Bekehrung
Viele von uns haben es erlebt: Kinder wachsen in der Gemeinde heran und nehmen eine scheinbar gute Entwicklung. Aber dann: leise, schleichend nehmen sie Abschied. Viele von ihnen bezeichnen sich weiter als Christen, aber in ihrem Leben ist davon nicht mehr viel zu sehen.
Auch Michael Lawrence hat solche Geschichten erlebt und er sieht dahinter zwei Ursachen: Zuerst die Bekehrungstheologie, wie sie oft gelehrt wird und zum zweiten, wie diese Theologie praktisch in den Gemeinden ausgelebt wird. In seinem Buch Bekehrung führt er aus, wie eine biblische Sicht auf Bekehrung aussieht und macht immer wieder deutlich, wie diese Theologie praktisch umgesetzt werden kann. Dies tut er, indem er mit verschiedenen Gegensatzpaaren (z.B. „Nicht geheilt, sondern geheiligt“) die Sicht des Lesers auf Bekehrung zu korrigieren versucht. Sein Anliegen ist es, falsche Praktiken, die sich in viele Gemeinden eingeschlichen haben, aufzuzeigen und ihnen biblische Ansätze gegenüber zu stellen.
Zusammenfassung
Im ersten Kapitel „Nicht gut, sondern neu“ legt er den Grundstein, um ein biblisches Verständnis von Bekehrung zu entwickeln: Menschen müssen nicht einfach gut werden, das Leben besser in den Griff bekommen – nein, Menschen müssen neu werden. So fordert der Autor: „Gemeinden sollten glauben, dass Gott Menschen radikal neu macht, nicht nur gut.“ (S. 13). Deutlich zeigt er, dass wir nicht in der Lage sind, uns selbst zu verbessern, uns „gut zu machen“. Wir sind völlig auf Gottes Geist angewiesen, der durch seine Gnade neue Menschen, ein neues Volk erschafft, was durch die Wiedergeburt geschieht. Am Ende des Kapitels werden noch Tipps gegeben, wie Gemeinden ganz praktisch fördern können, dass sie wirklich eine Gruppe wiedergeborener Menschen sind.
„Gemeinden müssen den Blick von der eigenen Glaubensleistung weg hin zu einem rettenden Gott richten, der Menschen aus dem Gericht befreit.“
In den darauffolgenden Kapiteln wird herausgearbeitet, was es ausmacht, wiedergeboren zu sein. Um dies zu verdeutlichen, setzt Lawrence die Gegensatzpaare fort. So stellt er heraus, dass es nicht um die Aufrichtigkeit einer Bekehrung geht, sondern darum, wirklich gerettet zu sein. Dafür ist es notwendig zu verstehen, wovon wir gerettet werden müssen, nämlich vor Gottes Zorn. Und dies geschieht allein durch Gottes Gnade und Liebe. Was wirklich rettet, ist Gottes Gnade, nicht die Aufrichtigkeit unseres Glaubens. Und diese Gnade rettet hinein in Gottes Volk, allein um Gott zu ehren, weil er der Retter ist. Gemeinden müssen den Blick von der eigenen Glaubensleistung weg hin zu einem rettenden Gott richten, der Menschen aus dem Gericht befreit.
„Nicht Entscheidung, sondern Jüngerschaft“ folgt in Kapitel 3 und räumt mit der weit verbreiteten Praxis auf, die Heilsgewissheit an einem einzigen Entscheidungsmoment fest zu machen. Der Fokus sollte stattdessen auf Glauben und Buße liegen, die Spuren im gesamten Leben hinterlassen. Dort, wo dies geschieht, hat die Gemeinde aber auch die Aufgabe, Gewissheit durch Taufe und Abendmahl zu vermitteln, denn dadurch bezeugt sie den Glauben des Einzelnen.
Weiter geht es mit dem Gegensatz „Nicht geheilt, sondern geheiligt“. Dieses Kapitel wendet sich gegen einen in Gemeinden oft gelebten therapeutischen Ansatz. Der Sinn des Evangeliums ist aber eben nicht eine Therapie, durch die wir uns besser fühlen oder besser mit dem Leben klarkommen. Es geht vielmehr um Heiligung, einen bedingungslosen Kampf gegen die Sünde. Dies wird durch die gelebten Prioritäten sichtbar und auch durch eine liebevolle Dienstbereitschaft Gott gegenüber.
Direkt darauf baut das Kapitel „Nicht designt, sondern abgesondert“ auf und ruft zu einer Gemeindepraxis auf, die sich klar von der Welt unterscheidet. Der Autor will motivieren, wieder „eine Gemeinde für alle“ zu leben. Eine Gemeinde, in welcher es nicht darum geht, die einzelnen Interessengruppen bestmöglich zu befriedigen, sondern gemeinsam Gott zu dienen. Dazu ist Liebe notwendig, um aufeinander Rücksicht zu nehmen (gerade, wenn man sehr unterschiedlich ist) und sich gemeinsam auf Gott hin auszurichten.
„Es geht nicht darum, das Evangelium zu verkaufen, sondern die Botschaft klar zu vermitteln.“
Heute werden viele Ressourcen (Zeit, Geld, Manpower) in den Gemeinden darauf verwendet, das Evangelium bestmöglich zu vermarkten. Darauf geht das Kapitel „Nicht verkaufen, sondern aufrufen“ ein. Es geht nicht darum, das Evangelium zu verkaufen, sondern die Botschaft klar zu vermitteln. Dabei sollen Gemeinden nicht auf die Reaktion der Menschen abzielen, sondern darauf, dass Gottes Wahrheit bekannt wird. Aus diesem Grund ist es notwendig, klar und ehrlich zu kommunizieren. Dazu gehört auch, die Kosten einer Bekehrung nicht zu verschweigen.
Im Kapitel „Erst prüfen, dann bestätigen“ bringt Lawrence zum Ausdruck, dass wir uns als Mitglieder einer Gemeinde gegenseitig Glaubensgewissheit zusprechen sollten, wenn wir beim anderen sehen, wie sein Leben durch Gottes Geist verändert wird. Da hier aber auch eine falsche Gewissheit suggeriert werden kann, gibt er acht Ratschläge, um eine falsche Ermutigung zu verhindern. Als Hauptprinzip lässt sich festhalten, dass man sich als Gemeinde Zeit lassen sollte, die Person kennen zu lernen um erst dann den Glauben zu bestätigen (was durch Mitgliedschaft geschieht).
Abgerundet wird das Buch durch ein Kapitel, das vor „übertrieben reinlichen Gemeinden“ (S. 101) warnt und dadurch auch dem Missbrauch mancher Ratschläge im Buch entgegenwirkt. Hier wird deutlich, dass es nicht um Perfektion geht, sondern dass Gemeinden ihre Hoffnung auf den Himmel ausgerichtet haben, in welchem sie momentan eben noch nicht angekommen sind. Das sollte im Gemeindeleben sichtbar werden.
Was wir durch das Buch lernen können
Bei dem Buch „Bekehrung“ fällt auf, was allen 9Marks-Büchern gemein ist: Man kann sie auf jede Gemeinde anwenden, egal welcher Größe, Kultur oder Struktur. In ihnen geht es um die biblischen Basics christuszentrierter Gemeindearbeit. Wenn man anfängt, sie umzusetzen, wird man feststellen, dass sie wirklich „funktionieren“ – ganz egal, ob wir von einer 300 Mitglieder umfassenden Gemeinde in der Großstadt sprechen oder einer Gemeindegründung auf dem Land mit weniger als 50 Mitgliedern.
„Das Anliegen des Buches ist es, Gemeinden einen Leitfaden für die Frage ‚Wer ist eigentlich Christ?‘ an die Hand zu geben.“
Das Anliegen des Buches ist es, Gemeinden einen Leitfaden für die Frage „Wer ist eigentlich Christ?“ an die Hand zu geben. Es fordert heraus, sich als Gemeinde in dieser Frage nicht von pragmatischen Ansätzen oder Traditionen leiten zu lassen, sondern dem biblischen Maßstab zu folgen. Dies führt zu Gemeinden, die Menschen nicht leichtfertig falsche Sicherheit geben, sondern manchmal den Finger in die Wunde legen und falsche Bekehrungen hinterfragen. Aber auf der anderen Seite auch zu Gemeinden, in denen, wenn wahre Bekehrung sichtbar werden, den Glauben bestätigt und sich gemeinsam ermutigt, an der Hoffnung des Evangeliums festzuhalten. Eine solche Gemeinde, die aus Menschen besteht, die von Gott neues Leben erhalten haben, wird in der Lage sein, der Welt in ihrem Umfeld zu zeigen, dass Christus wirklich von den Toten auferstanden ist (Vgl. S. 117).
Fazit
Das Buch lässt sich zügig und leicht lesen. Seine Hauptzielgruppe sind Gemeindeleiter und solche, die in der Gemeinde Verantwortung tragen. Es will erreichen, dass Gemeinden wieder eine biblische Definition von Bekehrung vermitteln – in ihrer gelehrten Theologie, aber auch im gelebten Alltag. Aus diesem Grund ist das Buch auch für jeden geeignet, der verstehen möchte, was die biblische Sichtweise auf Bekehrung ist und wie die eigene Gemeinde damit umgehen sollte.
Für das persönliche Leben kann das Buch ebenfalls herausfordernd sein, um den eigenen Glauben zu hinterfragen. Allerdings ist dies nicht das Ziel des Buches und es fehlt dann entsprechend auch ein seelsorgerischer Ansatz, wie man mit eventuell entstehenden Zweifeln umgehen kann. Ein erster Schritt wäre in diesem Fall sicher, ganz im Sinne des Autors, die Gemeinde zu Rate zu ziehen und mit ihr über diese Zweifel zu sprechen.
Buch
Michael Lawrence. Bekehrung. Wie Gott sich ein Volk schafft. Augustdorf: Betanien 2020, 126 S., 7,90 Euro.