Groß von Christus denken

Artikel von John Piper
16. Mai 2020 — 9 Min Lesedauer
„Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ehe Abraham war, bin ich!“ (Joh 8,58).
„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“ (Joh 1,1).
„Denn in [Christus] wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ (Kol 2,9).

Alpha und Omega

Christus existiert nicht, um uns viel Bedeutung beizumessen. Wir sind dafür da, um uns daran zu erfreuen, ihm viel Bedeutung zu schenken. Die These des Buchs Seeing and Savoring Jesus Christ ist es, dass die Herrlichkeiten von Jesus Christus zu kennen, ein Ziel, nicht ein Mittel ist. Christus ist nicht herrlich, damit wir reich oder gesund werden. Christus ist herrlich, damit wir, egal ob reich oder arm, krank oder wohlauf, in ihm zufrieden sein können.

Die erste besondere Herrlichkeit, die alle weiteren trägt, ist die reine Existenz von Christus. Wenn wir darüber so nachdenken, wie wir sollten, gewinnt das sinkende Schiff unserer Seele wieder Festigkeit. Seine bloße Existenz ist möglicherweise das größte Geheimnis von allen. Denke einmal darüber nach. Es gibt etwas, das hat niemals angefangen zu existieren. Wenn wir so weit es geht zurückblicken, finden wir nie nichts. Jemand hat die Ehre, zuerst und für alle Zeit da zu sein. Nie ist er geworden, nie hat er sich entwickelt. Er war einfach da. Wem gehört diese einzigartige, absolute Ehre?

Die Antwort lautet: Christus, die Person, die die Welt als Jesus von Nazareth kennt.

Der Apostel Johannes, der das letzte Buch der Bibel geschrieben hat, empfing die entscheidende Offenbarung. Er zitiert Gott: „Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, spricht der Herr, der ist und der war und der kommt, der Allmächtige“ (Offb 1,8). Hier spricht nicht Christus. Hier spricht der allmächtige Gott. Er nennt sich selbst „Alpha und Omega“ – den ersten und den letzten Buchstaben des griechischen Alphabets. Im Alphabet kann man nicht von etwas (oder nichts) vor dem Alpha sprechen. Es gibt keinen Buchstaben vor dem Alpha im Alphabet. Noch kann von etwas (oder nichts) nach dem Omega sprechen. Es gibt keinen Buchstaben nach dem Omega im Alphabet.

So ist es auch mit Gott und der Wirklichkeit. Es gibt niemanden vor und nach Gott. Er ist durchweg da, egal wie weit zurück oder wie weit vorwärts wir gehen. Er ist die absolute Realität. Er hat die Ehre, zuerst und für immer da zu sein. Ihm gehört diese einzigartige Würde.

Ein ewiger, unbezwingbarer Gott

Das ist die wesentliche Bedeutung seines alttestamentlichen Namens „Jahwe“. Der Name baut auf dem Verb „sein“ auf. Als Mose Gott nach seinem Namen fragt, antwortete Gott: „‚Ich bin, der ich bin!‘ Und er sprach: So sollst du zu den Kindern Israels sagen: ‚Ich bin‘, der hat mich zu euch gesandt“ (2Mose 3,14). Dieses „Ich bin“ wird von Gott im Buch Jesaja weiter ausgemalt, damit deutlich wird, dass hier eine Wirklichkeit beschrieben ist, die in der Vergangenheit und Zukunft gilt. „Ihr seid meine Zeugen, spricht der HERR, und mein Knecht, den ich erwählt habe, damit ihr erkennt und mir glaubt und einseht, dass ich es bin; vor mir ist kein Gott gebildet worden, und nach mir wird es keinen geben“ (Jes 43,10). „Ich bin“ bedeutet, er ist der Erste und der Letzte. Es gibt kein vor ihm und kein nach ihm. Er ist einfach.

„Dies ist sein Name: Jahwe – der eine, der absolut, ewig und unüberwindbar existiert. Er hat die einzigartige Ehre und unvergleichliche Herrlichkeit, bereits zu existieren, als es noch nichts gab. Es wird ihn nichts überdauern.“

 

Gott macht das in Jesaja 44,6 deutlich: „So spricht der HERR, der König Israels, und sein Erlöser, der HERR der Heerscharen: Ich bin der Erste, und ich bin der Letzte, und außer mir gibt es keinen Gott.“ Und noch einmal in Jesaja 48,12: „Höre auf mich, Jakob, und du, Israel, mein Berufener! Ich bin es, ich bin der Erste, und ich bin auch der Letzte! Ja, meine Hand hat die Erde gegründet und meine Rechte die Himmel ausgespannt. Sobald ich ihnen zurufe, stehen sie allesamt da.“ Dies ist sein Name: Jahwe – der eine, der absolut, ewig und unüberwindbar existiert. Er hat die einzigartige Ehre und unvergleichliche Herrlichkeit, bereits zu existieren, als es noch nichts gab. Es wird ihn nichts überdauern. Das bedeutet es, Gott zu sein.

Ist Jesus Gott oder gottlos?

Was hat dies nun mit Christus zu tun, den wir als Jesus von Nazareth kennen?

Alles. Der Apostel Johannes zitierte Christus am Ende seiner Offenbarung: „Und siehe, ich komme bald und mein Lohn mit mir, um einem jeden so zu vergelten, wie sein Werk sein wird. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte … Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, um euch diese Dinge für die Gemeinden zu bezeugen. Ich bin die Wurzel und der Sproß Davids, der leuchtende Morgenstern“ (Offb 22,12–13,16). Hier spricht Christus, nicht Gott der Vater.

Nun können aber nicht zwei Alpha und Omega sein, es sei denn, sie sind eins. Doch Christus (der sich selbst Jesus nennt) beansprucht für dieselbe Ehre und Herrlichkeit, die allein Gott dem Allmächtigen zusteht (vgl. Offb 1,17–18; 2,8).

Christus gab sich sogar den einzigartig herrlichen Namen Gottes, „Ich bin“. In Johannes 8,58 lesen wir: „Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ehe Abraham war, bin ich!“ (Joh 8,58). „Jetzt sage ich es euch,“ sagt Jesus kurz vor dem Ende seines irdischen Lebens zu seinen Jüngern, „ehe es geschieht, damit ihr glaubt, wenn es geschehen ist, daß ich es bin“ (Joh 13,19). Nichts Größeres kann man von sich selbst sagen. Es ist entweder wahr oder Gotteslästerung. Christus war wirklich Gott oder ein Gottloser.

„Zwei Personen offenbaren sich als ein Gott, nicht als zwei Götter. Der Sohn ist vom Vater ausgegangen; beide sind ein göttliches Wesen.“

 

Johannes wusste, was von beidem er war. Denn er schreibt: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott … Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns; und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,1.14). Jesus Christus, jenes „Wort“, ist „gezeugt“, nicht geschaffen – nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern von Ewigkeit her. Zwei Personen offenbaren sich als ein Gott, nicht als zwei Götter. Der Sohn ist vom Vater ausgegangen; beide sind ein göttliches Wesen. Das ist ein großes Geheimnis. Aber das ist es, was Gott über sich selbst offenbart hat.

Christus sei alle Ehre

„Jesus Christus hat die beispiellose Ehre und einzigartige Herrlichkeit, zuerst und für immer da zu sein. Nie hat er angefangen, zu existieren.“

 

Der Apostel Paulus kannte ebenfalls die einzigartige Herrlichkeit, die Christus gehörte. Er ist „dem Fleisch nach der Christus, der über alle ist, hochgelobter Gott in Ewigkeit. Amen!“ (Röm 9,5). Obwohl er, „als er in der Gestalt Gottes war, es nicht wie einen Raub festhielt, Gott gleich zu sein“. Er entäußerte sich vielmehr selbst, „nahm die Gestalt eines Knechtes an und wurde wie die Menschen“ (Phil 2,6–7). „Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ (Kol 2,9; vgl. 1,19). Und wir Christen warten und nicht auf einen einfachen Menschen, sondern auf „die Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Retters Jesus Christus“ (Tit 2,13; vgl. 2Pet 1,1). Das ist der Grund dafür, dass der Autor des Hebräerbriefs es wagt, davon zu sprechen, dass alle Engel Christus anbeten. Er ist nicht das Oberhaupt unter den Engeln, die Gott verehren. Er wird von allen Engeln als Gott angebetet. „Und wenn [Gott] den Erstgeborenen wiederum in die Welt einführt, spricht er: ‚Und alle Engel Gottes sollen ihn anbeten!‘“ (Heb 1,6). Denn er ist der Schöpfer von allem, was ist, und ist selbst Gott: „von dem Sohn [sagt Gott]: ‚Dein Thron, o Gott, währt von Ewigkeit zu Ewigkeit … Du, o Herr, hast im Anfang die Erde gegründet.‘“ (Heb 1,3). Jesus Christus ist der Schöpfer des Universums. Er ist Alpha und Omega, der Erste und der Letzte. Die Person Jesus Christus hatte nie einen Anfang. Er ist die absolute Wirklichkeit. Er hat die beispiellose Ehre und einzigartige Herrlichkeit, zuerst und für immer da zu sein. Nie hat er angefangen, zu existieren. Er wurde ewiglich empfangen. Der Vater hat seit Ewigkeit Gefallen an „[der] Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und [dem] Ausdruck seines Wesens“ (Heb 1,4) in seinem Sohn. Seine Herrlichkeit zu sehen und zu genießen ist das Ziel unserer Errettung. „Vater, ich will, daß, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast“, sagt Jesus in Johannes 17,24. Sich daran für immer zu erfreuen ist das Ziel unserer Erschaffung und unserer Erlösung.

Gebet

Ewiger Vater, du hattest niemals einen Anfang. Du wirst niemals ein Ende haben. Du bist das Alpha und das Omega. Dies glauben wir, weil du es uns offenbart hast. Unsere Herzen springen vor Freude darüber, dass du uns die Augen geöffnet dafür hast, zu sehen und zu erkennen, dass Jesus Christus dein ewiger, göttlicher Sohn ist, gezeugt, nicht geschaffen, und dass du, oh Vater, und er, dein Sohn, ein Gott seid. Wir erzittern, solch eine herrliche Wahrheit auch nur in den Mund zu nehmen. Denn mit unseren kümmerlichen und unzureichenden Worten könnten wir dich auch entehren. Aber wir sagen das, weil wir dich einfach preisen müssen. Schweigen würde uns beschämen; die Steine selbst würden es ausrufen. Du musst gepriesen werden dafür, wer du in dieser Welt, die du gemacht hast, bist. Wir danken dir, weil du uns die Herrlichkeit deines Sohnes Jesu Christi hast schmecken und sehen lassen. Vater, wir sehnen uns danach, ihn zu kennen. Verbanne all die kleinen Gedanken über Christus aus unserem Geist. Sättige unsere Seelen mit dem Geist Christi und seiner Größe. Hilf uns, in allem immer mehr mit dem zufrieden zu sein, was du in ihm für uns bist. Wo Fleisch und Blut ohnmächtig sind, offenbare du uns Christus, und lenke unsere Aufmerksamkeit und unsere Liebe auf die Wahrheit und Schönheit deines überaus herrlichen Sohnes. Gewähre uns, dass wir, ob arm oder reich, ob krank oder gesund, von ihm verwandelt werden und seine Vortrefflichkeit in der Welt repräsentieren. So beten wir in Jesu Namen, Amen.

John Piper ist leidenschaftlicher Prediger und Professor für Praktische Theologie am Bethlehem College und Seminar in Minneapolis, Minnesota (USA). Er hat zahlreiche Bücher verfasst, von denen viele auch in deutscher Sprache erhältlich sind.