuten. Er konnte Augenkontakt mit einer Mutter aufnehmen, während er gerade dabei war, ihre Tochter zu missbrauchen, und trotzdem für einen netten, fürsorglichen und rücksichtsvollen Mann gehalten werden. Wenn Sie Wie ich das Schweigen brach lesen, werden Sie einen Meistermanipulator bei der Arbeit sehen und danach Ihre eigenen Fähigkeiten etwas bescheidener einschätzen.

Zweitens erklärt das Buch, wie Sexualstraftäter sich ganz bewusst in Gemeinschaften einschleichen, in denen ihre Position ihnen Zugang zu potenziellen Opfern verschafft. Sie suchen sich Gemeinschaften, in denen sie Vertrauenspositionen und Zugang zu verletzlichen Menschen erhalten. Wenn dies auf die Welt des Turnens zutrifft, dann gilt es ebenso für die Kirche. Als Christen und besonders als christliche Leiter in den Ortsgemeinden tragen wir die heilige Verantwortung, auf solche Menschen einen wachsamen Blick zu haben und uns nicht vorzumachen, dass es uns und hier nie passieren könnte. Wir müssen uns um Kinder und verletzliche Erwachsene kümmern. Dazu braucht es natürlich Aufklärung und Wachsamkeit, aber es erfordert auch Regeln, die vor sexueller Ausbeutung schützen, und Verfahren für den schnellen und richtigen Umgang mit Anschuldigungen.

Drittens wird deutlich, dass Denhollanders christlicher Glaube der Schlüssel zur Deutung dessen war, was ihr widerfahren war, wie sie den Missbrauch verarbeitete und wie sie nach Gerechtigkeit strebte. Ohne Kenntnis ihrer tief verwurzelten inneren Verpflichtung können wir sie nicht verstehen. An vielen Stellen gibt sie sich Mühe, ihre Liebe zu Jesus Christus, ihren Glauben, ihr Vertrauen in Gott und seine Vorsehung und ihre Freude am Evangelium verständlich zu beschreiben. Tatsächlich bekennt sie diese gute Nachricht bei einigen Gelegenheiten klar und unverblümt, wodurch der Herr dieses Buch dazu benutzen kann, um seinen Lesern die Hoffnung des Evangeliums nahezubringen und ihr zu glauben.

Viertens zeigt das Buch, wie Sexualstraftäter häufig von den sie umgebenden Systemen geschützt werden. USA Gymnastics und die Michigan State Universität schützten Larry Nassar zumindest teilweise, weil sie wussten, dass sie einen hohen Preis bezahlen müssten, wenn er schuldig gesprochen würde. Sie haben Anschuldigungen zurückgewiesen oder unter den Teppich gekehrt, damit sie nicht durch seinen Skandal befleckt werden. Jede Organisation oder Gemeinschaft neigt dazu, dies zu tun – aber um der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Wiederherstellung willen muss sie bereit sein, die Interessen der Opfer weit über ihre eigenen zu stellen. Was diesen und viele ähnliche Fälle auch so leidvoll macht, ist die Erkenntnis, dass alles viel früher hätte gestoppt werden können.

Es ist wirklich sehr traurig, dass Wie ich das Schweigen brach überhaupt geschrieben werden musste. Obwohl es an manchen Stellen eine schmerzliche und widerwärtige Lektüre ist, können und dürfen wir nicht vor der Realität zurückschrecken, die hier beschrieben wird. Ich hoffe und bete, dass Denhollanders lange Arbeit an diesem Buch innerhalb und außerhalb der Kirche etwas bewegen kann. Und dass es dazu dienen wird, andere Sexualstraftäter zu identifizieren und zu stoppen, bevor sie ihren Opfern derartige Schmerzen und Verwüstungen zufügen.

Buch

Rachael Denhollander, Wie ich das Schweigen brach: Eine junge Frau kämpft für Gerechtigkeit, Holzgerlingen: SCM Hänssler 2021, 480 Seiten, 22,99 Euro.