Was haben 1. und 2. Samuel mit dem Evangelium zu tun?

Artikel von V. Philips Long
1. Oktober 2020 — 4 Min Lesedauer

Der große König

In den Samuelbüchern geht es um die ersten Könige Israels, Saul und David: wer sie waren; wie es zu ihrer Thronbesteigung kam; was sie erlebten. Aber mehr noch, in diesen Büchern geht es um den großen König, nämlich Gott selbst. Die spannenden Erzählungen in 1. und 2. Samuel gewähren uns Einblicke: wer Gott ist; wie er handelt; wie das Leben mit ihm und ohne ihn aussieht; was durch seine Gnade und die Kraft seines Geistes aus einem Leben werden kann. Da wir aufgrund unseres Glaubens Kinder Abrahams sind (Gal 3,7–9.14), sind diese Erzählungen Teil unserer Familiengeschichte. Sie sollen uns, „auf die das Ende der Weltzeiten gekommen ist“ (1Kor 10,11), unterweisen, sie sollen uns Ausdauer lehren und uns durch „den Trost der Schriften“ Hoffnung geben, damit wir „einmütig, mit einem Mund den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus lob[en]“ (Röm 15,4.6).

Diese Geschichten stecken voller Evangelium – sie sind schonungslos ehrlich im Hinblick auf Sünde und die Gesellschaft, aber getränkt von der Hoffnung auf Erlösung. Beide Schlüsselpersonen (d

„Diese Geschichten stecken voller Evangelium – sie sind schonungslos ehrlich im Hinblick auf Sünde und die Gesellschaft, aber getränkt von der Hoffnung auf Erlösung.“
 

en Propheten Samuel nicht berücksichtigt) sind königliche Sünder. Aber Saul und David unterscheiden sich voneinander wie die Finsternis vom Licht. Für Saul scheint Gott kein besonders großes Thema gewesen zu sein, vielleicht hielt er ihn noch nicht einmal für real. Für David gab es nichts Wichtigeres als Gott. David kannte Gott als die ultimative Realität. Und deshalb war Gott für ihn von äußerstem Gewicht. Das ist damit gemeint, wenn die Rede davon ist, Gott zu „ehren“. Nimmt man das Kriterium ernst, das schon ziemlich am Anfang der Bücher genannt wird – „wer mich ehrt, den will ich wieder ehren; wer mich aber verachtet, der soll auch verachtet werden“ (1Sam 2,30) –, dann war es Sauls Bestimmung, zu Fall zu kommen, und David Bestimmung, aufzusteigen.

Missverständnisse, die man vermeiden sollte

Geschichten vermitteln ihre Botschaften auf indirekte Art und Weise. Das bedeutet, dass wir zwar sehen können, was die handelnden Personen tun, und hören können, was sie sagen, dass wir aber nur selten einen ausdrücklichen Kommentar dazu bekommen. Das macht Geschichten anfällig für Fehlinterpretationen. Eine weitverbreitete Fehlinterpretation betrachtet Saul einfach als Negativbeispiel, David hingegen als den Guten. Es gibt aber auch Menschen, die diese Perspektive umdrehen und Saul in einem positiveren Licht sehen, dagegen ist David für sie kaum mehr als ein skrupelloses politisches Untier.

Aber wenn man die Texte gründlich liest, lassen sie weder die eine noch die andere Fehlinterpretation zu. Saul war nicht durch und durch schlecht, jedenfalls nicht am Anfang. Zu Beginn zeigte er sehr wohl einigen Glauben, aber weil ihm der wahre Glaube fehlte, verflüchtigte sich mit der Zeit das, was vorhanden war, und mündete in Ichbezogenheit und Selbstmord. Auf der anderen Seite war David keinesfalls nur gut – die Berichte in 1. und 2. Samuel sind weit davon entfernt, seine Sünden zu verbergen!

Aber Davids Beziehung zu Gott war im Kern gesund. Er kannte Gott, betete zu Gott, bekannte vor Gott und fand in Gott Kraft. Er wusste, dass er ein Sünder war, und wusste ebenso, was es bedeutet, aus Gnade gerettet zu sein. Hatte er eine Ahnung davon, dass Gott, als er ihm den Thron gab, weit mehr im Sinn hatte als nur ein begrenztes Königreich an einem bestimmten Ort zu errichten? Eine gewisse Ahnung davon hatte er sicherlich, aber wohl ohne umfassende Erkenntnis. Immerhin gab es in Gottes Verheißung an David (2Sam 7,4–17) vielfältige Anklänge an Gottes Verheißung an Abraham (1Mo 12,1–3), deren Höhepunkt die Prophezeiung ist: „und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf der Erde!“ (1Mo 12,3). David konnte nicht vorhersehen, wie dieser Segen Wirklichkeit werden würde, aber er schien sich bewusst zu sein, dass sich etwas Großes und Herrliches anbahnte (2Sam 7,18–29).

Das zu erkennen, ist ein Privileg, das uns vorbehalten war, die wir nach dem Kommen des wahren Königs, des Gesalbten des Herrn (Messias) aus dem Haus Davids, leben: „Das Reich der Welt ist nun des Herrn und seines Christus. Und er regiert von nun an und ewig … Halleluja!“ (aus dem Messias von Händel).