Predigtvorbereitung im Team

– eine Möglichkeit zur Ausbildung von Leitern?

Artikel von Mark Vroegop
13. November 2020 — 8 Min Lesedauer

„Was war deines Erachtens an der Predigt am Sonntag gelungen? Was hätte man besser machen können?“

Auf diese Weise starte ich jedes Treffen des Predigtvorbereitungsteams, das mich bei der Predigtvorbereitung unterstützt.

In den letzten fünf Jahren habe ich diese Fragen wahrscheinlich schon tausendmal mit einer kleinen Gruppe von ehrenamtlichen und angestellten Ältesten diskutiert. Diese wöchentlichen Treffen gehören zu den produktivsten Gelegenheiten zur Jüngerschaft und Leiterausbildung.

Es eröffnet mir den Blick in das Leben der Gemeinde, befähigt mich, zukünftige Leiter zu erkennen, schafft ein einmaliges Umfeld zum Lehren, verstärkt meine Beziehung zu den ehrenamtlichen und angestellten Ältesten und hilft mir – wenn ich ehrlich bin – bessere Predigten vorzubereiten.

Ohne dieses Team kann ich mir eine Predigtvorbereitung nicht vorstellen.

Die Idee

Dieses Team ist nicht meine Idee. Wie bei vielen neuen Dingen im Dienst ist es eine Mischung aus verschiedenen Dingen, die ich bei anderen beobachtet habe. Während eines Sabbaticals besuchte ich ein Wochenendseminar der Capitol Hill Baptist Church in Washington D.C. (USA). Mark Dever lud mich zur Teilnahme an seiner samstäglichen Sitzung des Teams zur Predigtvorbereitung ein. Und ich wunderte mich über die Einfachheit und Wirkung einer kleinen Gruppe von ehrenamtlichen Ältesten, die den Text gemeinsam studieren. Ich beobachtete erstaunt, wie sie eine Textstelle analysieren, über die Bedeutung diskutieren und sich über Anwendungen austauschen. Bestandteil des Wochenendseminars war auch ein Treffen am Sonntagabend zur Nachbesprechung des Gottesdienstes. Dabei reflektierten Pastoren und Praktikanten, mal bestätigend, mal kritisch, die vorausgegangenen Gottesdienste.

Inspiriert durch meine Erfahrung überlegte ich, wie ich diese Ideen in meinem Umfeld umsetzten konnte. Aus unterschiedlichen Gründen war ein Mittagessen am Samstag und ein Treffen am späten Sonntagabend nicht realisierbar. Also verband ich das Beste aus diesen zwei Veranstaltungen in einem einzigem Treffen, das am späten Dienstagnachmittag stattfinden sollte. Das entsprach meinen wöchentlichen Studienzeiten und passte zum Rhythmus unserer Gemeinde.

Die Grundlagen

Unser Team zur Predigtvorbereitung setzt sich in der Regel aus sechs Teilnehmern zusammen. Ein angehender Pastor (engl. pastoral resident) moderiert das Gespräch. Zwei Älteste, die nicht als Pastoren dienen (engl. non-pastoral staff members) und drei Gemeindeglieder (engl. lay people) sind Teil des Teams. Manchmal haben wir einen Gast oder einen Pastor, der zu Besuch ist, die ein oder zwei Treffen mitmachen.

Unser Treffen dauert 75 Minuten: das ist lang genug für ein gutes Gespräch und kurz genug, damit die Teilnehmer Lust haben, dranzubleiben. Jeder Teilnehmer gehört dem Team für acht Wochen an. Das ermöglicht mir, gezielt in mindestens 25 Leiter pro Jahr gezielt zu investieren.

Unsere Treffen folgen einem bestimmten Rhythmus (jeder Teil dauert ca. 15 Minuten):

1. Rückblick auf die letzte Predigt

Im ersten Part besprechen wir die Predigt, die ich am vorherigen Sonntag gehalten habe. Wir starten mit einem positiven Feedback. Ich bitte jeden, ein bis zwei Punkte zu nennen, die er als hilfreich empfand. Ich habe bemerkt, dass dieser Punkt den meisten leicht fällt. Sie genießen es, darüber nachzudenken, wie der Herr durch die Predigt zu ihnen gesprochen hat.

Spannender wird es, wenn ich um konstruktive Kritik bitte. Oft muss ich die Leute zum Gespräch bewegen, weil sie es nicht gewohnt sind, ihrem Pastor ins Gesicht zu sagen, was an der Predigt falsch war. Manchmal muss ich erklären, dass jede Predigt in irgendeiner Weise besser sein kann und dass ich weiß, dass die Predigt verbessert werden könnte.

„Sich in Bezug auf den persönlichsten Aspekt meines Dienstes – die Predigt – für Kritik zu öffnen, hat in unserer Gemeinde zu einer gesünderen Feedback-Kultur geführt.“
 

Es ist bemerkenswert, wie hilfreich eine positive Rückmeldung und gottesfürchtig geäußerte Kritik an Predigten sein kann. Es ist hilfreich, zu hören, wie meine Worte aufgenommen wurden, zu verstehen, was den Zuhörern wichtig war und damit zu ringen, was missverstanden wurde oder unklar war. Selbst wenn ich nicht vollständig mit dem Feedback übereinstimme, ist sie eine großartige Gelegenheit, um zu erkennen, wie die Gemeinde meine Predigten verarbeitet. Darüber hinaus ist es ein Beispiel dafür, wie auf gottgefällige Kritik reagiert werden kann und macht auch künftige Leiter offener für Kritik.

Sich in Bezug auf den persönlichsten Aspekt meines Dienstes – die Predigt – für Kritik zu öffnen, hat in unserer Gemeinde zu einer gesünderen Feedback-Kultur geführt.

2. Untersuchung des Predigttextes

Der zweite Schritt ist die gemeinsame Untersuchung des Predigttextes der nächsten Woche. Dafür stellen wir Ausdrucke des Textes mit ausreichend Platz für Notizen zur Verfügung. Wir verbringen zunächst Zeit damit, die Textstelle in aller Ruhe selbstständig zu untersuchen. Etwa 7–8 Minuten lang kreisen wir wichtige Wörter ein, suchen nach Mustern, unterstreichen wesentliche Aussagen und notieren offene Fragen. Das schlichte Ziel lautet, so viele Beobachtungen wie möglich selbst zu machen.

Danach gehen wir reihum und jeder teilt kurz seine Beobachtungen mit. Ziel sind nicht lange Monologe. Selbst wenn die Teilnehmer den Text vorab studiert haben (ich ermutige dazu, aber verlange es nicht), sollen nur einfache und klare Beobachtungen geschildert werden. Manchmal halten wir inne, um über Knackpunkte zu sprechen oder ich bitte einen der Pastoralassistenten, den Hintergrund eines bestimmten Themas des Textes zu erläutern. Durch den gemeinsamen Streifzug durch die Textstelle erhalte ich nicht nur eine gute Einschätzung der geistlichen Begabung im Umgang mit der Bibel, sondern bringe den Teilnehmern auch bei, wie sie die Bibel studieren können. Es ist eine wunderbare Gelegenheit, Jüngerschaft zu praktizieren und Leiter auszubilden.

3. Erstellung einer Predigtgliederung

Der dritte Schritt kann abschreckend wirken. Jeder bekommt zusätzlich Zeit, um eine inhaltliche oder homiletische Gliederung zu erstellen. Weil dies in der Regel etwas Neues für die Teilnehmer ist, ermutige ich sie, dass hier das größte Potential für das persönliche Wachstum in der gemeinsamen Zeit liegt.

Nacheinander bitte ich jeden Teilnehmer, mir seine Gliederung vorzustellen. Manchmal sprechen wir darüber, wie sie zu jedem Punkt gekommen sind. Ein anderes Mal vergleichen wir die Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Zum Schluss teile ich ihnen meine Gliederung mit und bitte um ihr Feedback.

„Mein erster Gliederungsentwurf findet in der fertigen Predigt meistens keine Verwendung. Er wird üblicherweise durch die Einblicke des Predigtvorbereitungsteams geformt. “
 

Vielleicht klingt es überraschend, aber mein erster Gliederungsentwurf findet in der fertigen Predigt meistens keine Verwendung. Er wird üblicherweise durch die Einblicke des Predigtvorbereitungsteams geformt. Manchmal bevorzuge ich ihre Gliederung gegenüber meiner und übernehme ihren Vorschlag.

4. Herausarbeiten von Anwendungen

Der letzte Schritt in unserem Treffen besteht darin, die verschiedenen Möglichkeiten zu betrachten, wie die Aussagen des Textes auf unser Leben angewandt werden können. Mark Dever hat ein hilfreiches Predigt-Anwendungsraster erstellt, dass man dafür verwenden kann (Dazu werden auf der senkrechten Achse die Punkte der Predigt aufgeführt, während man auf der waagerechten Achse verschiedene Kategorien wie z.B. „Gemeinde“ und „Gesellschaft“ aufführt, für die jeweils Anwendungen gesucht werden, Anm. der Red.). Wir nutzen entweder die Vorlage von Mark Dever oder passen das Raster an.

Manchmal diskutieren wir über die Anwendung des Textes für drei spezifische Zuhörergruppen: Christen, Nichtchristen und Scheinchristen. Bei manchen Texten empfinde ich es als hilfreich, die Anwendung für Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen zu überlegen: Kinder, Jugendliche, Singles, Verheiratete und Senioren.

Dieser Schritt hat das Ziel, auf kreative Weise eine Verbindung zwischen Text und Leben herzustellen, zuallererst im Leben der Teilnehmer der Runde.

Zum Ende des Treffens haben wir die letzte Predigt sorgfältig analysiert, einen bestimmten Text untersucht, eine Predigtgliederung entwickelt und verschiedene Anwendungen besprochen. Es ist eine fruchtbare Umgebung, um Jüngerschaft zu praktizieren.

Die Vorteile

Die Installation eines Teams zur gemeinsamen Predigtvorbereitung kostet Zeit, Geduld und Demut. Doch die Vorteile überwiegen.

Das Team schafft einen Ort, um enge Jüngerschaft zu leben und die persönliche Entwicklung von Leitern durch das gemeinsame Studium der Bibel zu fördern. Zudem wächst die Fähigkeit, mit Kritik umzugehen, da der Pastor selbst bereitwillig um Kritik und Verbesserungsvorschläge bittet.

Es zwingt einen Pastor, sich den Fragen und Herausforderungen der Gemeinde zu stellen. Die Teilnehmer berichteten mir, dass sie seitdem einen Unterschied in den Anwendungen in meinen Predigten bemerken. Sie werde präziser angebracht und haben eine größere Relevanz für die Zuhörer. Diese Beobachtung kann ich auch aus meiner Sicht bestätigen.

Es ist zudem eine großartige Möglichkeit, um zukünftige Leiter zu identifizieren. Wenn wir eine bestimmte Person als potentiellen Leiter in Betracht ziehen, werde ich häufig gefragt, ob und wie sie sich in einem Team beteiligen. Die acht Wochen des gemeinsamen Bibelstudiums und des Austauschs über Predigten geben einen guten Einblick in das Herz einer Person.

Der Sonntag kommt jede Woche. Und jede Woche muss eine Predigt geschrieben werden. Jedes Mal müssen Anwendungen überlegt werden. Und jede Woche erlebe ich große Freude und sehe ich viel Frucht in dem Treffen einer Gruppe von Männern, mit denen ich die Bibel studiere.

„Ich kann mir das Schreiben einer Predigt ohne dieses Team nicht vorstellen.“
 

Ich kann mir keine bessere Möglichkeit zur Jüngerschaft und Ausbildung von Leitern vorstellen, als ein wöchentliches Treffen zur gemeinsamen Predigtvorbereitung. Nach fünf Jahren kann ich sogar feststellen: Ich kann mir das Schreiben einer Predigt ohne dieses Team nicht vorstellen.