Unvollkommen und doch liebenswert

Was uns anspornt, die Gemeinde zu lieben

Artikel von Trillia Newbell
1. Februar 2021 — 6 Min Lesedauer

Ich erinnere mich noch daran, wie ich einmal zu einem älteren Pastor sagte, dass mich niemand in der Gemeinde jemals auf mein geistliches Leben ansprechen würde, solange ich mein Verhalten äußerlich den christlichen Normen anpasste, die in dieser örtlichen Gemeinde allgemein akzeptiert waren. Die anderen Gemeindemitglieder würden – basierend auf dem, was sie sahen – davon ausgehen, dass ich im treuen Gehorsam gegenüber Gott lebte. Diese ungeschriebenen Gesetze, an die sich die Mitglieder der Gemeinde hielten, waren an und für sich nicht schlecht. Sie wurden ab dem Zeitpunkt problematisch, als einige anfingen, das Evangelium zu verdrehen und gewisse Verhaltensweisen mit Gottesfurcht gleichzustellen. Sie gaben Dingen, bei denen es sich um persönliche Überzeugungen handelte, das gleiche Gewicht wie dem Wort Gottes. Es schien nicht mehr wichtig zu sein, was im Herzen vor sich ging, solange man auf eine bestimmte Art und Weise lebte. Sie betrachteten sich automatisch als gottesfürchtig, solange sie diesen ungeschriebenen Gesetzen folgten.

Das war eine schwierige Zeit für mich. Ich rang mit diesem Problem und versuchte zu unterscheiden, wann es sich tatsächlich um Gottesfurcht handelte und wann etwas von Kultur und Gesetzlichkeit motiviert war. Ich hatte ein Problem damit, das Evangelium zu verstehen. Ich hatte ein Problem damit, Gnade zu verstehen. Ich hatte ein Problem damit zu verstehen, was tatsächlich die Wahrheit war und wann es sich nur um menschliche Meinungen handelte. Ich war mir nicht sicher, ob ich jemals wieder Liebe für die Gemeinde würde empfinden können. Ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt noch in irgendeine Gemeinde gehen wollte. Doch es gab etwas – jemanden – Größeres, der mich wieder zu dieser herrlichen und zerbrochenen Gemeinschaft hinzog.

Er liebt die Gemeinde

In Epheser 5,22–33 gibt Gott genaue Anweisungen dazu, wie Ehemänner und Ehefrauen miteinander umgehen sollen. Gleichzeitigt gibt er uns eine wundervolle Beschreibung des Evangeliums und zeigt, wie die christliche Ehe die Beziehung zwischen Christus und seiner Gemeinde widerspiegelt. Paulus schreibt Folgendes:

„Ihr Frauen, ordnet euch euren eigenen Männern unter als dem Herrn; denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch der Christus das Haupt der Gemeinde ist; und er ist der Retter des Leibes. Wie nun die Gemeinde sich dem Christus unterordnet, so auch die Frauen ihren eigenen Männern in allem. Ihr Männer, liebt eure Frauen, gleichwie auch der Christus die Gemeinde geliebt hat und sich selbst für sie hingegeben hat, damit er sie heilige, nachdem er sie gereinigt hat durch das Wasserbad im Wort, damit er sie sich selbst darstelle als eine Gemeinde, die herrlich sei, sodass sie weder Flecken noch Runzeln noch etwas Ähnliches habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei. Ebenso sind die Männer verpflichtet, ihre eigenen Frauen zu lieben wie ihre eigenen Leiber; wer seine Frau liebt, der liebt sich selbst. Denn niemand hat je sein eigenes Fleisch gehasst, sondern er nährt und pflegt es, gleichwie der Herr die Gemeinde. Denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinem Gebein. 'Deshalb wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und die zwei werden ein Fleisch sein'. Dieses Geheimnis ist groß; ich aber deute es auf Christus und auf die Gemeinde. Doch auch ihr – jeder von euch liebe seine Frau so wie sich selbst; die Frau aber erweise dem Mann Ehrfurcht!"
„Für Jesus steht die Gemeinde im Mittelpunkt seiner Liebe.“
 

Oft konzentrieren wir uns hauptsächlich auf die Aussagen im Text, die an Ehefrau und Ehemann gerichtet sind. Doch uns sollte nicht entgehen, wie Gott in diesem Abschnitt das beschreibt, was Jesus durch das Kreuz erreicht hat. In Epheser 5 erhalten wir einen Einblick in die eheliche Liebe, die Jesus zu seiner Braut, der Gemeinde, hat. Die Existenz der Gemeinde ist kein pragmatischer Weg, Christen bis hin zur maximalen Effektivität zu organisieren – es ist viel mehr als das. Für Jesus steht die Gemeinde im Mittelpunkt seiner Liebe. Folgendes lesen wir im Neuen Testament über die Liebe Jesu zur Gemeinde:

  • Christus ist das Haupt der Gemeinde. Er ist der Grund dafür, dass die Gemeinde existiert. Ohne Christus gäbe es keine Gemeinde (vgl. Kol 1,18).
  • Jesus ist der Retter der Gemeinde. Sein Tod ermöglichte es den Menschen, sich Gott zu nähern. Von nun an sind wir Brüder und Schwestern in Christus (vgl. Röm 12,5).
  • Jesus liebte die Gemeinde und gab sich für sie auf (vgl. Röm 5,8). Das ist eine wundervolle Veranschaulichung der Liebe Gottes zu uns.
  • Jesus heiligt und reinigt seine Braut, die Gemeinde (vgl. 1Joh 1,9; Phil 1,6).
  • Jesus tritt für uns ein und wird seine Braut eines Tages ohne Makel präsentieren (vgl. Röm 8,3–4; 1Kor 1,30; 1Joh 3,29).
  • Christus hasst seinen Leib nicht, sondern er sorgt für ihn (vgl. Eph 5,29).

Was uns anspornt, die Gemeinde zu lieben

Wenn du diese Wahrheiten liest und dir bewusst wird, dass sie auch für dich gelten, beginnt dann dein Herz nicht zu singen? Es ist erstaunlich, wie sehr Jesus sein Volk liebt. Und wir dürfen wissen, dass sich diese Wahrheiten nicht nur auf einen auserwählten Einzelnen beziehen, sondern auf die gesamte Gemeinde, alle Menschen, die Jesus als ihren Retter angenommen haben. Wenn Jesus die Gemeinde so sehr liebt, dann besteht kein Zweifel daran, dass auch wir sie lieben sollen. Wenn ich verstehe, was Jesus getan hat, bin ich motiviert und bemühe mich darum, den Leib zu lieben und ihm zu dienen. Gegen Jesus wurde gesündigt, deshalb wird auch gegen uns gesündigt. Der Unterschied ist jedoch, dass Jesus selbst nie gesündigt hat. Wir werden jedoch früher oder später gegen unsere Mitmenschen sündigen und brauchen die Gnade, die Jesus uns schenkt.

„Wenn Jesus die Gemeinde so sehr liebt, dann besteht kein Zweifel daran, dass auch wir sie lieben sollen.“
 

Seit ich Christ geworden bin, war ich bisher nur Mitglied in einigen wenigen Ortsgemeinden. Jede dieser Gemeinden hatte ihre individuellen Freuden und Sorgen. Aber ich weiß, dass ich die Gemeinde brauche und die Gemeinde mich braucht. Wir sind nicht dafür gemacht, unseren Glaubensweg alleine zu beschreiten. Paulus gab uns in 1. Korinther 12,12–26 eine weitere Erklärung dafür, warum die Gemeinde und wir uns gegenseitig brauchen. Die Gemeinde ist ein Leib mit vielen Gliedern, wobei jedes Glied eine wichtige Rolle spielt. Aber wenn wir zulassen, dass Verletzungen und Sünde den Leib beeinträchtigen, dann funktioniert er nicht so, wie er sollte. Aufgrund der Sünde wird die Gemeindefamilie immer hinter den Erwartungen zurückbleiben. Aber durch die Gnade Gottes können wir uns immer lieben. Diese Art von Wachstum ist nur möglich, wenn wir den Blick auf das Kreuz Christi und unseren auferstandenen König richten. Das Opfer Jesu ermöglicht es uns, die unperfekte Gemeinde zu lieben und etwas zu ihr beizutragen, weil wir wissen, dass er eines Tages für seine Braut zurückkommen wird und wir ihn in perfekter Einheit anbeten werden.