Liebe deinen Körper

Rezension von Michael Freiburghaus
8. Juni 2021 — 5 Min Lesedauer

Überblick

Nancy Pearcey (*1952) ist eine amerikanische Autorin, die in den Fußstapfen von Francis Schaeffer die christliche Weltanschauung gegen unterschiedliche Einwände verteidigt. Ihr neues Buch Liebe deinen Körper ist das erste, das auf Deutsch erschienen ist. Das Buch ist ein Gemeinschaftsprojekt, in dem die Rückmeldungen von über 30 Personen aus ihrem akademischen Umfeld eingeflossen sind. Am Anfang stellt sie folgende Diagnose unserer heutigen Zeit: „Die sexuelle Revolution ist global“ (S. 15). Die postmoderne Weltsicht geht von einer Zweiteilung der Wirklichkeit (Dualismus) aus, bei der unterschieden wird in einen unteren, körperlichen, weniger wertvollen und einen oberen, geistigen, wertvollen Bereich. Diese Grundannahmen gehen auf die Irrlehre der Gnosis, des Philosophen René Descartes und der liberalen Theologie zurück. Eine Auswirkung dieser zweigeteilten Weltanschauung ist die von ihr sogenannte Personschafts-Theorie, die eine Unterscheidung zwischen Menschen und Personen vornimmt: Einige Menschen (z. B. Staatsangestellte oder Parlamentarier) legen willkürlich fest, ab wann andere Menschen (Embryos, behinderte und ältere Menschen) zu Personen werden, die vor Gericht Rechte haben. Dies führt zu einer Kultur des Todes und der Körperfeindlichkeit, weil nur Personen als vollwertige Menschen gelten, die anderen können getötet werden. Leidenschaftlich kritisiert sie diese zweigeteilte Weltsicht mitsamt der Personschafts-Theorie im ersten Kapitel: „In einer christlichen Weltanschauung ist jeder Mensch auch eine Person“ (S. 36). Zur Erklärung ihrer Ausführungen verwendet sie auch aufschlussreiche Grafiken. Als christliche Alternative anstelle dieses zerstörerischen Dualismus’ führt sie die Ebenbildlichkeit Gottes aller Menschen (imago Dei) aus, die allen Menschen eine bedingungslose und unverlierbare Würde beimisst: „Doch das Christentum vertritt die Ansicht, dass Körper und Seele zusammen eine miteinander verwobene Einheit bilden, dass der Mensch eine verkörperte Seele ist“ (S. 29). Aus christlicher Weltsicht behandelt Pearcey in den sechs weiteren Kapiteln dann verschiedene sexualethische Themen: Abtreibung, Euthanasie und Sterbehilfe, Promiskuität, Homo-, Trans- und Intersexualität und die zunehmende Macht des Staates. Ihr Hauptargument für die christliche Sexualethik besteht darin, dass sie ganzheitlich den Körper und die Materie wertschätzt, weil Gott beide positiv erschaffen hat, sie erst durch den Sündenfall gefallen sind, aber durch die Erlösung von Jesus wiederhergestellt werden. Sowohl Ehe als auch Ehelosigkeit sollen zur Ehre Gottes gelebt werden.

„Wiederholt fordert sie Kirchgemeinden dazu auf, zu Zufluchtsorten für Verletzte und Suchende zu werden, in denen Menschen dank Jesus Heil und Heilung erfahren.“
 

Wiederholt fordert sie Kirchgemeinden dazu auf, zu Zufluchtsorten für Verletzte und Suchende zu werden, in denen Menschen dank Jesus Heil und Heilung erfahren. Einzelne Christen sind dazu aufgerufen, mit ihren Familien und Freunden Gastfreundschaft zu leben und so Menschen zum christlichen Glauben einzuladen. Außerdem warnt sie vor dem Zurückfallen der westlichen Welt in eine nachchristliche, heidnische Kultur, in der Frauen und Kinder wie in der Antike wieder unterdrückt werden. Das Christentum ist nicht traditionell, sondern gegenkulturell: „Damals wie heute ist das, was Christen mit ihrer Sexualität machen, eines der wichtigsten Zeugnisse, die sie der Umwelt geben. Sie sind aufgerufen, eine Gemeinschaft von Familien aufzubauen, die Frauen respektiert und sich um die Bedürfnisse der Jungen und Verletzlichen kümmert“ (S. 113). Mehrmals warnt sie vor der zunehmenden Macht des Staates, weil er zuletzt entscheidet, wer ab wann eine Person ist (vgl. S. 90). Ein Studienleitfaden lädt mit Fragen zum Nachdenken, Diskutieren und Vertiefen der einzelnen Kapitel ein.

Konstruktive Kritik

Als Bodybuilder habe ich mich sehr über den Titel gefreut: Liebe deinen Körper fasst Pearceys Anliegen treffend zusammen, dagegen wirkt der deutsche Untertitel Sexualität, Gender und Ethik aus Sicht von Medien, Politik und Bibel etwas holperig und das Titelbild der deutschen Ausgabe (eine Holzfigur) ist m. E. unglücklich gewählt, weil es zu statisch ist – im Gegensatz zum dynamischen Titel. Die englische Originalausgabe lautet Love thy body: Answering Hard Questions about Life and Sexuality (Grand Rapids: Baker, 2018) und zeigt das Gemälde einer Frau, das aus fragmentierten Teilen besteht und so das Grundproblem des heutigen Dualismus’ besser veranschaulicht. Positiv überrascht haben mich die philosophischen Exkurse zu Charles Darwin, Jean-Jacques Rousseau und Immanuel Kant, in denen sie zeigt, dass die materialistischen Annahmen der Evolutionstheorie zum Nihilismus und ins Chaos führen. Ebenso ist ihr Einbezug von patristischen Aussagen vorbildlich: Auch die Kirchenväter betonten die Wichtigkeit der sexuellen Treue in der Ehe und lehnten gelebte Homosexua­lität entschieden ab (vgl. S. 104–113; 288–294). Die biblische Sexualethik war einer der Gründe, warum sich das Christentum zu Beginn stark ausgebreitet hat, gerade unter Frauen, weil sie mehr Rechte genossen als ihre heidnischen Nachbarinnen (vgl. S. 288). Diese kirchengeschichtlichen Ausführungen helfen, unsere eigene Zeit besser einzuordnen. Bemerkenswert finde ich auch, dass Pearcey mit Bezug zum Neuen Testament sowohl die Ehe als auch die Ehelosigkeit als gleichwertige Beziehungsformen nebeneinander stellt (vgl. S. 223). Außerdem erklärt Pearcey auch das seelsorgerliche Konzept des posttraumatischen Wachstums, wenn man durch erlittenes Leid charakterlich reift: „Der Schlüssel liegt darin, ob wir uns in unserem Leid an Gott wenden“ (S. 166). Das letzte Kapitel beschreibt den Griff des Staates nach den Kindern (Paternalismus, Etatismus, Nanny-Staat). Pearcey schreibt richtig, dass die Kernfamilie die Macht des Staates begrenzt (vgl. S. 395). Ermutigt hat mich folgender Satz zur Männlichkeit: „Ein Mann zu sein, bedeutet, die Verwundbaren, die Entrechteten und die Benachteiligten zu beschützen“ (S. 101). Das hat mich motiviert, mittelfristig ein Vater der Vaterlosen zu werden. Teilweise haben mich die vielen negativen Titel und Überschriften gestört, z. B. „Ich hasse mich“, „Die Freude am Tod“, „der wirkliche Krieg gegen die Frauen“ usw. Wahrscheinlich wollte Pearcey damit ihren Galgenhumor ausdrücken oder es ist ihre amerikanische Art der Provokation. Der Inhalt der einzelnen Kapitel ist dafür wieder positiv. Mit 431 Seiten ist Pearceys Werk sehr ausführlich, am oberen Ende der Lesbarkeit und es enthält einige Doppelungen. Es kann auch als Nachschlagewerk zur christlichen Sexualethik gelten.

Fazit

Pearceys Werk ist eine fundierte Streitschrift gegen entmenschlichende Weltanschauungen und für eine biblisch gelebte Sexualität, die den eigenen Körper als Geschenk Gottes annimmt und so den Schöpfergott ehrt. Von Herzen wünsche ich dem Buch eine weite Verbreitung, damit es mit Gottes Hilfe eine weltanschauliche Transformation zu Jesus und der Bibel hin auslöst. „Es gibt eine richtige Art von Selbstliebe, die durch die Annahme der Liebe Gottes entsteht. Eine biblische Weltanschauung verleiht unserer Identität als Mann oder Frau Wert und Würde“ (S. 308).

Buch

Nancy Pearcey. Liebe deinen Körper: Sexualität, Gender und Ethik aus Sicht von Medien, Politik und Bibel. Augustdorf: Betanien, 2019, 431 S., 19,90 Euro. Das Buch kann über Amazon oder direkt beim Verlag bestellt werden.

Michael Freiburghaus ist verheiratet mit Christina, reformierter Pfarrer in Leutwil und Dürrenäsch (Schweiz), Armeeseelsorger, Präsident der Schweizerischen Traktatmission und der Stiftung Zukunft CH, die sich für die Respektierung der Menschenrechte (1948), zukunftstragende Werte, eine Aufwertung der Familie und gegen die Einführung der Scharia einsetzt.