Hilfe, mein Kind leidet unter Angstzuständen
Ein Gott-zentrierter Ansatz
Nachdem sie schon einige Monate unter Angstzuständen litt, nahm Julia eine Überdosis Schmerzmittel und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Zum Glück handelte es sich nicht um eine tödliche Dosis und Julia wurde am nächsten Tag in eine psychiatrische Einrichtung für Jugendliche überwiesen.
Eine Woche später durfte sie wieder zu ihren immer noch geschockten Eltern zurück nach Hause. Julias versuchter Selbstmord hatte die beiden bis ins Mark erschüttert und Trümmer der Verwirrung, Wut, Angst, Hilflosigkeit und Verzweiflung hinterlassen. Sie hatten in der psychiatrischen Einrichtung mehrere Seminare für Eltern besucht, während Julia sich dort aufhielt, und viele Flyer und Broschüren mitgenommen. Sie wussten jedoch nicht wirklich, wo sie anfangen sollten. Also riefen sie mich an und baten mich, zu ihnen zu kommen. Als sie dann vor mir standen und ihr Blick von mir zu Julia wanderte, konnte ich ihre besorgten Gedanken von ihren Gesichtern ablesen: „Wir wissen nicht, was wir denken sollen. Wir wissen nicht, was wir sagen sollen. Wir wissen nicht, was wir tun sollen.“
„Julia und ihre Eltern brauchten eine Herangehensweise mit Gott im Zentrum, um wirklich langfristig Heilung erleben zu können.“
Ich habe ähnliche Situationen schon oft erlebt. Meistens handelt es sich um gute Eltern und gute Familien. Die Kinder gehen auf gute Schulen und besuchen gute Gemeinden. Dennoch befinden sie sich in schlechten Situationen.
Mit Nachdruck versuchte ich Julia und ihren Eltern Folgendes klarzumachen:
„Wir müssen aufhören, die Antwort bei uns selbst oder bei den anderen zu suchen. Wir müssen sie bei Gott suchen. Er weiß, was zu tun ist.“
Sofort entspannten sie sich alle ein bisschen und ich betete um Gottes Hilfe. Ich begann damit, uns alle neu auszurichten und Gott in den Fokus zu rücken. Nur dann ist Heilung wirklich möglich. Julia und ihre Eltern waren zwar dankbar für alle Gespräche und Anweisungen der Psychologen in den vergangenen Tagen, doch sie brauchten eine Herangehensweise mit Gott im Zentrum, um wirklich langfristig Heilung erleben zu können. Ich habe mir mit ihnen drei Wahrheiten näher angeschaut, die ich in Zeiten wie diesen für Eltern und Jugendliche als besonders hilfreich empfunden habe:
1. Gott versteht Angstzustände
Wenn Angst plötzlich das Leben unserer Kinder bestimmt, finden wir uns plötzlich inmitten Verwirrung, Ratlosigkeit und einer Vielzahl unbeantworteter und nicht beantwortbarer Fragen: Was haben wir falsch gemacht? Warum hat sie uns das angetan? Was werden die Leute denken? Was ist wirklich los mit ihm? Nimmt er Drogen? Was macht Gott? Auch wenn Gott diese Fragen möglicherweise nicht beantwortet, lernen wir durch Gottes Wort zwei wichtige Wahrheiten.
Gott kennt die Faktoren
Es ist wichtig, mit unserer Unwissenheit, Verwirrung, Entmutigung und unseren Fragen zu Gott zu kommen. Warum? Weil nur er alle Faktoren kennt, die mit Julias Leiden zusammenhängen (Ps. 139,13–18). Bei Angst handelt es sich meist um ein unglaublich komplexes Problem, das mehr als eine Ursache hat. Es ist es eine Mischung aus Lebensereignissen und Lebensentscheidungen, von denen wir manche kontrollieren können und andere nicht. Was passierte als erstes, zweites und drittes? Was ist Ursache und was Auswirkung? Nur Gott weiß das.
Wir müssen vor Gott eingestehen, dass nur er wirklich weiß, was vor sich geht, und ihm dafür danken. Und wir müssen ihn darum bitten, uns seine Weisheit zu schenken. Erst dann können wir die physischen, emotionalen, mentalen, geistlichen und sozialen Faktoren besser verstehen, die das Leid im Leben unserer Kinder ausgelöst haben. Je mehr wir darüber Bescheid wissen, desto mehr werden unsere Kinder unser Verständnis für ihre Situation spüren. Und das allein beschleunigt die Heilung schon enorm.
Gott kennt das „Wieso“
Gott versteht nicht nur, welche Faktoren die Angstzustände bei unseren Kindern ausgelöst haben, er weiß auch, warumdies alles passiert (Jer 29,11). Es mag uns momentan willkürlich und sinnlos erscheinen, doch Gott hat diese Dinge mit einer weisen und guten Absicht ins Leben unseres Kindes und in unser Leben gebracht (Röm 8,28).
„Es mag uns momentan willkürlich und sinnlos erscheinen, doch Gott hat diese Dinge mit einer weisen und guten Absicht ins Leben unseres Kindes und in unser Leben gebracht.“
Ich habe schon oft erlebt, wie junge Menschen ihr Leben nach dem Überwinden ihrer Angstzustände von Grund auf verändert haben. Gott nutzt diese schmerzhafte Erfahrungen, um sie zu fürsorglichen, mitfühlenden und belastbaren Erwachsenen zu machen. Aber vielleicht ist Gottes Absicht im Leiden unserer Kinder auch zu unserem Wohl gedacht. Er nutzt solche Zeiten, um uns wieder demütig zu machen. Durch sie beten wir mehr und werden uns unserer Abhängigkeit von ihm neu bewusst. Manchmal rüstet Gott uns durch solche Ereignisse auch dazu aus, anderen in ähnlichen Situationen eine Hilfe zu sein (2Kor 1,3–7).
„Okay“, sagst du jetzt vielleicht, „wenn wir Gottes Wissen über all das anwenden, können auch wir die Faktoren und den Grund für das Leid unserer Kinder besser nachvollziehen. Wir verstehen jetzt, wie hilfreich es ist, wenn wir unserem Kind mehr Verständnis entgegenbringen. Aber das allein gibt uns immer noch keinen Halt. Wir brauchen mehr als nur Gottes Weisheit. Wir brauchen seine Stärke!“ Und genau das bringt uns zur zweiten Wahrheit.
2. Gott gibt uns Halt
Gott versteht unsere Kinder nicht nur und fühlt mit ihnen mit; er unterstützt sie auch, indem er ihnen zuhört und zu ihnen spricht.
Junge Menschen mit Angstzuständen haben oft das Gefühl, dass ihnen niemand zuhört. Dieses Gefühl verschlimmert ihre Angst natürlich. Wir sollten unsere Kinder deshalb ermutigen, im Gebet zu Gott zu sprechen und im Gottesdienst zu Gott zu singen, weil er ihre Gebete hört (Mt 7,11) und sich über ihre Anbetung freut (Mt 21,14–16). Die Tatsache, dass Gott ihnen immer zuhört und sich über ihre Worte freut, soll dazu führen, dass unsere Kinder Gott gegenüber offen und ehrlich sind. Gottes Versprechen, uns zuzuhören, ist eine starke Unterstützung für sie. Doch es gibt noch eine weitere.
„Die Tatsache, dass Gott uns zuhört und zu uns spricht, gibt uns und unseren Kindern Halt.“
Gott spricht durch sein Wort ins Leben unserer Kinder (Ps 34,11–17). Wir sollten sie daher ermutigen, die Bibel im Bewusstsein zu lesen, dass Gott sie direkt anspricht. Auch wenn sie nur ein paar Verse pro Tag lesen, sollten sie sich dies immer vor Augen führen (und wir selbst sollten dasselbe tun). Wir können unseren Kindern dabei helfen, zu Gott zu sprechen und Gott zuzuhören, indem wir ihnen ein Vorbild darin sind.
Die Tatsache, dass Gott uns zuhört und zu uns spricht, gibt uns und unseren Kindern Halt. Dadurch lernen wir, füreinander da zusein, richtig zuzuhören und richtig miteinander zu sprechen. Diese gegenseitige Unterstützung wird uns und unsere Kinder vor einem weiteren Absturz bewahren und uns für die Genesung stabilisieren.
„Genau, was ist mit der Genesung?“, fragst du. „Verständnis und Unterstützung sind hilfreich, aber kann Gott mein Kind wirklich heilen? Kann er es aus diesen Problemen herausholen und ihm wieder Frieden geben?“
3. Gott heilt
Gott hat Mitgefühl mit unseren Kindern, indem er sie versteht. Er unterstützt sie, indem er ihnen Halt gibt. Und schließlich heilt er sie, indem er er ihnen einige Helfer und Hilfsmittel zur Verfügung stellt. Weder das Kind noch die Eltern werden sich alleine von diesem Schlag erholen können. Sie alle müssen Gottes helfende Hand ergreifen. Die Helfer und Hilfsmittel, die Gott für uns bereitgestellt hat, können uns neue Kraft schenken. Hier einige Beispiele:
- Pastoren: Auch wenn es sich bei Angstzuständen hauptsächlich oder teilweise um ein körperliches oder biologisches Problem handelt, ist geistliche Begleitung trotzdem wichtig. Bittet euren Pastor, sich um die geistlichen Bedürfnisse eures Kindes zu kümmern. Pastoren sind in der Lage, die Wahrheit aus Gottes Wort einfließen zu lassen und ihre Herzen im Gebet vor Gott auszuschütten.
- Seelsorger: Ein Pastor kann zwar viel tun, doch ein spezialisierter Seelsorger kann vor allem bei komplizierteren Problemen erforderlich sein. Schließlich hat dieser rund um die Uhr mit Personen mit Angstzuständen zu tun und kann deshalb viel mehr Erfahrung und Fachwissen einfließen lassen, als die meisten Pastoren.
- Ärzte: Das frühzeitige Hinzuziehen eines Arztes ist ebenfalls ratsam, da bestimmte Erkrankungen Ängste auslösen können. Ärzte können als Außenstehende auch ein objektives Urteil darüber abgeben, ob es eurem Kind besser oder schlechter geht.
- Freunde: Obwohl Jugendliche mit Angstzuständen dazu neigen, sich zurückzuziehen, solltet ihr ihre Freunde ermutigen, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Dabei solltet ihr ihnen vorab vermitteln, welche Worte in solch einer Situation hilfreich sind und welche vermieden werden sollten. Gemeinschaft mit den Personen zu haben, denen sie wichtig sind, wirkt sich sehr positiv auf junge Menschen mit Angstzuständen aus.
Gott stellt uns auch viele andere Hilfsmittel zur Verfügung:
- Routine: Gott hat uns so geschaffen, dass Routine uns guttut. Wir blühen regelrecht auf, wenn in unserem Leben Regelmäßigkeit und Rhythmus herrschen. Helft eurem Kind, eine gute Schlaf-, Ess-, Ruhe- und Arbeitsroutine zu entwickeln.
- Ruhe: 7-8 Stunden Schlaf pro Nacht und ein wöchentlicher Ruhetag sind Gottes Geschenke an uns und unsere Kinder (Ps 127,2; Mk 2,27). Lasst uns diese Geschenke aus Gottes liebender Hand annehmen, damit sie uns bei der Heilung unterstützen.
- Sport: Wenn wir uns bewegen, stößt unser Körper Schadstoffe aus und produziert neue, gute Stoffe. Regelmäßige Bewegung schenkt Wohlbefinden und das Gefühl, etwas geleistet zu haben.
- Digitale Ruhezeiten: Unser Gehirn ist anfällig für Überstimulation durch digitale Technologie. Deshalb ist es dringend notwendig, bewusst Pausen und Zeiten des Fastens in diesem Bereich einzulegen. Sie sind unverzichtbar für mentale und emotionale Zufriedenheit.
- Natur: Jesus weist uns auf die Natur hin, um Ängste zu heilen (Mt 6,25–31). Eine auf Gott ausgerichtete Sicht der Welt ist eine kraftvolle Therapie.
Helfen wir unseren Kindern und uns selbst, indem wir die Helfer und Hilfsmittel einsetzen, die Gott uns zur Verfügung stellt. Lasst uns mithilfe von Gottes Verständnis, Unterstützung und Heilung unsere Kinder besser verstehen, sie unterstützen und sie heilen.