Enough about Me

Rezension von Bianca Hopcraft
12. April 2021 — 8 Min Lesedauer

Jeder hat diese Schlagworte sicher schon einmal gehört, gelesen, gedacht und vielleicht auch selbst ausgesprochen: „Glaub an dich selbst! Du packst das! Selbst ist die Frau!“

Das Interessante ist, dass diese Worte normalerweise durchaus positiv und ermutigend gemeint sind und Frauen darin stärken möchten, ihre Träume, Ziele und ihr Lebensglück zu erreichen. Doch die Autorin Jen Oshman konfrontiert in ihrem ersten Buch Enough About Me – Find Lasting Joy In The Age Of Self (dt. „Genug über mich – Vom Finden bleibender Freude in einer Zeit der Selbstzentriertheit“) diese Hoffnung mit der harten Realität: Wir finden nicht das ersehnte Glück, sondern eher das Gegenteil. Sie stellt fest, dass obwohl uns Frauen in der westlichen Kultur heutzutage mehr Möglichkeiten zur Selbstentfaltung offenstehen als vielen Generationen vor uns, wir nicht glücklicher, sondern sogar deprimierter und dem Burnout näher sind als je zuvor.

Warum ist das so? Jen Oshman geht diesem Phänomen nach. In sieben Kapiteln zeigt sie zum einen auf, worin der Trugschluss dieser selbstzentrierten Lebenseinstellung besteht und wie wir in diese Krise hineingekommen sind. Zum anderen erklärt sie, wie das Evangelium der Bibel, das paradoxerweise genau das Gegenteil von Selbstglorifizierung predigt, unsere Rettung ist und uns wirklich bleibende Freude und tiefstes Lebensglück schenkt, die unzerbrechlich sind.

Das Problem der Ich-Zentrierung

Ich liebe interessante Gesellschaftsanalysen. Genau das macht Jen Oshman in ihrem ersten Kapitel. Sie analysiert kurz und bündig die Kultur von Frauen, die heute zwischen 20 und 59 Jahren alt sind und mit Slogans wie „Mach was aus dir! Follow your dreams!“ überschüttet werden. Sie beschreibt dabei zwar vor allem die amerikanische Gesellschaft, aber auch bei uns in Deutschland muss man nicht lange suchen, um die gleichen Aufschriften auf Möbelaccessoires oder T-Shirts zu finden. Es geht immer wieder darum, das eigene Selbstbewusstsein zu stärken – vor allem das von Frauen und Mädchen.

Nun fragt man sich: Warum fruchtet es nicht? Warum sind Frauen trotzdem so unglücklich? Jen Oshman listet ein paar mögliche Antworten von Sozialforschern auf, z.B. weil Männer immer noch mehr Gehalt als Frauen bekommen, weil Frauen immer noch den größten Teil im Haushalt stämmen, durch soziale Medien etc. An dieser Stelle hätte ich mir noch mehr Diskussion darüber gewünscht, ob und inwiefern an diesen Begründungen etwas dran ist.

Doch Oshman lässt diese Theorien unkommentiert so stehen und möchte auf einen anderen, viel tiefer liegenden Grund hinweisen. Dafür nimmt sie den Leser auf eine kleine Zeitreise der Weltanschauungen mit. Angefangen vom Zeitalter des Rationalismus und der Aufklärung bis hin zur heutigen Postmoderne macht sie im Schnelldurchlauf deutlich, wie die Gesellschaft sich immer mehr von Gott entfernte und die Macht des eigenen Ichs in den Vordergrund rückte. Sicher gibt es noch viel ausführlichere Bücher über dieses Thema, aber für mich war diese kompakte Einheit informativ genug, um zu verstehen, warum das höchste Gut unserer heutigen Gesellschaft aus unbedingter Selbstständigkeit und Selbstverwirklichung besteht.

„Das Problem dieser Slogans ist, dass sie uns vollkommen auf uns selbst werfen.“
 

Gleich im Anschluss macht Oshman klar, worin der Fallstrick in dieser Art von Selbstvergötterung liegt: Das Problem dieser Slogans ist, dass sie uns vollkommen auf uns selbst werfen. Wir müssen uns nicht nur immer wieder selbst neue Ziele setzen, sondern auch selbst dafür sorgen sie zu erreichen, natürlich aus eigener Kraft. Doch unser Selbst ist begrenzt. Und darum können wir nicht anders als irgendwann erschöpft zusammenzubrechen.

Erwähnenswert ist, dass Oshman in diesem Zuge an keiner Stelle sagt, dass nur Karrierefrauen zur Selbstvergötterung neigen, sondern JEDE Frau in der Gefahr steht, nur für und aus sich selbst zu leben und daran zu zerbrechen.

Gewurzelt, auferbaut und gefestigt in Christus

Nach dem Darlegen der Krise beginnt Oshman mit dem Ausweg. Mehr Wellness und mehr Auszeit sind nur kurzfristige Lösungen. Sie erinnert uns daran, mit welcher Bestimmung wir ursprünglich von Gott geschaffen wurden, und warum es absolut notwendig ist, dass wir wieder zu ihm umkehren. Damit schafft sie die Grundlage für die folgenden Kapitel.

Oshman strukturiert diese anhand von drei Schlüsselbegriffen, die sie einem Vers aus dem Kolosserbrief entnimmt: „Wie ihr nun Christus Jesus, den Herrn, angenommen habt, so wandelt auch in ihm, gewurzelt und auferbaut in ihm und gefestigt im Glauben, so wie ihr gelehrt worden seid, und seid darin überfließend mit Danksagung“ (Kol 2,6–7).

Was bedeutet es konkret, in Christus gewurzelt, auferbaut und gefestigt zu sein? Diese drei Hauptpunkte beleuchtet Oshman nun im Detail anhand der Schrift und konkreten Beispielen.

Zum einen geht sie dabei sowohl auf „halbe“ Christen ein, die „moralisch gut, aber bloß nicht so fanatisch sein wollen, dass ihnen der Glaube an Gott irgendwelche Grenzen setzen könnte“ (S. 65). Wir erfahren, dass Oshman selbst lange Zeit so lebte. Sie erklärt darum in einem Kapitel explizit, was das Evangelium bedeutet und betont, dass Jesus nicht nur kam, um uns einmal vor der Hölle zu retten, sondern dass er unser ganzes Leben zu seiner Ehre umkrempeln möchte.

Aber Oshman will ebenso gestandene Christen unserer Zeit aufrütteln. In einem ganzen Kapitel deckt sie auf, wie die Selbstbezogenheit sich auch in unsere Bücher, Predigten und Lieder schleichen kann, ohne dass wir es gleich als unchristlich wahrnehmen. Sie zeigt, dass dieses selbstzentrierte Evangelium verschiedene Formen annehmen kann, z.B. „Gott möchte vor allem, dass ich glücklich bin, er würde nie wollen, dass ich leide“ (S. 87) oder „Gott hat mich geschaffen, aber nun bin ich allein dafür verantwortlich, meine Ziele zu erreichen“ (S. 88). Oshman ruft uns dazu auf, die wahre Botschaft der Bibel immer wieder zu verinnerlichen, um solchen „Fälschungen“ nicht auf den Leim zu gehen.

Nach diesem Kapitel musste ich etwas innehalten und mich selbst nach versteckter Selbstzentriertheit abklopfen. Ich glaube zwar diese besagten falschen Botschaften nicht, aber trotzdem ist Gott in meinem Alltag oft nicht so präsent, wie er es eigentlich sein sollte. Ein leichtes Resignieren machte sich innerlich in mir breit.

Als hätte Oshman meine Gedanken vorgeahnt, behandelt sie im nächsten Kapitel die Erlösung für mein Seufzen. Sie stellt klar: Aus eigener Kraft können wir niemals an Gott dranbleiben. Ja, aus eigener Kraft schaffen wir es noch nicht einmal, das zu wollen. Wir brauchen Gottes Geist dafür. „Gnade brachte uns zum Glauben, Gnade wird uns auch wachsen lassen“ (S. 105). Darum darf ich Gott immer wieder um Hilfe bitten. Was für eine erleichternde Botschaft!

Oshman geht noch auf den Wert von geistlichen Disziplinen und auf weitere frohe Heilsnachrichten ein, die uns befähigen, in Gott zu ruhen, egal was für Stürme um uns kämpfen mögen. Sie nennt verschiedene Szenarien, in denen wir menschlich gesehen schnell am Ende sein können (von schlimmer Krankheit bis hin zu schweren Entscheidungen, vor denen wir stehen). Sie hilft uns zu sehen, was für einen hoffnungsvollen Unterschied Jesu Leben, Tod und Auferstehung in unseren täglichen Herausforderungen und Entscheidungen des Lebens macht.

Im letzten Kapitel des Buches bringt Oshman dann die große Herausforderung nochmal auf den Punkt: Jesus fordert uns tatsächlich dazu auf zu sterben, d.h. unser Selbst aufzugeben, um Sein Leben zu gewinnen (Mk 8,34–35). Und das Umwerfende ist, dass wir genau darin – in diesem Paradoxon – die bleibende Freude erfahren, nach der wir uns so sehnen. Oshman macht deutlich, dass es hierbei keine 0815-Formel gibt, wie dieses Sterben konkret für jeden von uns aussieht. Es gibt verschiedene Dinge, die Gott von uns abverlangen mag. Unverändert bleibt die Zusage, dass wir wahre Freude finden werden, wenn wir Jesus gehorchen (Joh 15,11) und unser Gottesbild dabei wächst.

Abschließend ist zu sagen, dass ich durch dieses Buch einige interessante Aspekte bezüglich unserer Kultur lernen durfte, aber vor allem an etliche Wahrheiten des Evangeliums erinnert und ermutigt wurde. Hilfreich fand ich auch die herausfordernden Fragen und Bibelstellen zwischendrin und am Ende jedes Kapitels zum Reflektieren und Diskutieren. Das Buch lädt also sowohl zum Selbststudium als auch zum Studieren als Gruppe ein. Schade ist, dass das Buch nur auf Englisch zu haben ist, aber Oshman schreibt sehr unkompliziert. Sie wiederholt sich auch öfter, was vielleicht manchmal etwas redundant erscheint, aber auch hilft, bestimmte Zusammenhänge besser zu verstehen und sich einzuprägen.

Fazit

Das Buch legt den Finger auf einen aktuellen wunden Punkt unserer Kultur, nämlich unsere Selbstzentriertheit, und schärft wieder den Blick auf die Größe des Evangeliums in Christus.

Ich kenne ansonsten bisher kein Buch, das sich diesem Thema so evangeliumszentriert widmet, insofern kann ich es jedem empfehlen, der sich dafür interessiert und wahre Freude sucht.

Buch

Jen Oshman, Enough about Me: Find Lasting Joy in the Age of Self, Wheaton, Illinois: Crossway 2020, 176 Seiten, ca. 10,00 €.