Wie man Kindern die Bibel nahebringt

Artikel von Peter Leithart
19. September 2020 — 8 Min Lesedauer

Neulich haben drei meiner Enkel ihren jährlichen Sommerurlaub bei uns in der schwülen Hitze im Südosten der USA verbracht. Sie brachten ihre Eltern als Aufpasser mit, was wirklich sehr angenehm war.

Sobald sich zwei oder drei meiner Enkel für mehr als 24 Stunden in meiner Nähe aufhalten, passiert eines von zwei Dingen: Entweder wir üben und präsentieren ein Theaterstück oder wir starten mit „Dr. Pops’s Sommerbibelkurs“ durch. Das älteste Enkelkind wurde diesen Sommer fünf Jahre alt, ihre Brüder sind 2 und 9 Monate alt. Da sie alle ein wenig zu jung für „King Lear“ von Shakespeare sind, haben wir uns für den Sommerbibelkurs entschieden.

Bei der Abreise kannten sie nicht nur die vier Gesichter der Cherubim (mit Handbewegung), sondern auch einen vollständigen Abriss der Schöpfungsgeschichte und eine Zusammenfassung von 1. Mose. Nächstes Mal wollen wir mit 2. Mose weitermachen und ich erzähle ihnen, wie man sich gegenseitig als Tieropfer Gott darbringen kann.

Ich bringe nun seit mehr als 35 Jahren kleinen Kindern die Bibel nahe, vor allem meinen eigenen. Angefangen hat es mit meinem ersten Sohn und im Laufe der Zeit konnte ich einige Lektionen lernen, die ich hier gerne weitergeben möchte:

1. Erzähle Geschichten

Gott hat mit Israel auf vielfältige Art gesprochen (Hebräer 1,1–3). Auf dem Sinai hat er ihnen das Gesetz gegeben, durch die Könige Weisheit mitgeteilt, harte und verheerende Worte durch die Propheten und schließlich sich selbst durch seinen Sohn, das Wort, offenbart. Die Reihenfolge des biblischen Kanons entspricht der Reifung bzw. Entwicklung Israels und der Menschheit. Gemeint ist damit, dass wir aus der Knechtschaft als Kinder zu einer Freiheit eines Erwachsenen reifen (Gal 4). Vom Priester zum König, dann zum Propheten und schließlich zur Vollendung in Christus.

Es ist kein Zufall, dass die biblische Heilsgeschichte mit einem dicken Buch voller Geschichten startet. Dort beginnen wir ja auch! Noch bevor wir sprechen, gehen oder abstrakt denken können, haben wir Geschichten gehört. Und Jahweh ist der beste Vater und Erzieher. Bevor Israel also die Torah, das Tabernakel, die Komplexität des Opfersystems oder ein eigenes Land und eine Monarchie bekommen hat, bekamen sie Geschichten, dramatische Familiengeschichten.

Als meine Kinder noch kleiner waren, hatten wir meistens nach dem Abendessen eine Familienandacht. Ich öffnete die Bibel und erzählte eine Geschichte in eigenen Worten nach. Wir starteten beim 1. Buch Mose und machten weiter bis zum Ende der Apostelgeschichte und dann fingen wir wieder von vorne an. Ich bin mir nicht sicher, wie oft wir diese Runde gemacht haben, aber ich erinnere mich an viele Wiederholungen und immer neue Kinder in unserer Runde. Als meine Kinder dann älter wurden, haben wir auch die restlichen Bücher des Neuen Testaments abgedeckt und einzelne Passagen zusammen gelesen. Zu Beginn jedoch war mein Ziel, sie durch Geschichten für die Bibel zu gewinnen.

„Wir sind manchmal versucht, die Geschichten zu kürzen, um zur Moral zu kommen oder die Details einer Geschichte aufgrund irgendeiner abstrakten Lehre zu ignorieren.“
 

Wir sind manchmal versucht, die Geschichten zu kürzen, um zur Moral zu kommen oder die Details einer Geschichte aufgrund irgendeiner abstrakten Lehre zu ignorieren. Und die Schrift bietet ja wirklich eine Moral und ihre Geschichten sind lehrreich. Aber obwohl wir das unseren Kindern beibringen, sollten wir nicht vergessen, dass Gott uns Geschichten zum Lesen, Erzählen und Nacherzählen gegeben hat. Geschichten zum Mitfiebern und Hineinversetzen. Starte also dort. Erzähle die Geschichten. Daran werden sie sich erinnern.

2. Zeige ihnen Jesus

In den 40 Tagen zwischen Auferstehung und Himmelfahrt lehrte Jesus seine Jünger die Zusammenhänge der Bibel (Luk 24). Lukas berichtet, wie Jesus zunächst den Jüngern von Emmaus und dann den übrigen Elf das gesamte Alte Testament auslegt. Angefangen bei Mose, den Propheten und den Psalmen, erklärte Er ihnen alles, „was sich auf ihn bezieht“. Somit wissen wir von Jesus selber, dass es in der gesamten Bibel um ihn selbst geht.

„Alle kleinen Geschichten der Bibel sind mit der großen verbunden, da sie alle Teil der Geschichte von Jesus sind.“
 

Die Bibel, das Buch der Bücher, ist eine große Geschichte mit vielen kleinen mittendrin. Alle kleinen Geschichten der Bibel sind mit der großen verbunden, da sie alle Teil der Geschichte von Jesus sind. Sie sind alle wie Teile eines Puzzles. Sobald wir alle Teile zusammengesetzt haben, wie Irenäus sagte, entdecken wir das Porträt eines herrlichen, wunderschönen Königs.

Nach welchen Puzzleteilen sollen wir also Ausschau halten? Beginnen kann man mit Personen. Zeig den Kindern, dass Jesus ein besserer Adam ist, weil er dem Teufel in der Wüste widersteht. Zeige, dass Jesus wie Abel und Josef von seinen Brüdern angegriffen wurde. Weise darauf hin, dass so wie Simson die Feinde im Sterben besiegt hat, Jesus den Tod im Sterben besiegte. Und wenn du auf den weinenden Propheten Jeremia schaust, erinnert das an die Tränen, die Jesus vergossen hat.

Achte zusätzlich auch auf Ereignisse, die sich wiederholen. Am Anfang des Matthäusevangeliums wird berichtet, wie Jesus vor einem mordlustigen König nach Ägypten fliehen muss, zurückkehrt, aufwächst, im Jordan getauft wird, in der Einsamkeit der Wüste versucht wird, und dann auf einem Berg das Gesetz lehrt. Jesus spiegelt die Geschichte von Israel wider: Sklaverei in Ägypten, der Angriff des Pharaos auf die israelitischen Säuglinge, der Auszug durch die Wüste Sinai und das Gesetz. Wenn du dich durch das 3. Buch Mose hindurch wagst, erinnere sie immer wieder, dass Jesus das letzte perfekte Opfer ist, das uns zurück zum Vater bringt.

Die Bibel verbindet nicht nur jeden und alles mit Jesus, sondern auch alles mit allem. So ist Noah sowohl der neue Adam wie auch ein Vorläufer von Jesus. David kämpft wie einer der Richter, Hiskia ist der erneuerte David und Jeremia ähnelt Mose.

Meinen Kindern habe ich immer wieder gesagt: „Mensch! das ist jetzt das erste Mal, dass wir so etwas in der Bibel lesen. Zum ersten Mal begegnen wir so einer Person.“ „Wow! Zum ersten Mal ist jemand an einer heftigen Kopfverletzung gestorben“, sage ich zum Beispiel bei der Geschichte von David und Goliath. „Zum ersten Mal ist jemand ertrunken“, „das ist das erste Mal, dass jemand fast gestorben wäre und gerettet wurde“. „Das ist der erste Mann, der seine Frau an einem Brunnen kennenlernt“. Natürlich war das für alle nur der Hinweis, dass ich genau das Gegenteil meinte. „Nein!“ „Auch andere Leute sind an Kopfverletzungen gestorben“ und die Kinder wiederholen die Geschichte von Abimelech und Sisera und erinnern sich dann auch an den zertretenden Kopf der Schlange und „JEDER Mann trifft seine Frau am Brunnen“. Kinder sind von Natur aus Typologen. Sie hören nur auf, Typologen zu sein, wenn wir sie entmutigen. Natürlich kennen sie das Wort Typologie nicht, aber sie kennen das Spiel. Spiel mit!

3. Singe Lieder

Vor einigen Jahren habe ich eine Sommerbibelschule für Grundschulkinder in der Kirche geleitet. Zu der Zeit habe ich als Pastor in Pasta Idaho gedient. Damals schrieb ich einige Lieder, um den Kindern zu helfen, sich die theologischen Muster zu merken. Erst da habe ich die Kraft des Singens erfahren. Vielleicht etwas spät, aber seitdem würde ich es auf keine andere Art versuchen. Singen oder melodisches Sprechen macht die Bibel instinktiv und rhythmisch und verankert sich so im Kopf und Körper der Kinder.

Ich habe immer das Ziel gehabt, dass die Lieder Spaß machen. Zu niedlich sollten sie aber nicht sein. Die Lieder sollten die passende Stimmung zum Lesen und Nachdenken schaffen, die auch beim älter werden begleiten soll. Mein Ziel war es, dass die Lieder zum Lesen und Nachdenken anregen und eine Stimmung kreieren, die auch für die Zukunft hilfreich ist. Dabei wollte ich vermeiden, dass die Bibel als etwas Kindisches hinter sich gelassen wird.

„Ich habe gelernt, dass Kinder sehr bereitwillig der Stimme ihres Vaters folgen, solange ich ihnen die Bibel nahebringe anstatt die Bibel dafür zu missbrauchen, ihnen etwas anderes beizubringen.“
 

Ein Beispiel: Das erste Buch Mose beginnt mit „drei Sündenfällen“, die in der Zerstörung durch die Flut ihren Höhepunkt finden. Nach der Flut und Babel begegnen wir drei Patriarchen, die die neue Welt prägen und die Sündenfälle gewissermaßen rückgängig machen. Der Text lautet dann so (betont werden die dick gedruckten Silben):

Adam, Kain und die Söhne Gottes (die drei Sündenfälle) Whoosh! (Flut, begleitet von einer wischenden Handbewegung) Babel Abraham, Jakob, Josef (die drei Patriarchen)

Adam sündigt, indem er Jahwe ungehorsam ist, während Abraham gehorsam ist, selbst als er seinen Sohn opfern muss. Kain ermordet Abel, Jakob als neuer Abel aber entkommt seinem Bruder Esau. Die Söhne Gottes heiraten Menschen und verderben die Welt, Josef aber widersteht der Verführung und gibt der Welt Brot.

Lehre die Bibel

Dies ist vielleicht die allerwichtigste Botschaft: Ich habe früh gelernt, dass man die Aufnahmefähigkeit von Kindern nicht unterschätzen sollte. Sie können mehr lernen als uns bewusst ist. Und es kann ihnen Spaß machen.

Ich habe gelernt, dass Kinder sehr bereitwillig der Stimme ihres Vaters folgen, solange ich ihnen die Bibel nahebringe anstatt die Bibel dafür zu missbrauchen, ihnen etwas anderes beizubringen.