Soli Deo Gloria: Gott allein die Ehre

Artikel von R.C. Sproul
9. März 2020 — 6 Min Lesedauer

Soli Deo Gloria ist das Motto der Reformation. Johann Sebastian Bach setzte unter jede seiner Kompositionen die Buchstaben SDG, um deutlich zu machen, dass es Gott und Gott allein ist, der die Ehre für die Wunder seines Schöpfungs- und Erlösungswerkes erhalten soll. Im Herzen der Kontroverse des 16. Jahrhunderts um die Erlösung ging es um Gnade.

Wieviel Gnade benötigen wir?

Es war keine Frage, ob der Mensch Gnade benötigt. Es ging um das Ausmaß. Die Kirche hatte Pelagius für seine Lehre verurteilt, dass Gnade Beginn der Errettung ist, aber nicht vollkommen ausreicht. Der Semi-Pelagianismus hat seitdem gelehrt, dass es ohne Gnade keine Errettung gibt. Aber die Gnade, von der die semi-pelagianischen und arminianischen Theologen sprechen, ist keine wirksame Gnade. Es ist eine Gnade, die die Errettung potenziell möglich, aber keineswegs sicher macht.

„Für den Arminianer mag Gott gnädig sein, aber zusätzlich zu Gottes Gnade ist mein Werk der Reaktion absolut entscheidend.“

 

Im Gleichnis vom Sämann sehen wir, dass Gott die Initiative ergreift, um die Errettung zu bewirken. Er ist der Sämann. Der Same, der gesät wird, ist sein Wort. Die Ernte, die daraus entsteht, ist seine Ernte. Er erntet, was er ernten wollte, als er den ganzen Prozess initiierte. Gott überlässt die Ernte nicht den Launen der Dornen und Steine, die sich entlang des Weges finden. Es ist Gott und Gott allein, der sicherstellt, dass ein Teil seines Wortes auf guten Boden fällt. Ein entscheidender Fehler bei der Auslegung dieses Gleichnisses besteht darin, dass der gute Boden die gute Einstellung bei gefallenen Sündern darstellt, und dass diese Sünder die richtige Wahl treffen, indem sie positiv auf die vorbereitende Gnade Gottes reagieren. Das klassisch reformierte Verständnis vom guten Boden lautet: Wenn der Boden aufnahmebereit für den von Gott gesäten Samen ist, hat Gott allein ihn für das Aufkeimen des Samens vorbereitet.

Warum sind wir gläubig geworden?

Die wichtigste Frage, die sich jeder Semi-Pelagianer oder Arminianer auf praktischer Ebene stellen muss, lautet: Wieso habe ich mich entschieden, dem Evangelium zu glauben und mein Leben Jesus anzuvertrauen, obwohl in meinem Umfeld viele das gleiche Evangelium gehört haben und sich trotzdem entschlossen haben, es abzulehnen? Diese Frage kann unterschiedlich beantwortet werden.

Liegt es an der Intelligenz?

Wir könnten spekulieren, dass der Grund dafür, dass ein Mensch sich dazu entschließt, positiv auf das Evangelium und auf Christus zu reagieren, während ein anderer es nicht tut, darin liegt, dass der Mensch, der positiv reagiert hat, intelligenter war als der andere. Wenn das stimmt, wäre Gott immer noch der letztendliche Auslöser der Errettung, weil die Intelligenz seine Gabe ist und man sagen könnte, dass Gott den Menschen, die das Evangelium ablehnen, nicht die gleiche Intelligenz gegeben hat. Aber diese Erklärung ist offensichtlich absurd.

Liegt es an meiner Entscheidung?

Eine weitere Möglichkeit, über die man nachdenken könnte: Der Grund, warum ein Mensch positiv auf das Evangelium reagiert und ein anderer nicht, könnte darin liegen, dass derjenige, der positiv reagiert, ein besserer Mensch ist. Das heißt, derjenige, der die richtige und gute Entscheidung trifft, tut es, weil er rechtschaffener als sein Mitmensch ist. Dann wäre es also nicht so, wie Jesus sagt, dass das Fleisch gar nichts nützt, sondern es total nützlich ist. Diese Ansicht wird von der Mehrheit der Evangelikalen vertreten, nämlich, dass der Grund, warum sie gerettet sind und andere nicht, darin besteht, dass sie die richtige Reaktion auf Gottes Gnade zeigten, während andere falsch darauf reagierten.

Wir reden hier aber nicht nur von der richtigen im Gegensatz zu einer falschen Reaktion, sondern auch von einer guten im Gegensatz zu einer schlechten. Wenn ich zum Reich Gottes gehöre, weil ich eine gute anstatt einer schlechten Reaktion gezeigt habe, dann habe ich etwas, dessen ich mich rühmen kann, nämlich der Güte, durch die ich auf die Gnade Gottes reagiert habe. Ich habe noch nie einen Arminianer getroffen, der die Frage, die ich gerade gestellt habe, folgendermaßen beantwortet hätte: „Naja, der Grund, warum ich Christ bin, ist, weil ich besser bin als andere Menschen.“ Das würde niemand sagen. Obwohl man diese Schlussfolgerung zurückweist, verlangt die Logik des Semi-Pelagianismus danach. Wenn der Grund, warum ich Christ bin und ein anderer nicht, letztendlich darin besteht, dass ich die richtige Antwort auf Gottes Angebot der Errettung gegeben habe, während ein anderer dieses Angebot zurückwies, dann habe ich durch unwiderstehliche Logik die richtige und der andere die schlechte Reaktion gezeigt.

Die Wiedergeburt geht dem Glauben voraus

„Ich kann es mir nicht als Verdienst anrechnen, dass ich mich für Christus entschieden habe.“

 

Die reformierte Theologie lehrt, dass es stimmt, dass der Gläubige die richtige und der Ungläubige die falsche Reaktion gezeigt hat. Aber der Grund für die Reaktion des Gläubigen ist, dass Gott in seiner souveränen Erwählung das Herz der Erwählten verändert, um eine gute Reaktion zu bewirken. Ich kann es mir nicht als Verdienst anrechnen, dass ich mich für Christus entschieden habe. Gott hat nicht nur meine Errettung initiiert, er hat nicht nur den Samen gesät, sondern er hat auch sichergestellt, dass dieser Same in meinem Herzen aufkeimt, indem er mich durch die Kraft des Heiligen Geistes von Neuem geboren hat. Diese Wiedergeburt ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass der Same Wurzeln schlägt und gedeiht. Aus diesem Grund steht im Kern der reformierten Theologie das Axiom, dass die Wiedergeburt dem Glauben vorausgeht. Diese Formel und Reihenfolge der Errettung weisen Semi-Pelagianer zurück. Sie gehen davon aus, dass sie in ihrem gefallenen Zustand des geistlichen Todes Glauben haben können und so von neuem geboren werden. Aus ihrer Sicht antworten sie auf das Evangelium, bevor der Geist die Neigung ihrer Seele verändert, um sie zum Glauben zu führen. Aber dadurch muss Gott seine Ehre teilen. Kein Semi-Pelagianer kann jemals authentisch sagen: „Gott allein sei alle Ehre.“ Für den Semi-Pelagianer mag Gott gnädig sein, aber zusätzlich zu Gottes Gnade ist mein Werk der Reaktion absolut entscheidend. Gnade ist aber dann nicht wirksam und eine solche Gnade ist am Ende nicht wirklich rettende Gnade.

„Ja, ich muss glauben. Ja, ich muss reagieren. Ja, ich muss Christus aufnehmen. Aber damit ich „Ja“ zu diesen Dingen sagen kann, muss mein Herz zuerst durch die souveräne, wirksame Macht des Heiligen Geistes verändert werden. Soli Deo Gloria.“

 

Dagegen ist die Errettung von Anfang bis Ende des Herrn. Ja, ich muss glauben. Ja, ich muss reagieren. Ja, ich muss Christus aufnehmen. Aber damit ich „Ja“ zu diesen Dingen sagen kann, muss mein Herz zuerst durch die souveräne, wirksame Macht des Heiligen Geistes verändert werden. Soli Deo Gloria.