Einen alten Schatz neu entdecken: Segnungen

Fünf Gründe, dem Segen wieder mehr Raum zu geben

Artikel von Drew Hunter
8. April 2020 — 6 Min Lesedauer

Es ist gut möglich, dass der Segen am Ende des Gottesdienstes für moderne Ohren nur nach einem altertümlichen und förmlichen Abschluss klingt. Warum sagt man nicht einfach: „Sie können jetzt gehen“?

Doch was wäre, wenn durch solche Segenszusprüche unsere tiefsten Hoffnungen berührt würden? Was, wenn sie uns helfen würden, unsere Erwartungen für die Zukunft von Gottes Größe formen zu lassen? Und was, wenn das nicht nur eine Sache für Pastoren im Gottesdienst wäre, sondern für jeden von uns in unserem alltäglichen Leben?

Segenszusprüche sind Segensgeschenke des Evangeliums, die uns lehren, das zu erwarten, was nur Gott geben kann – und in der Bibel finden wir sie in Fülle. Mit Gottes ersten Worten an die Menschheit segnete er sie (1Mo 1,28). Er befahl Israels Priestern, seinen Segen auf sein Volk zu legen (4Mo 6,22–27). Jesu letzte Handlung, bevor er in den Himmel zurückkehrte, war, seine Hände zu heben und seine Jünger zu segnen (Lk 24,51). Die meisten der neutestamentlichen Briefe beinhalten mindestens einen Segenszuspruch, und auch Gottes letzte Worte an uns in der Bibel sind ein Segen: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch allen! Amen“ (Offb 22,21).

Warum ist der Zuspruch des Segens für uns heute wichtig? Im Folgenden werden fünf Gründe aufgezeigt, weshalb wir den Segen in unseren Gottesdiensten neu entdecken sollten.

1. Erwartungen, die Gottes Größe entsprechen

Im Segen wird die zuversichtliche Erwartung von Segensgaben ausgedrückt, wie sie nur Gott geben kann. Wir vermischen das oft mit Gebet oder Lobpreis, aber Segen ist eine eigene Kategorie.

  • Im Gebet bitten wir um das, was nur Gott tun kann: „Vater im Himmel, dein Reich komme.“
  • Im Lobpreis geben wir Gott die Ehre, die nur ihm zusteht: „Ihm sei nun Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“
  • Im Segen erwarten wir, was nur Gott geben kann: „Der Herr aber lenke eure Herzen zu der Liebe Gottes und zum standhaften Ausharren des Christus!“ (2Thess 3,5).

„Segenszusprüche erinnern uns daran, dass das, was wir am meisten brauchen, nur von Gott kommen kann.“

 

Der Segenszuspruch bewirkt in uns solche Erwartungen für die Zukunft, wie sie Gott entsprechen. Wenn du dich in deinem Leben umsiehst: Wie sehen deine Erwartungen aus, was Gott für dich tun könnte? Was erwartest du, dass er für dich tun kann? Was denkst du, will er für dich tun? In einem biblisch verankerten Segenszuspruch hören wir von der gnadenreichen Zukunft, die Gott allein uns eröffnen kann.

Wir lernen dabei, auf die Erfüllung von Gottes Verheißungen bezüglich eines veränderten Herzens und Lebens zu vertrauen (Hebr 13,20–21). Wir lernen, uns nach dem Trost für unsere Herzen und der Stärkung zu jedem guten Wort und Werk auszustrecken (2Thess 2,16–17). Wir lernen, jeden einzelnen Schritt in unserem Leben unter der Gnade des Herrn Jesus zu gehen (Offb 22,21). Segenszusprüche erinnern uns daran, dass das, was wir am meisten brauchen, nur von Gott kommen kann.

2. Segensgeschenke des Evangeliums

Der Segenszuspruch ist ein gottgegebenes, vom Evangelium geformtes Wort des Segens. Der lateinische Begriff benedictio (Segen, Segnung) setzt sich zusammen aus den Worten „gut“ und „sprechen“. Segenszusprüche sind „gute Worte“. Sie sind Worte des Evangeliums. Sie ergreifen Gottes Verheißungen und formulieren sie als erwarteten Segen.

„Beim biblischen Segnen geht es nicht in ersterer Linie um Gesundheit oder Wohlstand; stattdessen wird unsere Aufmerksamkeit auf Gott und seine Gnade gelenkt.“

 

Beim biblischen Segnen geht es nicht in ersterer Linie um Gesundheit oder Wohlstand; stattdessen wird unsere Aufmerksamkeit auf Gott und seine Gnade gelenkt. Der Segen richtet unsere Herzen aus auf Gottes Liebe und Christi Ausharren (2Thess 3,5). Er lädt uns ein in die Gnade, Liebe und Gemeinschaft des dreieinigen Gottes (2Kor 13,13). Er weckt in uns die Sehnsucht nach einer von Freude erfüllten Einheit in unserem Miteinander in der Gemeinde (Röm 15,5–6.13). Im Segen wird der Herzschlag von christlicher Theologie und christlichem Erleben zum Ausdruck gebracht.

3. Für den Alltag

Der Segenszuspruch ist weniger ein Abschluss, sondern mehr ein Übergang. Wenn ein neutestamentlicher Autor am Ende eines Briefes einen Segen formuliert, dann greift er nochmals die Gedanken des Briefinhalts auf – in der Gestalt, dass er das nun als Segen von Gott erwartet. So ist der Segenszuspruch wie eine Brücke, über die der zuversichtlich erhoffte Inhalt des Briefes in unser Alltagsleben transportiert wird.

Aus diesem Grund ist der Segen seit jeher ein Bestandteil des christlichen Gottesdienstes. Er ist nicht nur eine sakrale Ausdrucksweise für: „Sie können jetzt gehen.“ Der Zuspruch des Segens stellt den Übergang dar vom Ende des Gottesdienstes zum Anfang einer Woche, die ebenfalls ein Gottesdienst sein wird. Die Gnade Gottes, die er im Gottesdienst geschenkt hat, wird aufgegriffen und – während wir schon dabei sind, uns aufzumachen – in unser Leben hinübertransportiert. Wir werden in unsere Nachbarschaften, Schulen und Arbeitsplätze entsandt – mit Gottes Segen.

4. Von unschätzbarem Wert

Wir werden den Segen wertschätzen, wenn uns klar ist, wie hoch der Preis dafür war, dass wir ihn empfangen können. Jesus segnete seine Jünger sogleich nach seiner Auferstehung. Dreimal sagte er: „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19.21.26). Aber warum Frieden, und warum nach der Auferstehung und nicht davor? Weil Jesus unseren Fluch tragen musste, damit wir seinen Segen empfangen können. Er ist unser Friede mit Gott.

„Im Prinzip hörte Jesus am Kreuz: ‚Der Herr verfluche dich‘, so dass wir nun hören können: ‚Der Herr segne dich.‘“

 

Im Prinzip hörte Jesus am Kreuz: „Der Herr verfluche dich“, so dass wir nun hören können: „Der Herr segne dich.“ Jesus nahm den Fluch auf sich, den wir verdient haben, damit wir den Segen empfangen können, den wir nicht verdient haben.

5. Für jeden

Wie können wir den Segen heute wieder hochschätzen? Zum einen: Wenn du ein Gemeindeleiter bist, dann segne am Ende eurer Zusammenkünfte. Verwende das Zitat eines biblischen Segens oder nimm die Autoren des Neuen Testaments als Vorbild: Verwandle den Kern deiner Predigt in einen Segen für deine Gemeindefamilie. Mach daraus eine Brücke, über die die Gnadengeschenke des Gottesdienstes in den Alltag transportiert werden. Wenn das für deine Gemeinde fremd ist, dann denke darüber nach, ob du über einige Segenszusprüche des Neuen Testaments predigen solltest, um die Bedeutung des Segnens aufzuzeigen.

Das Zweite: Wenn eure sonntägliche Zusammenkunft mit einem Segen abschließt, dann empfange ihn. Halte deine Hände auf als einen Ausdruck für deine leeren Hände des Glaubens. Lass durch den Segen deine Erwartungen größer werden, mit denen du dich in deine Woche begibst. Empfange den Segen Gottes und nimm ihn mit, wenn du gehst.

Integriere drittens Segenszusprüche in deinen Alltag. Verwende sie in Briefen und E-Mails. Greife darauf zurück, wenn du Karten zum Geburtstag, zu Anlässen oder einfach aus Freundschaft schreibst. Sprich einen Segen über deinen Kindern vor dem Schlafengehen. Drücke damit aus, was du von Gott für deinen Freund oder dein Familienmitglied erhoffst.

Mache dich viertens vertraut mit den Segenszusprüchen in der Bibel. Lies sie, studiere sie, genieße sie, verwende sie. Charakteristische Stellen sind: 4. Mose 6,24–26; Psalm 67,2–3; Römer 15,5–6; 15,13; 1. Korinther 16,22–23; 2. Korinther 13,13; Galater 6,18; Epheser 6,23–24; 1. Thessalonicher 3,11–13; 5,23–24.28; 2. Thessalonicher 2,16–17; 3,5.16.18; Philemon 25; Hebräer 13,20–21.

Möge der dreieinige Gott der Liebe uns leiten, in unserem Alltag Segen zu spenden und zu empfangen, so dass wir unter seinem Segen leben und das erwarten, was nur er geben kann.

Drew Hunter ist Lehrpastor der Zionsville Fellowship in Zionsville (Indiana, USA). Dort lebt er auch mit seiner Frau und seinen vier Söhnen. Er ist Autor von Made for Friendship, Isaiah: A 12-Week Study und Matthew: A 12-Week Study.