Christus und das Problem des Bösen

Artikel von Gene Edward Veith
4. August 2020 — 5 Min Lesedauer

Charles Darwin gab seinen Glauben an Gott irgendwann auf, nicht weil er Beweise für Evolution durch natürliche Auslese entdeckte (eine Theorie, die er einige Jahre früher entwickelt hatte), sondern aufgrund seiner Trauer über den Tod seiner zehnjährigen Tochter. Als er das Buch Über die Entstehung der Arten im Jahr 1859 veröffentlichte, behauptete er zu beweisen, dass die Welt keinen Gott brauche. Es war ein Akt der Rache gegenüber dem Gott, von dem er vorgab, nicht an ihn zu glauben.

Schwere Fragen

Das Problem des Bösen ist nicht nur ein philosophisches oder gar ein rein theologisches Problem. Es ist konkret, persönlich und manchmal irrational. Viele Menschen können sich angesichts des Bösen und des Leids in der Welt keinen liebenden, allmächtigen Gott vorstellen. Selbst wenn sie rational überzeugt werden, dass die Existenz des Bösen keineswegs die Existenz eines guten Gottes ausschließt, sind sie doch überwältigt von der Dunkelheit, die sie im Leben wahrnehmen. Und selbst wenn Ungläubige jeden noch so kleinen Vorwand ergreifen, um gegen Gott zu rebellieren, sind auch Christen manchmal so von Tragik und Trauer überwältig, dass sie Gott hinterfragen.

Wenn eines ihrer Kinder unter unerträglichen Schmerzen leidet, von einem Verbrecher vergewaltigt wird oder in einem sinnlosen Unfall stirbt, kommen Christen kaum umhin zu fragen, warum Gott nicht eingegriffen hat. Vielleicht kann er es nicht – was seine Güte rettet zulasten seiner Macht. Oder vielleicht wollte er nicht – was an seiner Macht festhält, aber seine Güte in Frage stellt.

Diese schwierigen Fragen können sowohl rational als auch theologisch beantwortet werden. Aber die Antworten sind manchmal nur ein sehr

„Christus bringt tiefgehenden Trost für die Menschen in ihrer tiefsten Not, weil sie wissen, dass Gott in ihrem Leid mit ihnen ist.“
 

kleiner Trost für eine Seele, die an dieser Welt fast zerbricht. In all der Bedrängnis können wir nicht anders als fragen: „Wo ist Gott?“ Teil des Problems ist, dass die Menschen dazu neigen, sich Gott als jemanden vorzustellen, der weit weg ist und aus einer großen Höhe auf den Schmerz und das Böse herabschaut, das seine Schöpfung plagt. Nicht nur diejenigen, die Gott angreifen, sondern auch die, die ihn verteidigen, arbeiten oft mit diesem Bild. Aber Christen glauben nicht an einen Gott, der irgendwo weit weg ist.

Gott ist da

Der Gott, den Christen kennen, wurde in Jesus Christus Mensch. Er begab sich in den menschlichen Zustand. Er litt. Er nahm das Böse der Welt auf sich. Er starb. Und er stand auf, damit diejenigen, die an ihn glauben, ein Reich erlangen werden, wo jede Träne abgewischt und das Problem des Bösen verschwinden wird.

Die Theodizee (die Rechtfertigung der Gerechtigkeit und Güte Gottes im Licht des Leids und des Bösen) nimmt vielfach keinen Bezug auf Jesus Christus. Sie analysiert eine abstrakte Gottheit. Es gibt dabei nichts besonders christliches, die Argumente könnten genauso auf Allah im Islam angewandt werden. Natürlich betrifft das Problem des Bösen jede Art von Theismus und solch metaphysische Argumente haben ihren Platz.

Aber der dreieinige Gott des Christentums hat eine andere Beziehung zu seiner Schöpfung – und zu Sünde, dem Bösen und dem Leid – als die Götter anderer Religionen oder die unpersönliche Gottheit der Philosophen. Wenn wir Christus in das Problem des Bösen hineinbringen, beantwortet das nicht alle metaphysischen Fragen, sondern verkompliziert das Problem in gewisser Weise. Aber was wichtiger ist: Christus bringt tiefgehenden Trost für die Menschen in ihrer tiefsten Not, weil sie wissen, dass Gott in ihrem Leid mit ihnen ist.

Jesus und das Böse

Die zweite Person der Dreieinigkeit litt. Er wurde gegeißelt. Er fiel unter dem Gewicht des Kreuzes. Er war erschöpft, durstig und blutend. Und am Kreuz erfuhr er den größtmöglichen physischen Schmerz, den das Römische Reich zufügen konnte; er wurde gequält, bis er starb. Allerdings war der physische Schmerz nur ein Teil der Qualen Christi. Er erfuhr auch emotionalen Schmerz. Er wurde verachtet und von den Menschen verlassen (Jes 53,3). Im Garten Gethsemane erlebte er Einsamkeit. Seine Freunde und Jünger verließen ihn. Er wurde verhöhnt, gedemütigt und entblößt. Und was am schlimmsten ist, er wurde von seinem himmlischen Vater verlassen. Das sollte einen Unterschied machen für jemanden, der physischen Schmerz oder emotionales Elend erduldet. Jesus Christus, durch den das ganze Universum erschaffen wurde, litt auch unter Schmerzen. Auch er erfuhr Ablehnung, Isolation, Hohn und Grausamkeit. Auch er fühlte die Abwesenheit Gottes.

Aber das Leid Christi löst das Problem des Bösen auch auf eine andere Weise. Er empfing das Böse der Welt. Durch seinen eigenen Willen erlaubte er es, durch die Hände böser Menschen zu leiden. Er trug an seinem Leib die Sünden der Welt. Das ist eine andere Art zu sagen, dass er das Böse der Welt trug.

Christus nahm die Strafe, die das Böse verdient hat, auf sich. Und durch sein Werk am Kreuz gibt er uns bösen Menschen freie Vergebung, wenn wir uns zu ihm wenden.

In diesem geheimnisvollen Tausch, der auf Golgotha stattfand, nahm Christus unsere Sünden auf sich und schrieb uns seine Gerechtigkeit zu. Aber es geschah noch etwas anderes: Laut dem Propheten Jesaja trug er nicht nur unsere Sünden. Er trug auch unser Leid. „Fürwahr, er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen“ (Jes 53,4).

„Das Problem des Bösen und das Problem des Leids finden ihre Lösung in Jesus Christus und seinem Kreuz.“
 

Das Problem des Bösen und das Problem des Leids finden ihre Lösung in Jesus Christus und seinem Kreuz. Gott hat eingegriffen. Er ist nicht abwesend. Seine Macht und seine Liebe kommen in dem Werk Christi zusammen. Das ist nicht nur eine Lösung für ein intellektuelles Rätsel. Es gibt konkrete Stärke, Stütze und Trost für Menschen in Bedrängnis. Wenn das Schlimmste eintritt, kann der Leidtragende wissen, dass Christus dort gewesen ist und Erlösung gebracht hat und dass selbst der himmlische Vater weiß, wie es ist, ein Kind zu verlieren.