Unser tägliches Brot gib uns heute

Artikel von Eric Watkins
14. Juli 2020 — 4 Min Lesedauer

Diese einfache Bitte inmitten des Vaterunsers ist vielleicht einer der krisenerprobtesten Teile des ganzen Gebets. Vor einiger Zeit, als unsere Wirtschaft in Schwierigkeiten geriet und viele Familien von finanzieller Unsicherheit bedroht waren, bekam das Gebet für die grundlegende Versorgung in unserem Leben wieder eine ganz neue Bedeutung. Als Pastor muss ich zugeben, dass es geistlich gesehen gar nicht so schlimm war, obwohl die Gemeinde die wirtschaftlichen Auswirkungen in vielerlei Hinsicht spürte.

Eine Bitte in schweren Zeiten

Für viele Menschen wurde es zu einer Zeit, in der sie innehielten und darüber nachdachten, was in ihrem Leben wirklich wichtig war. Es wurde zu einer Zeit, in der Ehepaare gemeinsam die Hände zum Gebet falteten und diesen Teil des Vaterunsers sogar unter Tränen beteten. Kinder mussten zusehen, wie ihre Eltern ihre überflüssigen Ausgaben zurückfuhren und dadurch gedemütigt wurden. Die Familienandacht wurde belebt; im Zentrum stand die Bitte, dass Gott uns mit den grundlegenden Dingen versorgt. Dies wurde zu einer Praxis, die auf gesunde Weise neu in den Fokus kam.

„Es ist eine bemerkenswerte Ironie der Geschichte, dass geistliches Wachstum so oft bei schwierigen finanziellen Fragen und Problemen auftritt.“

 

Es ist eine bemerkenswerte Ironie der Geschichte, dass geistliches Wachstum so oft bei schwierigen finanziellen Fragen und Problemen auftritt. Häufig können wir uns entwickeln, wenn wir am wenigsten haben. Unser Fokus liegt weniger auf den Dingen der Welt, sondern konzentriert sich auf Gott selbst. Auch wenn uns das seltsam vorkommt, ist es dennoch ein biblisches Prinzip (1Kor 10,13).

Eine Bitte und ihre Auslegung

Diese Bitte des Vaterunsers hat in der Geschichte der Bibelauslegung eine Reihe von Fragen aufgeworfen, größtenteils aufgrund der Tatsache, dass das Wort täglich im Neuen Testament ausschließlich im Vaterunser auftaucht. In seinem Kommentar über das Matthäusevangelium merkte James Montgomery Boice an, dass das Wort, das hier für täglich steht, auf der Einkaufliste einer Frau zu biblischen Zeiten zu finden war und sich auf die Dinge bezog, die für den nächsten Tag gebraucht würden. Er interpretiert die Bitte so, dass Gott uns „die Notwendigkeiten des Leben für diesen (und den unmittelbar folgenden) Tag geben soll“.

Andere Kommentatoren weisen darauf hin, dass uns diese Sprache zur Wüstenwanderung Israels zurückführt. Dort sorgte Gott jeden Tag mit Manna oder ihrem „täglich Brot“ für sie, wodurch sie bekamen, was sie für ihr Leben brauchten. Der Beweis dafür, dass Gott auch für ihre Zukunft sorgen würde, war sein treues Sorgen in der Gegenwart. Es ist interessant, was Gott am Tag vor dem Sabbat tat. Nur an diesem Tag war es den Israeliten gestattet, doppelt so viel Brot zu sammeln, genug für den Tag und für den Sabbat. Durch diese Vorkehrung war es möglich, dass Israel den Sabbat halten konnte (indem sie nicht arbeiteten, um Brot zu sammeln). Und was noch wichtiger ist: Gott gab ihnen bereits den Sabbatsegen, obwohl der Sabbat noch gar nicht gekommen war. Durch seine Versorgung mit physischem Brot demonstrierte er sein Verlangen, ihnen noch größere Dinge zu geben, die noch kommen würden – Dinge wie die Sabbatruhe.

Reformatoren wie Johannes Calvin wehrten sich zurecht gegen allegorische Auslegungen dieser Bitte im Vaterunser. Trotzdem wäre es für einen Juden im ersten Jahrhundert schwer gewesen, bei dieser Bitte nicht an Israel in der Wüste zu denken, einschließlich der Tatsache, dass Gott ihnen am Tag vor dem Sabbat nicht nur das tägliche Brot gab, sondern auch das Brot für morgen. Dass Gott dies tat, sollte die Juden lehren, dass Gott für sie sorgen würde, selbst wenn sie das "wie" noch nicht erkennen konnten.

Gott versorgt auch heute noch

Bringt uns unser treuer Gott nicht die gleiche Lektion bei? Er lehrt uns, ihm nicht nur für unser tägliches Brot zu vertrauen, sondern auch für die ewigen Dinge seines himmlischen Reiches. Er gibt uns treu die Dinge, die wir jeden Tag für unser Leben benötigen und er gibt uns auch die Segnungen des Himmels durch Jesus Christus, der das Brot des Lebens ist, welches Gott uns zur Rettung unserer Seelen gewährt hat. In Christus haben wir schon die Segnungen des ewigen Sabbats empfangen.

Gott lehrt uns, ihm im Gebet in allem zu vertrauen, was wir benötigen. – Nicht nur, wenn wir sehen können, wie die Dinge zu uns kommen werden, sondern insbesondere, wenn wir mit den Augen des Glaubens aufsehen müssen, um die Herrlichkeit des Herrn zu erblicken, selbst in den einfachsten Dingen des Lebens – wie täglichem Brot. Während wir diese Bitte des Vaterunsers beten, bringt Gott uns in die Grundschule zurück, weil wir zu oft lieber auf die Segnungen Gottes vertrauen statt auf den Gott dieser Segnungen. Egal ob Gott uns durch seine Vorsehung in einer wirtschaftlichen Wüste platziert, oder uns reichlich mit der Milch und dem Honig des Wohlstands gesegnet hat; mögen wir uns täglich vor ihm im Gebet demütigen und unseren Gott preisen, von dem aller Segen herkommt.