Die Reichtümer von 5. Mose
Allein der Gedanke an das 5. Buch Mose ruft bei vielen Christen ein Gähnen hervor. Satzungen, Bestimmungen, Sanktionen – der Inbegriff des irrelevanten alttestamentlichen Gesetzes, nicht wahr?
Nicht so schnell.
Ajith Fernandos Deuteronomy: Loving Obedience to a Loving God ist Teil von Crossways „Preaching the Word“-Kommentarreihe, die von Kent Hughes herausgegeben wird. Ziel der Reihe ist es, Kommentare zu verfassen, die „von Pastoren für Pastoren – und für alle, die Gottes Wort lehren oder studieren – geschrieben werden“. Fernandos Beitrag ist in der Tat eine substanzielle (768 Seiten) und wertvolle Ergänzung für das Regal eines jeden Christen.
Ich habe mit Fernando, Lehrer und Prediger in Sri Lanka und ehemaliger Nationaldirektor von Jugend für Christus, über seine Auslegungsarbeit an diesem unterschätzten, zentralen Buch gesprochen.
Was sind einige häufige evangelikale Missverständnisse in Bezug auf 5. Mose? Was wird oft übersehen?
Ich glaube Mitleid war die häufigste Reaktion, die ich von Freunden bekommen habe, wenn sie erfahren haben, dass ich über 5. Mose schreibe. „Was für ein langweiliges Buch, um darüber zu schreiben“, schien der Gedanke zu sein. Viele Christen meinen, die Gesetze des Alten Testaments hätten heute nur wenig Nutzen. Aber sie sind in Wirklichkeit ein Fenster, das uns ermöglicht, einen Blick auf das Wesen Gottes zu werfen. Auch wenn wir die Gesetzt nicht direkt anwenden, sind die Prinzipien hinter den Gesetzen doch unglaublich relevant.
Die Beschreibung von Sünde und Gerechtigkeit deckt ein umfassendes Spektrum von verschiedenen Bereichen ab. Wenn 5. Mose – und tatsächlich das gesamte Alte Testament – über die Details von Gerechtigkeit und Sünde spricht, bezieht es sich auf das persönliche, religiöse, zwischenmenschliche und soziale Leben – und was wir Gerechtigkeit nennen, ist dort mit eingeschlossen. Das ist eine Perspektive, die innerhalb der evangelikalen Gemeinschaft sehr notwendig ist.
Welche Lektionen über die Notwendigkeit des Gehorsams als Antwort auf die Gnade hält das 5. Buch Mose für Christen bereit?
Mich hat am meisten beeindruckt, wie oft 5. Mose davon spricht, „darauf bedacht zu sein, zu tun“. Es handelt sich hier um die Übersetzung eines Verbes (shamar), das im 5. Buch Mose 65-mal vorkommt. Ich habe oft das Gefühl gehabt, dass Unbedachtheit die Mutter aller Sünde ist. Offener Ungehorsam wird normalerweise nicht durch eine bewusste Entscheidung zum Ungehorsam ausgelöst, sondern durch Unbedachtheit, die zu einem langsamen Abgleiten in die Sünde führt.
„Gehorsam ist in von seinem Wesen her eine Antwort auf Gottes Liebe, ein integraler Aspekt unserer Beziehung zu dem Gott, der für uns ist.“
Das Buch zeigt die Priorität der Liebe Gottes für das gesamte Glaubensleben auf. Gehorsam ist von seinem Wesen her eine Antwort auf Gottes Liebe, ein integraler Aspekt unserer Beziehung zu dem Gott, der für uns ist.
5. Mose lehrt, dass unser Verhalten innerhalb der Bundesgemeinschaft schwerwiegende Folgen hat: Segnungen folgen dem Gehorsam, Flüche dem Ungehorsam. Als Christen haben wir viel über die Segnungen nachgedacht, aber wir müssen uns ernsthaft fragen, wie wir die Passagen über Flüche heute anwenden. Im biblischen Lebensansatz hat die Furcht vor den Folgen der Sünde sicherlich eine abschreckende Wirkung auf den Gläubigen.
Welche großen biblischen Themen werden im 5. Buch Mose aufgegriffen und entwickelt? Wie geschieht das?
Die Dringlichkeit der Heiligkeit wird in vielerlei Hinsicht ausgedrückt, insbesondere darin, wie mit den besiegten Nationen umgegangen wird, die „der Zerstörung ergeben sind“. Wir sehen keine Kompromisse mit der Sünde und den Einflüssen, die uns zur Sünde verleiten.
Die Priorität der Wahrheit, die eine heilige Lebensführung unterstützen soll, kommt darin zum Ausdruck, wie oft das Buch auf die Geschichte der Treue Gottes und die Wichtigkeit des Gesetzes für das Glaubensleben zurückblickt.
Ein Hauptteil des Buches ist eine Auslegung der Zehn Gebote, zunächst in allgemeiner Form (Kapitel 5-11) und dann mit spezifischeren Anwendungen (Kapitel 12-26). All dies steht natürlich im Kontext einer Bundesbeziehung mit Gott. Der Bund und die Erneuerung des Bundes ist also ein großes Thema.
5. Mose ist voll von Gesetzen, es ist eine Art Verfassung der von Gott erwählten Nation. Es gibt einige seltsam klingende Regeln zu Themen wie Frauen, Tieren und Nachbarn. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch eine rücksichtsvolle Gesellschaft, in der sich die Menschen um das Wohlergehen anderer – und insbesondere der Schwachen und Verletzlichen – sorgen und in der sie zivilisiert miteinander umgehen.
Du hast mehr als acht Jahre gebraucht, um diesen Kommentar zu schreiben. Wie hat dein Studium des 5. Buchs Mose dich persönlich beeinflusst?
Den ersten großen Einfluss hat das Buch für mich schon früh in meinem Dienst gehabt. Ich habe während des größten Teils meines
„Der Kampf um Heiligkeit ist ein ständiger Kampf in meinem Leben und dieses Buch hat oftmals mit mir über mein eigenes Leben geredet – und hat mich oft von Unbedachtheit und Sünde überführt.“
Dienstes, sowohl mit Jugend für Christus als auch in unserer Gemeinde, hauptsächlich mit Christen der ersten Generation – die man als städtische Arme bezeichnen könnte – gearbeitet. Als ich vor mehr als 30 Jahren das 5. Buch Mose in meiner Stillen Zeit las, wurde mir klar, dass vieles in diesem Buch in unseren Kontext spricht. Deshalb habe ich es damals eingehend studiert. Das Buch ist Moses Versuch, den Menschen einer neuen Nation zu helfen, ein rechtschaffenes Leben zu führen. Das hat mich viel darüber gelehrt, wie man Christen der ersten Generation zur Frömmigkeit erziehen kann. Die starke Betonung von „großzügiger Gerechtigkeit“ und die besondere Berücksichtigung der Schwachen hatten auch einen deutlichen Einfluss auf den Lebensstil und den Dienst in meiner Familie.
Der Kampf um Heiligkeit ist ein ständiger Kampf in meinem Leben und dieses Buch hat oftmals mit mir über mein eigenes Leben geredet – und hat mich oft von Unbedachtheit und Sünde überführt.