10 Dinge, die du über das Buch Hiob wissen solltest

Artikel von Andreas Münch
9. Dezember 2020 — 8 Min Lesedauer

Das alttestamentliche Buch Hiob wird auch außerhalb christlicher Kreise als literarisches Meisterwerk angesehen; die „Hiobsbotschaft“ ist sogar sprichwörtlich geworden. Dabei ist die eigentliche Botschaft des Buches alles andere als negativ. Hier sind zehn Dinge, die du über Hiob wissen solltest:

1. Hiob - der von Gott „Angefeindete“

Der Name des Buches geht auf die Hauptperson zurück: „Es war ein Mann im Lande Uz, sein Name war Hiob“ (Hiob 1,1). Im Hebräischen klingt der Name „Hiob“ auch an ’ojev („Feind“) an; somit ist der Name Hiob Programm, entweder im Sinne, dass er der „Feind Gottes“ oder der von Gott „Angefeindete“ ist (vgl. Hiob 13,24 und 33,10) – wobei eher Letzteres dem Buch gerecht wird. Denn Hiob wird als der gottesfürchtigste Mensch überhaupt bezeichnet: „Und dieser Mann war rechtschaffen und redlich und gottesfürchtig und mied das Böse“ (Hiob 1,1).

2. Zeitliche Verortung des Buches

Das Buch Hiob lässt sich geschichtlich und historisch nicht exakt lokalisieren. So ist bis heute die geografische Lage des Landes Uz ungewiss. Die wenigen Angaben, die im Text über die Zeit, in der Hiob lebte, gemacht werden, deuten am ehesten in die Patriarchenzeit. Dafür spricht das hohe Alter Hiobs von 140 Jahren (vgl. Hiob 42,16), der Umstand, dass sein Vermögen anhand seiner Herden gemessen wird (vgl. Hiob 1,3) und die Tatsache, dass er als Hauspriester stellvertretend für seine Kinder opferte (vgl. Hiob 1,5). Doch obwohl jegliche Bezüge zum Volk Israel fehlen (wie etwa das mosaische Gesetz, das levitische Priestertum etc.), kommt Jahwe (der HERR), der Bundesname Gottes, im Buch Hiob mehrfach vor. Somit verdeutlicht der Autor die innige Beziehung, die Hiob zu Gott hatte, und gründet darauf das sich entfaltende Drama, das von Hiob und seinen drei Freunden diskutiert wird: Warum muss der Fromme leiden?

3. Hiob - eine historische Person?

Aufgrund der vagen Beschreibungen (vgl. Punkt 2) und des poetischen Charakters des Buches, haben bereits die Rabbinen im babylonischen Talmud darüber diskutiert, ob Hiob eine historische Person war oder lediglich als Symbolfigur für den frommen Leidenden diente. Das Alte Testament erwähnt Hiob noch in Hesekiel 14,14, gemeinsam mit Noah und Daniel, die zweifellos als historische Personen angesehen werden. Im Neuen Testament wird Hiob noch in Jakobus 5,11 erwähnt und ebenfalls als eine historische Person angesehen. Vermutlich hat ein uns unbekannter, weitgereister und hochbegabter Israelit, die historisch wahre Geschichte Hiobs als Grundlage genommen, um daraus unter der Leitung des Heiligen Geistes ein literarisches Meisterwerk zu schaffen, das Gläubige zu allen Zeiten im Leid getröstet hat.

4. Der „Tun-Ergehen-Zusammenhang“ bei Hiob

Das Buch Hiob ist Bestandteil der biblischen Weisheitsliteratur, deren Hauptinteresse ein Leben in der Gottesfurcht ist. In diesem Kontext spricht man von dem sogenannten „Tun-Ergehen-Zusammenhang“. Dahinter steckt die Annahme, dass ein gottesfürchtiges Leben automatisch Segen und ein gottloses Leben Fluch zur Folge hat. Das alttestamentliche Buch der Sprüche steht dem „Tun-Ergehen-Zusammenhang“ eher positiv gegenüber, während das Buch Prediger eher einen neutralen Standpunkt einnimmt. Das Buch Hiob präsentiert uns eine eher negative Sicht des Tun-Ergehen-Zusammenhangs. Denn trotz seiner Gottesfurcht, muss Hiob unsägliches Leid erfahren, das weder er selbst, noch seine drei Freunde zufriedenstellend erklären können.

5. Die Rolle Satans

Das Buch Hiob verneint klar ein dualistisches Weltbild, nach dem Gott und Satan ebenbürtige Gegner wären. Im Prolog (vgl. Hiob 1,1–2,10) sehen wir, wie Satan behauptet, der Mensch würde Gott nur dann dienen und ehren, solange Gott ihn segnet. Um es mit Satans Worten zu sagen: „Strecke jedoch nur einmal deine Hand aus und taste alles an, was er hat, ob er dir nicht ins Angesicht flucht!“ (Hiob 1,11) Gott, der es darauf ankommen lässt, gestattet daraufhin Satan, Hiobs Besitz und Gesundheit anzugreifen, verbietet ihm jedoch, ihn zu töten. Am Ende des Buches ist Satan widerlegt. Hiob hat zwar mit Gott gehadert, aber sich nicht von Ihm losgesagt. Hiob zeigt, dass die Gerechten Gott um seiner selbst willen lieben und nicht nur seiner Gaben wegen. Dass Satan nach dem Prolog im gesamten Buch nicht weiter erwähnt wird, geschieht nicht zufällig. Vielmehr verdeutlicht der Autor dadurch, welche Rolle Satan im großen Plan Gottes spielt: eine untergeordnete!

6. Die Frage nach dem Leid

„Der Mensch ist einfach nicht in der Lage, mit Gott auf Augenhöhe zu diskutieren. Doch darüber soll er nicht verzweifeln, sondern er darf Frieden in der Souveränität Gottes finden.“
 

Entgegen der häufigen Meinung gibt das Buch Hiob keine Antwort auf die sogenannte Theodizee-Frage (der Frage nach der Gerechtigkeit Gottes, angesichts all des Leides in der Welt). Zwar ringen Hiob und seine Freunde über 35 Kapitel mit der Frage, warum der Gottesfürchtige leidet und wie das mit Gottes Gerechtigkeit in Einklang zu bringen ist, doch am Ende fällt die Antwort Gottes ganz anders aus, als man zunächst erwarten würde. Gott betont, dass er als der souveräne Schöpfer der Welt, die Freiheit und das Recht hat, sie zu regieren, wie er es für richtig hält. Gott muss dem Menschen keine Rechenschaft über sein Tun ablegen (so erwähnt Gott vor Hiob auch nicht die „Wette“ mit Satan als die ursprüngliche Ausgangssituation). In seiner ersten großen Rede (vgl. Hiob 38-39) verdeutlicht Gott, dass er der Herr über die unbelebte und belebte Natur ist und sie nach seiner Weisheit ordnet und erhält. In seiner zweiten großen Rede (vgl. Hiob 40-41) erklärt Gott, dass er auch der Herr über das Böse in dieser Welt ist – veranschaulicht durch den Behemot und Leviathan – und dass alles seinen Zwecken dienen muss. Der Mensch ist einfach nicht in der Lage, mit Gott auf Augenhöhe zu diskutieren. Doch darüber soll er nicht verzweifeln, sondern er darf Frieden in der Souveränität Gottes finden.

7. Menschliches Leid - oftmals ein Geheimnis

Das Buch Hiob lehrt uns somit, dass menschliches Leid oftmals ein Geheimnis ist und bleibt. So wie Hiob keine Ahnung von der Anfangsszene im Himmel hatte, so können wir oftmals vieles, was in dieser Welt passiert, nicht ergründen. Daher sollten wir uns auch davor hüten, leidende Mitmenschen mit vorschnellen Antworten zu trösten, so wie Hiobs Freunde es taten. Sie sagten zwar manche durchaus wahren Dinge über Gott, lagen aber mit ihrer Einschätzung der Situation völlig daneben (vgl. Hiob 42,7).

8. Hiobs Ringen mit Gott

Das Buch Hiob zeigt uns, wie Gläubige auf Leid reagieren sollen. Der Gläubige erträgt sein Leid nicht stoisch und fügt sich nicht einfach seinem Schicksal; auch leugnet er nicht die Schwere seiner Situation oder gibt sich optimistisch. Vielmehr ringt er mit Gott. Dass dieses Ringen durch geistliche Tiefen und Höhen führt, wird ebenfalls an Hiob ersichtlich: Zu Beginn seiner Rede verflucht er den Tag seiner Geburt (vgl. Hiob 3,1-3); er hadert mit Gott, bis er in Hiob 9,21-24 seinen Tiefpunkt erreicht und Gott der Ungerechtigkeit bezichtigt; in Hiob 14,13-17 wird der Ton wieder hoffnungsvoller, bis er in Hiob 19,25-27 zuversichtlich bekennt: „Doch ich weiß: Mein Erlöser lebt; und als der Letzte wird er über dem Staub stehen. Und nachdem man meine Haut so zerschunden hat, werde ich doch aus meinem Fleisch Gott schauen. Ja, ich werde ihn für mich sehen, und meine Augen werden ihn sehen, aber nicht als Fremden.“ Damit waren für Hiob bei weitem noch nicht alle Fragen geklärt, aber sein grundlegender Zweifel war überwunden.

9. In der Hand eines barmherzigen Gottes

Die Rechtfertigung Hiobs nach bestandener Prüfung zeigt uns, dass Gott nicht nur souverän, sondern auch barmherzig ist. Das ist auch die Lehre, die der Apostel Jakobus im Neuen Testament aus dem Buch Hiob zieht, wenn er schreibt: „Siehe, wir preisen die glückselig, die ausgeharrt haben. Vom Ausharren Hiobs habt ihr gehört, und das Ende des Herrn habt ihr gesehen, dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist“ (Jak 5,11). Wäre Gott nur souverän, würde das in Bezug auf uns als Leidende nur bedeuten, dass wir in der Hand Gottes liegen. Weil wir aber wissen, dass Gott in der Ausübung seiner Souveränität barmherzig und liebevoll seinen Kindern gegenüber handelt, können wir uns im Leid getrost auf ihn verlassen.

10. Hoffnung durch Jesu Leiden

„Weil wir aber wissen, dass Gott in der Ausübung seiner Souveränität barmherzig und liebevoll seinen Kindern gegenüber handelt, können wir uns im Leid getrost auf ihn verlassen.“
 

Auch der Tod und die Auferstehung Jesu haben die Frage nach dem Leid nicht vollkommen beseitigt. Doch das Kommen Jesu in diese Welt stellt die Hoffnung Hiobs aus Kapitel 19 auf ein solides Fundament. Hiobs Ausharren im Leid mag uns ein Vorbild sein, wie wir selbst mit Leid umgehen sollten. Doch Jesu Ausharren im Leid beinhaltet mehr als nur den Vorbildcharakter. Denn Jesus erwarb uns durch sein Leid eine tatsächliche Erlösung; er kam, um die Werke des Teufels zu zerstören und um uns ein Leben in der Gegenwart Gottes zu sichern, wo „der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein“ (Offb 21,4).