Advent? Advent!

Sieben Gründe, Advent zu feiern

Artikel von Ryan Shelton
12. Dezember 2020 — 7 Min Lesedauer

Ich bin in einer Gemeinde groß geworden, in der der Advent nicht gefeiert wurde. Ehe die letzten Reste des Thanksgiving-Festmahls den Kühlschrank verließen, waren wir bereits voll im Weihnachtsrausch.

Erst als ich in den Zwanzigern war, wurde mir die Adventstradition nahegebracht. Ehrlich gesagt hatte diese zu Beginn nicht gerade eine große Anziehungskraft auf mich. Worin genau lag der Wert einer Zeit des Wartens und Erwartens? Eine Adventszeit scheint der festlichen Glitzeratmosphäre der Einkaufszentren widersprüchlich fremd zu sein.

„Obwohl der Advent in der Heiligen Schrift nirgends als zwingender Brauch vorgeschrieben wird, gibt es gute Gründe den Advent zu einem festen Bestandteil der Weihnachtszeit zu machen.“
 

Dennoch ist mir der Advent ans Herz gewachsen. Und obwohl der Advent in der Heiligen Schrift nirgends als zwingender Brauch vorgeschrieben wird, gibt es gute Gründe den Advent zu einem festen Bestandteil der Weihnachtszeit zu machen. Hier sind sieben mögliche Vorteile, warum es sich lohnt den Advent zu feiern.

1. Advent! – es geht nicht um mich

Die Adventszeit bietet die großartige Möglichkeit unsere Perspektive auf Gottes großen Plan für die Menschheitsgeschichte aufzufrischen. Dieser geht weit über die Grenzen der Familie hinaus. Mit der Bescherung im Mittelpunkt lenkt die Sentimentalität der heutigen Weihnachtskultur unsere Gedanken gänzlich auf unseren eigenen kleinen Freundes- und Familienkreis. Mitten in einer Jahreszeit, die unseren Blickwinkel schrumpfen lassen könnte, erinnert uns der Advent daran, die Kamera wieder nach außen zu schwenken, um Gottes Absichten für die Geschichte zu erkennen.

„Die Erwartungshaltung in der Adventszeit lenkt unsere Blicke wieder auf eine größere Geschichte.“
 

Bereits vor Grundlegung der Welt schrieb Gott „das Buch des Lebens des Lammes, das geschlachtet worden ist“ (Offb 13,8). Eine Geschichte, die in der Hochzeit des Lammes mit seiner Braut gipfelt (Offb 19,7). Welch ein Wunder, dass wir auf spektakuläre Weise in diesen großartigen Plan einbezogen sind. Dennoch sind wir persönlich nicht die Hauptpersonen dieser Geschichte.

Die Erwartungshaltung in der Adventszeit lenkt unsere Blicke wieder auf eine größere Geschichte; weitaus größer als unsere eigenen sentimentalen Neigungen der Weihnachtstage.

2. Advent! – das Warten der Heiligen

Es ist gar nicht lange her, da war eine Lieferzeit von zwei Tagen noch Luxus. Heute liegt unser Einkauf in weniger als 24 Stunden vor der Haustür. Gibt es bei modernen Menschen überhaupt noch so etwas wie Sehnsucht, Schmacht oder Warten?

Der Advent eröffnet uns die Möglichkeit, uns das lang erwartete Kommen des Messias vorzustellen, der schon Jahrtausende vor seiner Ankunft in Bethlehem angekündigt wurde (Joh 8,56; Hebr 11,13). In der Heiligen Schrift lesen wir von vielen Heiligen, die Verheißungen von Gott empfingen. Verheißungen, die das Verlangen auf den kommenden Messias noch stärker machten.

Mit dem Hineinversetzen in diese Erwartungshaltung beginnen wir Jesus besser zu verstehen. Er zeigte den Jüngern die Erfüllungen der Prophezeiungen nicht als Einzelfälle, sondern als in der gesamten Schrift vorhergesagt (Lk 24,7.44). Die Seiten der hebräischen Bibel von 1. Mose bis zum Buch der Chronik rascheln nur so von Jesus, wenn man sie mit dieser Sehnsuchtshaltung liest.

3. Advent! – alte Kirchentraditionen

Im Unterschied zur Bibel ist die Kirchentradition nicht unsere letzte Autorität. Dennoch sind wir nicht die erste Generation, die versucht, treu nach Gottes Wort zu leben. Es wäre naiv, eine Praxis einfach zu missachten, die für so viele Bürger des Reiches Gottes fruchtbar war.

Stattdessen sollten wir unserer Vorgänger gedenken und das Ende ihres Wandels anschauen (Hebr 13,7). Die Adventszeit zu feiern ist eine solche Gelegenheit, den Glauben vieler treuer Vorbilder nachzuahmen. Den sogenannten „historischen Snobismus“, wie ihn C.S. Lewis beschreibt, vermeiden wir, indem wir eben zulassen, dass die Stimmen erfahrener Heiliger als Weisheit in unsere Lebenssituation sprechen können.

4. Advent! – Ruhe inmitten von Hektik

Besonders im Westen gleichen die Weihnachtsfeiertage einem Wahnsinn. Der „Black Friday“ begnügt sich nicht mit 24 Stunden, auch wenn immer wieder davon berichtet wird, wie Kunden buchstäblich den Einzelhandel stürmen. Studenten sind bis zuletzt damit beschäftigt, für ihre Abschlussprüfungen zu lernen. Eltern sind damit beschäftigt, Geschenke einzukaufen, Familien sind damit beschäftigt, zu Verwandten zu reisen – sogar der Terminkalender für soziale Treffen wird im Dezember ungemütlich voll.

Der Advent bietet Gelegenheit, das Tempo zu verlangsamen oder gar ganz zum Stillstand zu bringen. Erinnere dich an die Vorsehung Gottes. Er hat seine Verheißung eingelöst „als aber die Zeit erfüllt war“ (Gal. 4,4). Ob nun durch tägliche Lesungen, das Anzünden der Adventskerzen oder weitere Adventtraditionen, wir beschließen gerade zu einer Zeit zum Nachdenken und zur Stille innezuhalten, die sonst das Nachdenken völlig ertränken würde.

5. Advent! – Geduld lernen

Die Geduld ist eine Frucht des Geistes (Gal 5,22). Und obwohl es sein Werk ist, können wir nach Mitteln suchen, mit denen der Geist Gottes in unseren Herzen Geduld kultivieren kann.

Achten wir den Advent, kann Gott Geduld in unseren Herzen wachsen lassen, indem er uns zeigt, dass er langmütig ist und nicht langsam (2 Petr 3,9). Erinnern wir uns an die Sehnsucht nach dem ersten Kommen Christi, so sehen wir Gottes Barmherzigkeit. So ist er eben nicht vorschnell mit der Vernichtung seiner Feinde, um den Triumph seines Königreiches zu zeigen, so herrlich das auch sein wird.

Jeder Augenblick langmütiger Geduld Gottes ist eine weitere Möglichkeit zur Buße derjenigen, die sonst bei seinem endgültigen Kommen zerstört würden (Röm 2,4). Während der Adventszeit gedenken wir der Geduld Christi. Und durch das Gedenken werden wir durch Gottes Geist mehr in sein Ebenbild verwandelt (2 Kor 3,18).

6. Advent! – das seltene Juwel der Unzufriedenheit

Der puritanische Autor Jeremiah Burroughs schrieb das Buch Die besondere Kostbarkeit der christlichen Zufriedenheit.Und in der Tat lohnt es sich, dieses seltene Juwel zu kultivieren, vor allem im Hinblick auf die Massenverschwörung der Werbung, die nur darauf ausgelegt ist, uns die Zufriedenheit zu rauben. Aber nicht alle Unzufriedenheit muss gemieden werden.

Dort wo christliche Zufriedenheit im großen Meer unzufriedener Menschen selten ist, kann ausgeprägt christlicheUnzufriedenheit noch seltener sein. Wie sonst können wir, die wir die „Erstlingsgabe des Geistes” haben, innerlich seufzen (Röm 8,23)? Oder wie erklären wir das Rufen der Märtyrer mit lauter Stimme, „Wie lange, o Herr“ (Offb 6,10)? Wir brauchen nicht lange zu suchen, um gute Gründe zu finden, in rechtschaffener Unzufriedenheit mit der von Sünde zerrütteten Welt heilige Klagelieder anzustimmen.

Der Advent gestaltet in einzigartiger Weise so etwas im christlichen Kalender, denn während wir ähnlicher Rufe für das Erste Kommen Christi gedenken, stimmen wir den Refrain für das zweite Kommen an.

7. Advent! – Zuversicht auf seine Verheißungen

Schließlich kann das bewusste Feiern des Advents uns zielgerichtet zu dem glorreichen zweiten Kommen unserer Königs Jesus hinführen.

Während wir daran denken, wie Gott in den vergangenen Verheißungen treu gewesen ist, werden wir der noch offenen Verheißungen vergewissert. So sagt uns Jesus, dass er bald kommen wird (Offb 22,12). Unsere Vorstellung von „bald“ mag eine andere sein als die unseres Herrn, aber der Heilige Geist stärkt unseren Glauben durch die Erinnerung an die Treue Gottes an den Heiligen vergangener Zeiten. Zuversicht in das zweite Kommen Christi inspiriert Mission (Mt 24,14), ermöglicht christliche Gemeinschaft und gegenseitige Ermutigung (Hebr 10,25) und rüstet uns für freudiges Leiden aus (Hebr 10,34).

Wenn du also so wie ich nicht mit einer Tradition für die Adventszeit in Familie oder Gemeinde aufgewachsen bist, überlege, welchen Nutzen diese Zeit für dein Leben als Christ hat und schließe dich den Vielen an, die großen Nutzen darin gefunden haben, sich im Advent gezielt auf das große Weihnachtsfest vorzubereiten. Lass uns mit vielen Generationen von Heiligen in der Vergangenheit und der Gegenwart in den Refrain einstimmen, „Oh komm, oh komm, Emmanuel“.