Warum musste Hosea eine Prostituierte heiraten?
Was würdest du sagen, wenn einer deiner christlichen Freunde behaupten würde, Gott hätte ihm befohlen eine Frau mit einem mehr als unmoralischen Habitus zu heiraten? Im besten Fall hättest du Bedenken, nicht wahr? Du würdest ihm wahrscheinlich erzählen, was die Bibel über das „ungleiche Joch“ sagt und ihn warnen, jemanden mit missionarischen Absichten zu daten.
Aber wie sollen wir uns einen Reim darauf machen, dass Gott Hosea offenbar genau das befohlen hat? Der Prophet Hosea ist vermutlich gerade für seine skandalöse Heirat mit Gomer bekannt. Die Frage ist also ganz einfach: Warum gebot Gott seinem Propheten, eine Prostituierte zu heiraten?
Der Grund liegt darin, dass Propheten wie Hosea berufen wurden, Gottes Wort zu verkünden – nicht nur in Worten sondern oft auch in Taten (Vgl. Jes 20,2–4; Ez 24,15–27). Ihre Funktion war nicht nur die eines Anklägers, der seine Hörer zurück zur Bundestreue rief, sondern sie personifizierten die Botschaft Jahwes. In der Tat liegt ein Teil ihrer Macht in der Verkündigung darin, wie sie Jahwes Schmerz verkörperten, indem sie das tiefe Unrecht Israels an Jahwe und die Schwere seines Gerichts demonstrierten.
Hoseas Ehe mit Gomer ist dafür ein lebhaftes Beispiel.
Betrug an Jahwe
Hosea greift ein wichtiges Thema aus der Thora auf, in dem Jahwe als Israels Ehemann bezeichnet und Untreue gegenüber dem Bund Gottes mit ehelicher Untreue verglichen wird. Die Ehe wird somit zu einer Metapher für die Bundesbeziehung Jahwes zu Israel und Hurerei zu einer Metapher für Götzendienst.
Nach der Episode mit dem goldenen Kalb wird das Volk Israel vor der Tischgemeinschaft mit den Völkern des Landes gewarnt, weil eine Vermischung zu Mischehen führen würde; als Folge würde Israel „ihren Göttern nachhuren“ (Ex 34,15–16) – was später tatsächlich geschieht. Genau das sagtMose auch voraus: Sie werden ihren Bundesehemann betrügen und anderen Göttern nachhuren und Jahwe somit provozieren, sie wegen ihrer Untreue zu verlassen (5Mose 31,17).
Das wird durch Hoseas prophetischen Dienst verkörpert. Es beginnt mit dem Befehl Jahwes an ihn, eine unmoralische Frau zu ehelichen, ein Befehl, der in der Tatsache begründet ist, dass „das Land große Hurerei begeht, indem es den HERRN verlässt“ (Hos 1,2). Es geht weiter mit der Namensgebung für seine Kinder. Indem er seine Tochter „Kein Erbarmen“ (Hos 1,6) und seinen Sohn „Nicht mein Volk“ (Vers 9) nennt, werden Schlüsselaspekte von Jahwes Bund mit Israel ins Gegenteil verkehrt. Weil sie ihn betrogen und den Bund gebrochen haben, wird der Exodus rückgängig gemacht und die Überlebenden werden ins Exil gebracht.
Und doch ist die Geschichte damit nicht zu Ende.
Gottes unveränderliche Liebe
In Hosea 3,1 befiehlt Jahwe seinem Propheten: „Geh nochmals hin und liebe eine Frau, die von ihrem Freund geliebt wird und im Ehebruch lebt“ (vermutlich geht es um dieselbe Frau). Der Schwerpunkt liegt hier auf der bedingungslosen Liebe und Barmherzigkeit Jahwes, die Hosea als prophetische Zeichentat nachahmen soll.
Egal wie treulos Israel wird, Gott kann es nicht ertragen, es aufzugeben. Wie er später in Hosea 11,8–9 sagt:
Wie kann ich dich preisgeben, Ephraim, dich ausliefern, Israel? Wie kann ich dich preisgeben gleich Adma und dich zurichten wie Zebojim? Mein Herz wendet sich gegen mich, all mein Mitleid ist entbrannt. Ich will nicht tun nach meinem grimmigen Zorn noch Ephraim wieder verderben. Denn ich bin Gott und nicht ein Mensch, heilig in deiner Mitte. Darum komme ich nicht im Zorn.
Christen lesen manchmal Hosea 1–3 und sagen: „Ja, aber wie kann Gott seinem Propheten befehlen, eine Frau zu heiraten, mit der er nicht in einem ,gleichen Joch' ist? Vielleicht ist missionarisches Dating doch in Ordnung!“
„Die Pointe dieser Passage ist, dass Jahwe, als er verlorene Sünder erlöste, gleich einem betrogenen Ehemann wurde, der eine untreue Frau zu sich nahm.“
Aber das hieße, Hosea grundlegend falsch zu verstehen. Der Prophet wird von Gott berufen, eine Ehe einzugehen, die auf skandalöse Weise als Gleichnis fungiert, das die Untreue Israels gegenüber seinem Ehemann, Jahwe, anschaulich – ja schockierend – illustriert. Die Pointe dieser Passage ist, dass Jahwe, als er verlorene Sünder erlöste, gleich einem betrogenen Ehemann wurde, der eine untreue Frau zu sich nahm. Auffällig, provokativ und skandalös ruft er seinen Propheten auf, dasselbe zu tun, um seine Zuhörer zu schockieren und sie in ihrer Rebellion zu packen, damit sie tiefgehender über die Bedrohung durch das kommende Gericht nachdenken würden.
Skandalöses Evangelium
Hoseas Ehe als prophetischer Symbolakt offenbart, wie weit Gott zu gehen bereit ist, um uns aus unserer sündigen Erstarrung aufzuwecken. Unsere Fragen an diesen Text (und an jeden anderen) müssen davon geleitet sein, dass wir tatsächlich versuchen, ihn zu verstehen bzw. zu begreifen, wie er die große Liebe des Vaters vermittelt. Wir dürfen nicht versuchen, diesen Text zu entschärfen. Der Skandal ist der eigentliche Punkt, und wir müssen ihn seine volle Wirkung entfalten lassen. Gottes grenzenlose Liebe zu den Sündern ist schockierend und schrecklich zugleich, besonders wenn man den sündlosen Erlöser – den menschgewordenen Gott – betrachtet, der nackt an einem römischen Kreuz hängt.
„Sowohl Hoseas Ehe als auch das Kreuz von Golgatha offenbaren die grenzenlose Liebe Gottes in Christus.“
Sowohl Hoseas Ehe als auch das Kreuz von Golgatha offenbaren die grenzenlose Liebe Gottes in Christus. Sie zeigen, wie weit Gott geht, um Rebellen wie uns zu retten. Der Punkt ist nicht missionarisches Dating. Es geht darum, dass du wie eine untreue Frau bist, aber Gott dich trotz deiner Hurerei liebt.
Beleidigt es dich, so benannt zu werden? Nun, unsere Sünde ist tatsächlich so beleidigend für unseren heiligen Gott, der uns für sich selbst geschaffen hat. Doch anstatt uns von Gottes Zurechtweisung unserer Rebellion gegen ihn beleidigen zu lassen, sollten wir von seiner unendlichen Liebe zu uns überwältigt sein. Freuen wir uns an seiner Liebe, die so weit geht, dass er für Sünder stirbt und uns mit dem Wasser seines Wortes wäscht und reinigt, um uns zu heiligen und uns „sich selbst [darzustellen] als eine Gemeinde, die herrlich sei, sodass sie weder Flecken noch Runzeln noch etwas Ähnliches habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei“ (Eph 5,26–27; vgl. Offb 19,6–10).