Alles ist sinnlos!
Oder wie hat der Autor des Buches Prediger das gemeint?
„Vollkommen sinnlos“, sagt der Prediger, „vollkommen sinnlos! Alles ist sinnlos!“ (Pred 1,2)
So beginnen die Überlegungen von "Kohelet", der oft als Lehrer (Gute Nachricht) oder Prediger (Elberfelder) übersetzt wird, obwohl das hebräische Wort weder das eine noch das andere bedeutet, sondern eher Versammler. Wir werden später darauf eingehen, warum der Name wichtig ist, untersuchen aber zuerst einmal die Bedeutung seiner Schlussfolgerung, dass alles sinnlos ist.
Um das Buch Prediger richtig zu verstehen, müssen wir wissen, dass es in dem Buch zwei Sprecher mit unterschiedlichen Botschaften gibt – nicht nur einen. Im Hauptteil des Buches (1,12–12,7) spricht der Prediger in der ersten Person („ich, Kohelet“), aber seine Worte werden von einem zweiten Sprecher eingerahmt (1,1–11 und 12,8–14), der über den Prediger spricht („er, Kohelet“).
Die Botschaft des Predigers
Einfach ausgedrückt lautet Kohelets Botschaft: „Das Leben ist hart und dann stirbst du.“ Er hat versucht, den Sinn des Lebens in Weisheit, Vergnügen, Arbeit, Reichtum, Status und Beziehungen zu finden und ist gescheitert. Drei Faktoren machen das Leben sinnlos.
- Erstens macht der Tod das Leben sinnlos. Der Prediger hat keine Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Man wird alt und stirbt. In der Feststellung, dass „der Staub wieder zur Erde zurückkehrt, wie er gewesen ist, und der Geist zurückkehrt zu Gott, der ihn gegeben hat“ (12,7), sehen wir eine Umkehrung der Erschaffung Adams von Gott (Gen 2,7). So mag die Weisheit einen begrenzten Wert gegenüber der Torheit haben, aber der Tod macht selbst die Weisheit bedeutungslos (Pred 2,12–17).
- Zweitens macht Ungerechtigkeit das Leben sinnlos. Wenn es kein Leben nach dem Tod gibt, dann könnte der Sinn für den gottesfürchtigen, weisen und rechtschaffenen Menschen vielleicht darin liegen, dass dieser in diesem Leben belohnt wird. Die Erfahrung des Autors zeigt jedoch, dass das Leben so nicht funktioniert. Er hat gesehen, wie „ein Gerechter […] umkommt in seiner Gerechtigkeit, und dort ist ein Gottloser, der lange lebt in seiner Bosheit“ (7,15).
- Drittens macht die Unfähigkeit der Menschheit, die richtige Zeit zu erkennen, das Leben sinnlos. Das bekannte Gedicht in Prediger 3,1ff beschreibt es so: „Alles hat seine bestimmte Stunde, und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Zeit.“ In der Tat hängt das Streben nach Weisheit in der Bibel von der Fähigkeit ab, die richtige Zeit für das richtige Wort und die richtige Tat zu erkennen. Aber, so der Prediger, auch wenn Gott „alles vortrefflich gemacht [hat] zu seiner Zeit […], [kann] der Mensch das Werk, das Gott getan hat, nicht von Anfang bis zu Ende ergründen“ (3,11).
Aus diesen Gründen hat das Leben keinen Sinn. Das Beste, was man in dieser misslichen Lage tun kann, ist carpe diem (Lat. für dt. „Genieße den Tag“). Nimm dir so viele Lebensfreuden, wie du kannst! Von den sechs Stellen, in denen der Autor seine Zuhörer zum carpe diem auffordert (2,24–26; 3,12–14, 22; 5,18–20; 8,15; 9,7–10), ist 5,18–20 am aufschlussreichsten: Der Prediger sagt, dass derjenige, der in der Lage ist, dem carpe diem-Prinzip zu folgen, „nicht viel an [die Kürze] seiner Lebenstage [denkt], weil Gott ihm die Freude seines Herzens gewährt.“ Mit anderen Worten: Diejenigen, die carpe diem betreiben, können sich zumindest kurzzeitig von der harten Realität ablenken, dass das Leben schwierig ist und mit dem Tod endet.
Ist Kohelet Salomo?
Die Botschaft des Predigers ist in der Tat traurig, aber seine Botschaft ist nicht die des Buches, genauso wenig wie die Botschaft von Hiobs drei Freunden die des Buches Hiob ist. Doch bevor wir zur Botschaft des Rahmenerzählers kommen, müssen wir über die Bedeutung des Namens Kohelet nachdenken.
„Die Botschaft des Predigers ist in der Tat traurig, aber seine Botschaft ist nicht die des Buches, genauso wenig wie die Botschaft von Hiobs drei Freunden die des Buches Hiob ist.“
Kohelet kann – wie oben erwähnt – am besten mit „Versammler“ übersetzt werden. Es ist kein Eigenname, sondern ein Spitzname und dient dazu, den Prediger mit Salomo zu assoziieren. Ich sage „assoziieren“ und nicht „identifizieren“, da es unwahrscheinlich ist, dass er tatsächlich Salomo ist, wie zahlreiche Auslegern seit Luther schon festgestellt haben (einschließlich Moses Stuart, Franz Delitzsch und E. J. Young, neben vielen anderen). Heute denken nur sehr wenige Bibelausleger – einschließlich evangelikaler Ausleger –, dass der Prediger tatsächlich Salomo ist. Denn wenn er Salomo ist, warum benutzt er dann einen Spitznamen wie Kohelet? Und warum gibt es so viele Stellen, in denen er vom König in dritter Person spricht (1,16a; 4,1–3; 5,8–9; 10,20)?
Warum also macht man sich überhaupt die Mühe, den Prediger im ersten Teil des Buches, wo er nach Lebenssinn in Weisheit, Reichtum, Arbeit, Status und Vergnügen sucht, mit Salomo in Verbindung zu bringen? Nun, die Leser des Buches werden sich an die Geschichte von König Salomo als dem König, der alles hatte, erinnern: Er hatte mehr Weisheit als jeder andere, mehr Reichtum, mehr Vergnügen und hunderte Frauen und Nebenfrauen. Er war – modern und etwas salopp ausgedrückt – Bill Gates, Oprah Winfrey und Hugh Hefner in einer Person. Aber all der Reichtum, die Weisheit und das Vergnügen waren nicht genug für Salomo, der sein Leben als trauriger Abtrünniger beendete. Die Botschaft für den Leser von Prediger ist also eine Warnung, nicht mit der Illusion zu leben, dass ich mit dem Leben zufrieden wäre, „hätte ich nur mehr Geld, Weisheit oder Vergnügen.“
Mehr als das Leben unter der Sonne
Was ist nun die Botschaft des zweiten weisen Mannes? Zunächst einmal gibt es einen Grund, warum er seinen Sohn dem Denken des Predigers aussetzt. Immerhin schrieb dieser „gefällige Worte […] und die Worte der Wahrheit“ (12,10). Aber er warnt seinen Sohn auch, dass solches Denken nicht nur lehrreich, sondern auch schmerzhaft ist („wie Treiberstacheln […] wie eingeschlagene Nägel“, 12,11) und dass er nicht von solchen Denkern besessen werden sollte („Und darüber hinaus, lass dich warnen, mein Sohn! Des vielen Büchermachens ist kein Ende, und viel Studieren ermüdet den Leib“, 12,12).
„Salomo war – modern und etwas salopp ausgedrückt – Bill Gates, Oprah Winfrey und Hugh Hefner in einer Person.“
Der zweite weise Mann lobt den Prediger als ein Beispiel für ehrliches Nachdenken über das Leben „unter der Sonne“. Im Wesentlichen sagt er: „Sohn, der Prediger hat zu 100 Prozent Recht: Unter der Sonne ist das Leben schwierig und dann stirbt man.“
Der zweite Weise fährt jedoch fort, seinen Sohn zu einer Perspektive zu ermutigen, die wir als „über der Sonne“ bezeichnen könnten: „Fürchte Gott und halte seine Gebote; denn das macht den ganzen Menschen aus. Denn Gott wird jedes Werk vor ein Gericht bringen, samt allem Verborgenen, es sei gut oder böse“ (12,13–14).
Die Quintessenz von Kohelet ist kurz, aber gewichtig. Der zweite weise Mann fordert seinen Sohn dazu auf, eine rechte Beziehung zu Gott aufzubauen („Fürchte Gott“) und diese Beziehung aufrechtzuerhalten, indem er seine Gebote befolgt und sein Leben im Licht des zukünftigen Gerichts lebt. Man könnte fast sagen, dass er in eineinhalb Versen über Rechtfertigung, Heiligung und Eschatologie spricht.
„Stelle Gott an die erste Stelle und dann kann alles andere seinen richtigen Platz finden.“
Ich vermute auch, dass diese letzten beiden Verse, die gegen Ende der alttestamentlichen Zeitperiode geschrieben wurden, auf den dreiteiligen hebräischen Kanon anspielen: „Fürchte Gott“ (die Schriften), „befolge die Gebote“ (Tora) und das zukünftige Gericht (Propheten). So sagt der Vater seinem Sohn (und den späteren Lesern), er soll nicht versuchen, Sinn unter der Sonne zu finden, sondern nur in Gott. Stelle Gott an die erste Stelle und dann kann alles andere seinen richtigen Platz finden.
Der Prediger im Lichte Christi
Als letzten Kommentar zur Botschaft des Predigers wenden wir uns der einzigen Stelle im Neuen Testament zu, die auf das Buch anspielt:
Denn ich bin überzeugt, dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll. Denn die gespannte Erwartung der Schöpfung seht die Offenbarung der Söhne Gottes herbei. Die Schöpfung ist nämlich der Vergänglichkeit unterworfen, nicht freiwillig, sondern durch den, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung hin. (Röm 8,18–20)
Das Wort mataiotes (Vergänglichkeit) ist das griechische Wort, das in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments verwendet wird, um das hebräische Wort hebel (sinnlos) im Buch Prediger zu übersetzen. Paulus weist durch den Gebrauch des göttlichen Passivs darauf hin, dass Gott die Schöpfung der Vergänglichkeit unterwarf (eine offensichtliche Anspielung auf den Sündenfall). Als Kohelet also versuchte, „unter der Sonne“ – d.h. in einer gefallenen Welt – Sinn zu finden, war er zum Scheitern verurteilt.
„Jesus erlitt den Tod, also das, was das Leben des Predigers so sinnlos machte, um uns vom Stachel des Todes zu befreien.“
Dabei bleibt Paulus jedoch nicht stehen. Er fährt fort und spricht darüber, dass die Schöpfung der Vergänglichkeit unterworfen wurde, „auf Hoffnung hin, dass auch die Schöpfung selbst befreit werden soll von der Knechtschaft der Sterblichkeit zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8,20–21).
Der Apostel spricht hier vom Evangelium. Jesus hat sich der gefallenen Welt unterworfen (Gal 3,13; Phil 2,6–11), um uns vom Fluch des Sündenfalls zu befreien. Er erlitt sogar den Tod, also das, was das Leben des Predigers so sinnlos machte, um uns vom Stachel des Todes zu befreien. Das Lesen des Predigers im Licht des Neuen Testaments weist uns auf Jesus hin, in dem unser Leben wahren Sinn findet.