
Engaging with Mormons
Viele Christen sind nicht sicher, wie sie mit Mormonen umgehen sollten: Man hat man vielleicht sogar mit einigen von ihnen schon gebetet, außerdem führen sie in den meisten Fällen ein sehr vorbildliches ethisches Leben. Auch wenn die Mormonen spezielle Dinge glauben, so sind sie doch irgendwie mit Jesus verbunden... Corey Millers kleines Büchlein nimmt genau an dieser Stelle seinen Ausgangspunkt. Es möchte aufzeigen, dass Mormonen das Evangelium genauso nötig haben wie jeder andere Mensch auch und wie dieses im persönlichen Gespräch vermittelt werden kann.
Die Welt der Mormonen verstehen
In acht kurzen, aber doch informativen Kapiteln nimmt Miller den christlichen Leser mit in eine Welt, die ihm zuerst bekannt, dann jedoch immer fremder erscheint. Schon bald wird deutlich, dass sich der Glaube der Mormonen sehr wohl fundamental vom christlichen Glauben unterscheidet.
Miller beginnt zunächst mit einer Beschreibung der Kultur und dem grundlegenden Wertekompass der Mormonen, wobei er auch die Geschichte und die normierenden Schriften nicht außer Acht lässt. Für das evangelistische Gespräch ist unter anderem die hohe Bedeutung der Familie für die Mormonen von zentraler Bedeutung, wie auch das „persönliche Zeugnis", durch das ein Mormone eine ganz subjektive Glaubenserfahrung zu erlangen sucht. Diesem persönlichen Zeugnis der Mormonen und wie Christen diesem mit ihrem eigenen Glaubenszeugnis und dem Zeugnis der Bibel begegnen können, widmet Miller ein eigenes Kapitel.
Danach beschreibt Miller in vier Kapiteln ausgewählte Punkte der Lehre der Mormonen, unter anderem über die Erlösung, über Gott und über Jesus Christus. Ausgehend von Gemeinsamkeiten kommt er vor allem auf gewichtige Unterschiede zur christlichen Lehre zu sprechen. So glauben Mormonen etwa, dass jede Person schon immer existiert und sich in seiner Existenz vom Menschlichen hin zum Göttlichen bewegt. Im Hinblick auf Jesus haben Mormonen daher keinerlei Probleme, ihn gleichzeitig als Mensch und als Gott zu erfassen. Im Gegensatz zum christlichen Glauben unterscheiden sie jedoch die zwei Naturen Jesu nicht, sondern vermischen diese; letztendlich wird Jesus so seiner Einzigartigkeit beraubt.
Jesus ist für Mormonen nicht anbetungswürdig, sondern einfach ein Mensch, der uns ein paar Schritte voraus ist.
Das Evangelium mitteilen
Auch im Verständnis des reformatorischen Prinzips Sola Gratia (Errettung allein aus Gnaden) bestehen fundamentale Unterschiede. Ein Mormone würde diese Lehre bejahen, wenn man ihn danach fragen würde. Doch Miller untersucht die Lehraussagen der Mormonen an diesem Punkt genauer und zeigt eindrücklich auf, dass eine echte Vergebung der Sünden an einer umfänglichen und vollständigen Busse hängt, die sich nicht zuletzt in einem ethisch perfekten Lebenswandel zeigen muss. Damit hängt die Errettung schlussendlich doch von der eigenen Leistung ab. Miller zitiert eine Frau, der diese Last zu schwer wurde: „I know the gospel is true, I just can’t live up to it." (S. 64; Ich weiß, dass das Evangelium wahr ist, ich kann nur nicht dementsprechend leben.)
Dieser Sachverhalt zeigt auf, wie wichtig es ist, die vermeintlich bekannten Begriffe im Gespräch mit Mormonen gemeinsam zu definieren und so das jeweilige Verständnis zu klären.
Im letzten Kapitel gibt Miller noch einige ganz praktische Hinweise, wie man durch Einladungen zum Essen und gutes Zuhören einen Zugang zu ihren Herzen bahnen kann.
Fazit
Miller ist selbst als Mormone aufgewachsen und kennt dadurch den Glauben der Mormonen und ihre Heiligen Schriften sehr genau und versorgt den Leser mit aussagekräftigen und prägnanten Originalzitaten. Zudem hilft die Auseinandersetzung mit einem Glauben, der oberflächlich betrachtet viele Gemeinsamkeiten mit dem christlichen Glauben hat, die eigenen Glaubensüberzeugungen präziser zu erfassen und zu formulieren.
Buch
Corey Miller, Engaging with Mormons. Understandig their world, sharing good news, The Good Book Company, 2020 ,125 Seiten, 13,00 EUR.