11 Filme, die Themen des Galaterbriefes aufgreifen

Artikel von Thomas P. Dixon  und Kenneth R. Morefield
24. November 2020 — 13 Min Lesedauer

Der Brief von Paulus an die Galater ist einer seiner berühmtesten und umstrittensten. Forscher sind sich uneinig darüber, wann er verfasst wurde, wohin er geschickt wurde und wie die Behauptung, Menschen würden durch Glauben und nicht durch Gesetzeswerke gerechtfertigt, zu interpretieren ist. Jedoch bestreitet niemand den Einfluss des Briefes auf die protestantische Theologie und Praxis seit der Reformation. Man ist sich auch darüber einig, dass Paulus wütend war, als er ihn schrieb.

Gleich zu Anfang wird klar, dass er verärgert ist: Im Gegensatz zu allen seinen anderen Briefen hat der Brief an die Galater nach Paulus typischem Gruß „Gnade und Frieden“ keine Danksagung. Briefe schreiben war zu der damaligen Zeit formeller als die heutigen Texte und Tweets, und somit hätten die Empfänger des Briefes in 1,6 wahrscheinlich so etwas erwartet wie: „Ich danke in meinen Gebeten für euch“ oder „Gepriesen sei Gott“; stattdessen sagt er: „Ich bin darüber erstaunt, wie schnell ihr den, der euch gerufen hat, verlasst…“ Später ruft er aus: „O ihr unverständigen Galater!“ (3,1). An manchen Stellen schreibt er sogar in Großbuchstaben (6,11). Er ist alles andere als glücklich.

Warum ist Paulus so verärgert? Nur der Brief selbst kann uns das beantworten, doch diese drei Themen stehen im Zentrum von Paulus leidenschaftlichem Appell an die Galater: menschliche Unfähigkeit, unerschütterliche Führung und das Wesen der christlichen Freiheit.

In dem Maße, in dem Filme die Kultur widerspiegeln, in der sie gemacht wurden, hilft uns der Blick auf Filme, die die drei Hauptthemen aus Galater veranschaulichen, sowohl Paulus Brief besser zu verstehen, als auch zu sehen, wie unsere Kultur mit den gleichen Problemen zu kämpfen hat. Beispiele hierfür sind „Henry V”, „Citizen X”, „Whiplash”, „Darkest Hour”, „Moneyball”, „All The President’s Men”, „The Post”, „Philomena”, „I Can Only Imagine”, „The Son” und „Jane Eyre”.

Menschliche Unfähigkeit

Paulus glaubt nicht daran, dass Menschen wertloses Ungeziefer sind; die entscheidende Aussage in 1. Mose 1, dass alle Menschen nach dem Ebenbild Gottes geschaffen worden sind, ist für ihn grundlegend. Dennoch betont er, dass Menschen ohne Christus überhaupt nicht in der Lage sind, sich von der Sünde und ihren Folgen zu befreien. Bereits in seinem Gruß erinnert Paulus die Galater daran, dass wir nur durch den Tod Jesu für unsere Sünden aus dem gegenwärtigen bösen Wettlauf befreit werden können (1,4).

Für Paulus ist das Gesetz Gottes der Höhepunkt von Moral und Gerechtigkeit. Wenn er also betont, dass niemand durch die Werke des Gesetzes gerechtfertigt wird (2,16), spricht er von den heiligsten menschlichen Handlungen, die man sich vorstellen kann. Wenn die Werke des Gesetzes uns nicht vor der Sünde retten können, dann können es auch keine menschlichen Werke. Der Glaube an Christus ist keine neue Moral oder Philosophie; Christus zu vertrauen führt nur deshalb zum Leben, weil es den alten, unfähigen Menschen kreuzigt: „Ich bin mit Christus gekreuzigt; und nun lebe ich, aber nicht mehr ich [selbst], sondern Christus lebt in mir“ (2,20).

Wenn man durch die Werke des Gesetzes gerechtfertigt wird, dann ist Christus vergeblich gestorben, da die Menschen sich an das Gesetz halten und leben könnten (2,21). Die Schrift zeigt und vielmehr, dass Menschen von der Sünde gefangen sind (3,22). Wir sind in unserem natürlichen „fleischlichen“ Zustand versklavt, und nur der Geist des auferstandenen Messias kann uns befreien und Früchte tragen (4,3–9; 5,16–24).

Filme beschreiben regelmäßig korrupte oder böse Charaktere. Gelegentlich setzen sie sich auch für diejenigen ein, die nach den Maßstäben der Welt als tugendhaft gelten. Aber was ist mit den Erzählungen, die Charaktere beschreiben, die, obwohl sie danach streben, gut zu sein, mit den Grenzen menschlicher Unfähigkeiten konfrontiert werden?

In Kenneth Branaghs Adaption von Shakespeares „Heinrich V.“ betet der junge König vor der Schlacht zu Gott, in der Sorge, dass ein gerechter Gott ihn beschuldigen könnte, die Krone geerbt oder angenommen zu haben, die sein Vater an sich gerissen hatte:

„Fünfhundert Arme die das Jahr über ich bezahl Die zweimal täglich die welken Hände erheben und für das vergossene Blut um Verzeihung flehen; und zu deinem Lob und preis baute ich zwei Kapellen, wo ernste, feierliche Priester singen für Richards Seelenruhe. Mehr will ich tun; aber alles was ich tun kann, ist doch nichts wert.“

Henry versteht, dass man sich theologisch gesehen mit keiner Menge an guten Werken Gottes Gunst verdienen kann. Dennoch kämpft er weiterhin mit alten Denkweisen und damit, welche Handlungen ihn zu einem würdigen König machen würden.

Der HBO-Film „Citizen X“ erzählt die wahren Begebenheiten von Lt. Viktor Bukarov (Stephen Rea), ein sowjetischer Offizier, der versucht, die neuartige Wissenschaft von kriminellem Profiling anzuwenden, um einen Serienmörder festzunehmen, der sich an Kindern vergeht. Bukarov widmet sich seiner Aufgabe voll und ganz, ist sich jedoch nicht über die psychologischen Auswirkungen der unermüdlichen Verfolgung von Serienmördern und das Eintauchen in deren Denkweise bewusst. Schließlich erleidet er einen Nervenzusammenbruch. Bukarov ist an sich nicht schwach; seine Ausdauer und Geduld werden von seinen Vorgesetzten in Moskau und seinen Kollegen, die in den USA aus der Ferne zuschauen, bewundert. Doch er lebt in einer gefallenen, sündigen Welt, die Anforderungen an ihn (und an uns alle) stellt, die für uns nicht tragbar sind. Erst wenn er gezwungen wird, die Grenzen seines eigenen geistigen, emotionalen und spirituellen Fassungsvermögens zu erkennen, kann er sich darum bemühen, andere erfolgreich zu retten.

Obwohl in Damien Chazelles „Whiplash“ viel weniger auf dem Spiel steht, wird auch hier ein Protagonist gezeigt, der sich an die Grenzen von Belastbarkeit und anspruchsvoller Perfektion stürzt. Andrew (Miles Teller) möchte ein großartiger Schlagzeuger werden, und ist bereit dafür zu üben, bis seine Hände bluten, wenn es das Gesetz (in Form seines ihn mobbenden Lehrers, brillant gespielt von J.K. Simmons) dies verlangt. Derjenige, der Galater gelesen hat, wird nicht überrascht sein darüber, dass Andrews Versuche, nahezu unmögliche Standards zu erfüllen, nicht zu Frieden und Freude führen. Er fühlt sich tatsächlich elender, je besser er wird, er verlässt seine Freundin, da sie für ihn eine Ablenkung darstellt, und entfremdet sich von seiner Familie. Warum scheinen einige Christen – wie Andrew in diesem Film – die unerbittlichen Forderungen eines grausamen Zuchtmeisters dem von Jesus versprochenen „leichten“ Joch vorzuziehen? Könnte es mehr mit Stolz zutun haben, als wir in unserem gesetzlichen Perfektionismus zugeben möchten? Glauben wir insgeheim – oder hoffen wir zumindest -, dass wir die einzige Person sind, die gut genug ist, um die Forderungen des Gesetzes nach Perfektion zu erfüllen?

Unerschütterliche Führung

Paulus ist auch besorgt über neue Führungspersonen, die seit seiner Abreise in den Gemeinden der Galater aufgetaucht sind und die Galater beunruhigen, indem sie die wahre Botschaft Christi verdrehen (1,7).

Wie sieht dieses verdrehte Evangelium aus? Es predigt die Beschneidung, d.h. das jüdische Gesetz zu halten, um gerechtfertigt oder gerettet zu werden (2,12, 16, 21; 3,2, 10; 2,21 usw.). Diese falschen Prediger verzaubern die Galater mit einem attraktiveren Evangelium. Wie um alles in der Welt ist die Einhaltung der Thora attraktiver? Die Beschneidungsprediger und ihre Jünger scheinen für einige Mitjuden des Paulus respektabler (1,10; 4,17; 6,13), wahrscheinlich, weil sie mehr mit dem traditionellen Judentum übereinstimmen und die Unterscheidung zwischen jüdisch und nichtjüdisch beibehalten (1,13–14; 2,3, 12–14). Außerdem sind Paulus und seine Jünger ohne das Einhalten der Thora einer Verfolgung ausgesetzt, die die Partei der Beschneidung umgehen kann (5,11; 6,12). Die Galater befinden sich in einer Art Führungskrise, und Paulus warnt seine Gemeinden vor trügerischen „Evangelien“, die der Masse gefallen sollen und der ursprünglichen Botschaft widersprechen, die ihnen Erlösung und den Heiligen Geist geschenkt hat.

Gary Oldmans Oscar-gekrönte Darstellung von Winston Churchill in dem kürzlich erschienenen Film „Darkest Hour“ zeigt auf brillante Weise, wie eine Führungsperson an ihrer Überzeugung festhält, auch wenn Herausforderer sie verleumden und ihren Zuhörern einen einfacheren Weg versprechen. In einer der zärtlichsten Szenen des Films sagt seine Frau (Kristin Scott Thomas) zu Churchill: „Du bist stark, weil du unvollkommen bist.“ Bei einem seiner Treffen mit Georg VI. rät ihm der König, das Volk für sich zu gewinnen, indem er ihnen die „ungeschminkte Wahrheit“ sagt. Churchills Situation ist der von Paulus in vielerlei Hinsicht unheimlich ähnlich – auch er ist wütend auf Rivalen, die sein Volk dazu verleiten, ihr Bekenntnis zu widerrufen.

Bennett Millers „Moneyball“ erzählt die Geschichte von Billy Beane (Brad Pitt), einem General Manager der Oakland A, der versucht, mithilfe von Analysen ein Team von Spielern zusammenzustellen, die mit gegnerischen Teams von viel höherer Gehaltsliste mithalten können. Bei Moneyball geht es um eine Führungsperson, die versucht, Veränderungen herbeizuführen, anstatt sie im Keim zu ersticken. Es führt uns aber auch die Isolation von überzeugungsorientierten Führungskräften vor Augen und zeigt die Art und Weise, wie sie von anderen werden können, die sich mehr für ihre persönlichen Ziele als für die des Unternehmens engagieren. Ähnlich wie Ben Bradlee (Jason Roberts) in „All the President’s Men“ und Kay Graham (Meryl Streep) in „The Post“ muss Beane angesichts persönlicher Angriffe, beruflicher Risiken und des Drucks, von denen Zustimmung zu bekommen, die an alten Denk-und Geschäftsweisen festhalten, zu den Grundsätzen seiner Entscheidungsfindung stehen.

Christliche Freiheit

Paulus sieht die menschliche Not, die ein Leben ohne Christus mit sich bringt, als Sklaverei. Menschen sind Gefangene der Sünde (3,22), Sklaven dieser Welt und ihren bösen Mächten, und nur der gekreuzigte Messias kann sie davon frei machen (1,4; 4,3–9). Aber frei für was? Das gesetzesfreie Evangelium von Paulus löste Kontroversen, weil es so schien, als ob er die Frage der Ethik missachten würde: Erstens predigte er Erlösung durch Gnade, nicht durch Werke, und zweitens ließ er Nichtjuden Teil von Gottes Volk werden, ohne dass sie sich an das Gesetz halten mussten. Einige glaubten sogar, dass Paulus Sünde guthieß, weil dies die Gnade Gottes für die Sünder umso deutlicher machen würde (Röm 3,8; 6,1)! Doch in dem Brief an die Galater stellt Paulus klar, dass es sich bei christlicher Freiheit weder um Libertinismus noch um eine moderne, privatisierte Form von Freiheit handelt, die einen befähigt das zu tun, was immer man möchte, solange man dabei niemanden verletzt.

Laut Paulus sind Christen aufgrund ihrer neuen Identität als Söhne und Töchter Gottes, die durch den Geist Christi geleitet werden, von der Sklaverei der Sünde und dem fleischlichen Verlangen dazu befreit, in Liebe, Güte und Großzügigkeit statt in Neid zu leben (Gal. 4,3–7). Wut, sexuelle Unmoral und Götzendienst haben die Kontrolle über uns, wenn wir „tun, was wir wollen“. Wir werden um des Dienstes Willen befreit: „Denn ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder; so macht die Freiheit nicht zu einem Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander durch die Liebe.“ Paradoxerweise, und in weiten Teilen des modernen Westes fast undenkbar, folgt auf diese Freiheit ein bescheidener Dienst, der Verfolgung und sogar Tod mit sich bringen kann. Dennoch gewinnen wir ewiges Leben (6,8). Mit anderen Worten, christliche Freiheit sieht aus wie Jesus.

In Filmen wird „Freiheit“ meist aus der Sicht des modernen westlichen Verständnisses dargestellt: körperliche Freiheit oder die Freiheit, im eigenen Interesse zu handeln. Die Allgegenwart dieses (falschen) Verständnisses von Freiheit macht die seltenen Filmbeispiele, in denen Freiheit für Aufopferung steht, so unvergesslich und kraftvoll.

„Akte der transzendenten Vergebung sind nicht die einzigen Darstellungen christlicher Freiheit im zeitgenössischen Film, doch sie sind sicherlich die häufigsten.“
 

In Stephen Frears „Philomena“ vergibt die Protagonistin (Judi Dench) der Nonne, die ihr ihr Baby weggenommen und es einem amerikanischen Ehepaar zur Adoption gegeben hatte. Der Akt der Vergebung wird vom atheistischen Journalisten Martin Sixsmith (Steve Coogan) sowohl verachtet als auch missverstanden, wobei er gleichzeitig zugibt, Sklave seines eigenen Zorns zu sein:

Philomena: „Schwester Hildegard, Sie sollen wissen, dass ich Ihnen vergebe.“

Martin Sixsmith: „Wie, einfach so?“

Philomena: „Nicht ‚einfach so‘. Es ist schwer. Es fällt mir schwer. Ich will die Menschen aber nicht hassen. Ich will nicht so sein wie Sie. Sehen Sie sich an.

Martin Sixsmith: „Ich bin wütend.“

Philomena: „Das muss anstrengend sein.“

Akte der transzendenten Vergebung sind nicht die einzigen Darstellungen christlicher Freiheit im zeitgenössischen Film, doch sie sind sicherlich die häufigsten. In „I Can Only Imagine“ wird Barts christliches Wachstum an seinen Bemühungen gemessen, seinem körperlich missbräuchlichen Vater zu vergeben. In dem Klassiker der Dardenne-Brüder, „The Son“, begegnet ein Zimmermann den Jugendlichen, von denen er glaubt, dass sie für den Tod seines Sohnes verantwortlich sind. In „Jane Eyre“ hört die erwachsene Protagonistin am Sterbebett von Mrs. Reed, dass diese Janes Onkel angelogen hatte, um Jane von seinem Erbe fernzuhalten. Trotz ihrer nachvollziehbaren Wut gegenüber der selbstsüchtigen Grausamkeit der Frau vergibt Jane Mrs. Reed, auch wenn diese ihr Vergehen weiterhin rechtfertigt, indem sie Jane beschuldigt, sie als Kind provoziert zu haben: „Dann liebe mich oder hasse mich, wie du willst“, sagt Jane schließlich, „du hast meine volle und freie Vergebung: bitte jetzt um Gottes und sei in Frieden.“

„Jedes dieser Beispiele zeigt Menschen – real oder fiktiv –, deren christlicher Glaube sie von der Bindung an Wut befreit und sie befähigt, ungehindert Gnade und Mitgefühl zu schenken.“
 

Jedes dieser Beispiele zeigt Menschen – real oder fiktiv –, deren christlicher Glaube sie von der Bindung an Wut befreit und sie befähigt, ungehindert Gnade und Mitgefühl zu schenken.

Dass die Filme, die die Themen aus Galater illustrieren, trotz der oft gegenkulturellen Ausrichtung der Botschaft des Briefes sowohl geliebt als auch geschätzt werden, legt nahe, dass Paulus Brief nach wie vor resonant und relevant bleibt. Unabhängig davon, wie oft modernen Menschen vermittelt wird, dass Gerechtigkeit durch Einhaltung des Gesetzes erreicht werden kann, bleibt trotzdem das Bewusstsein der menschlichen Unfähigkeit bestehen. Unabhängig davon, wie viele Bewegungen versuchen, Führungspersonen zu unterbieten oder ihre Anhänger zu verführen, werden die Zuschauer weiterhin von Erzählungen über diejenigen angezogen, die an ihren Überzeugungen festhalten.