Das Evangelium im 1. Korintherbrief
Was Jesus Christus für uns getan hat
Die Gute Nachricht von dem, was Jesus Christus für uns sündige Menschen getan hat, durchzieht den gesamten ersten Brief von Paulus an die Korinther. Der Brief beginnt mit einem Lob des Kreuzes Christi (1Kor 1,18–31), schließt mit dem Augenmerk auf der Auferstehung (1Kor 15, 3–58) und präsentiert Christus und das Evangelium wiederholt als Kerninhalte paulinischer Verkündigung (1Kor 2,1–5; 3,10–11; 9,16; 15,1–8).
Vier Kernpunkte des Evangeliums als Grundmuster
Trotz dieser Schwerpunkte bietet der 1. Korintherbrief einige Herausforderungen bezüglich evangeliumsorientierter Auslegung. Weil Paulus verschiedene praktische Probleme der Korinther aufgreift, könnte man den Brief vorschnell als eine Sammlung unabhängiger Themen betrachten. Aber dieser Ansatz würde das Evangelium als Grundmuster, welches die Anordnungen von Paulus durchzieht, übersehen. Der Brief enthält einerseits deutliche Warnungen betreffend Gericht, Disziplinierung und die Konsequenzen der Sünde. Wenn wir diese Warnungen andererseits im Kontext der Frohen Botschaft hören, gilt es zu beachten, dass keine der beiden Linien jeweils die andere überlagert. Der 1. Korintherbrief behandelt viele heiß diskutierte Themen wie Scheidung und Wiederheirat, geschlechtsspezifische Rollen im Gottesdienst oder auch Geistesgaben wie die Sprachenrede und Prophetie. Diese Themenvielfalt soll allerdings nicht den Blick auf die Kernpunkte des Evangeliums verstellen, die der Brief klar zur Sprache bringt.
Der 1. Korintherbrief präsentiert vier wiederkehrende Kernpunkte des Evangeliums. Erstens: Wir Menschen – Nachfolger Jesu Christi eingeschlossen – sind ohne Wenn und Aber auf Gottes Gnade angewiesen. Welches Problem Paulus auch anspricht, immer ist es die Folge unserer kompletten Missachtung geistlicher Prioritäten. Unsere daraus entstandene Notlage ist dermaßen hoffnungslos, dass nur Jesus Christus als Weisheit und Kraft Gottes in Person uns daraus befreien kann (1Kor 1,22–25).
Zweitens: Unsere Hoffnung ruht auf der Vollkommenheit des Christus, nicht auf unserer eigenen. Wie andere Bibelstellen zeigt auch der 1. Korintherbrief deutlich, dass gläubige Menschen – individuell oder als Gemeinschaft – geistlich schwerwiegende "blinde Flecken" entwickeln können. Dennoch brauchen wir deswegen nicht zu verzweifeln, denn Jesus Christus ermöglicht uns echte Umkehr und Veränderung.
Drittens: Wo die Gnade des Evangeliums wirksam wird, entsteht Heiligkeit. Dies bedeutet einerseits: Wir dürfen den radikalen Anspruch des 1. Korintherbriefes an eine heilige Lebensführung nicht schmälern, denn dieser Anspruch reflektiert die verändernde Kraft des Evangeliums. Und andererseits bedeutet dies: Wir dürfen die Betonung des 1. Korintherbriefes auf der Kraft des Evangeliums, die uns den Heiligkeitsanspruch erfüllen lässt, nicht vernachlässigen.
Viertens: Christen sind dazu berufen, das Evangelium im Alltag zu praktizieren. In der Auseinandersetzung mit unserer Kultur eröffnet sich dadurch ein Kompromisspotential – und in Meinungsverschiedenheiten mit anderen Gläubigen ein Konfliktpotential. Aber unabhängig von der Art des Problems ist es unsere Aufgabe, die Ehre Gottes und das Wohl unserer Nächsten zu verfolgen, und zwar auch dann, wenn es uns persönlich einen stolzen Preis kostet. Kurz: Wir sollen die Tugenden des Kreuzes verkörpern (1Kor 10,31–11,1).
„Der menschliche Geist empfindet es als töricht, die Hoffnung auf den Kreuzestod von Jesus Christus zu setzen, denn damit sind Vorstellungen wie Schwachheit und Schande verbunden.“
Die Adressaten des 1. Korintherbriefes sind Personen, die sich nach geistlicher Reife sehnen. Einige suchen Reife in Form von Weisheit oder Beredtheit, andere durch einen kompletten Bruch mit ihrem vorchristlichen Leben, und andere wiederum im Ausüben persönlicher Freiheit. Paulus hingegen erinnert uns daran, dass das Evangelium nicht "Ich bin weise, ich bin rein, ich bin frei" lautet. Stattdessen rühmt sich das Evangelium einzig und allein in "Jesus Christus, und zwar als Gekreuzigten" (1Kor 2,2). Der menschliche Geist empfindet es als töricht, die Hoffnung auf den Kreuzestod von Jesus Christus zu setzen, denn damit sind Vorstellungen wie Schwachheit und Schande verbunden. Aber genau dieses Kreuz demonstriert Gottes Weisheit, Kraft und Herrlichkeit in aller Deutlichkeit und verbunden mit der wahren Liebe, die sich selbst dahingibt. Weil die Liebe niemals aufhört (1Kor 13,8) und wir uns danach sehnen, alle Dinge auf ewig der Kraft Gottes unterworfen zu sehen (1Kor 15,28), müssen wir das Kreuz stets im Auge behalten. Wahre Reife wird uns immer tiefer in das Evangelium des Gekreuzigten hineinnehmen, aber niemals darüber hinaus.