Some Pastors and Teachers

Rezension von Daniel Vullriede
29. September 2019 — 5 Min Lesedauer

Der schottische Theologe Sinclair B. Ferguson hat einen Sammelband über den pastoralen Dienst vorgelegt. Der ungewöhnliche Titel des Buches orientiert sich an Epheser 4,11 und beschreibt den Gemeindehirten als jemanden, der die Gläubigen besonders durch biblische Lehre leitet und in allen Lebenslagen begleitet. Daniel Vullriede stellt das bemerkenswerte Buch vor.

Was macht eigentlich einen Pastor aus?

Es gibt Gesellschaftsspiele, bei denen man in geselliger Runde unterschiedliche Begriffe erraten soll. Eine Person umschreibt das gesuchte Wort, während die anderen es mit einem Blick auf die Sanduhr herausfinden und so Punkte sammeln. Zwei Dinge erschweren den Ratespaß: Wegen unterschiedlicher Vorstellungen reden die Mitspieler oft aneinander vorbei. Und dann gibt es noch Hilfswörter, die sind schlichtweg Tabu und dürfen beim Erklären nicht genannt werden. Nehmen wir einmal den Begriff Pastor. Wie könnte man ihn umschreiben? Sicherlich verbinden wir damit viele wichtige Dinge – Leiter, Seelsorger, Visionär, usw.

Kaum jemand würde Lehrer zu den Tabu-Wörtern zählen, gleichzeitig sind die Vorstellungen von dem, was ein Gemeindehirte sein oder tun sollte, heute sehr uneinheitlich. Offensichtlich hat sich der pastorale Dienst im Laufe der Zeit gewandelt. Umso dringender stellt sich also die Frage nach seinem Kerngeschäft.

Zurück zum Kerngeschäft

Der Schotte Sinclair Ferguson legt einen einzigartigen Sammelband vor, der Pastoren für ihren Dienst ermutigen, theologisch informieren und anleiten soll. Der ungewöhnliche Titel des Buches orientiert sich an Epheser 4,11 und beschreibt den Gemeindehirten als jemanden, der die Gläubigen besonders durch biblische Lehre leitet und in allen Lebenslagen begleitet. So tiefgehend die einzelnen Kapitel auch sein mögen, man spürt dem Autor stets eine kernige Frömmigkeit und ein enormes Anliegen für die Ortsgemeinde ab. Als langjähriger Pastor, Dozent und Autor verkörpert er jene Verbindung von gesunder Lehre und einem herzlichen Hirtendienst, von der er ausführlich und kompetent schreibt.

Inhaltlich ist das Buch in fünf Abschnitte gegliedert, wobei viele der überarbeiteten Kapitel bereits bei anderen Verlagshäusern erschienen sind. Statt sich von der ersten bis zur letzten Seite durchzuarbeiten, kann man je nach Interesse einzelne Beiträge lesen oder einem bestimmten Thema nachgehen. Dank des Bibelstellen- und Schlagwortverzeichnisses lässt sich der Sammelband somit auch als Nachschlagewerk nutzen.

Aus der Vergangenheit lernen

Nach einem Vorwort geht es im ersten Abschnitt (S. 3–61) um drei Persönlichkeiten aus der Kirchengeschichte. Zunächst beleuchtet Ferguson das Wirken des Reformators Johannes Calvin (15091564) als eine Art Hirten-Lehrer und zieht aus dessen bewegtem Leben Lehren für die Gegenwart. In dem Waliser John Owen (1616–1683) sieht er hingegen einen Pastor und erst später einen Lehrer, dessen Schriften bis heute Kreise ziehen. Dabei ist Owens Einfluss weder seinem beeindruckenden Intellekt noch seiner Selbstdisziplin zu verdanken, sondern vielmehr seiner Gottesbeziehung. John Murray (1898–1975) hingegen unterrichtete in Princeton und am Westminster Theological Seminary – ein prägender Lehrer für Generationen von Pastoren, der zu den Fragen seiner Zeit von Gottes Offenbarung her Antworten fand. Interessant ist, dass Murray als Systematischer Theologe zugleich ein sachkundiger Exeget war. Seine Sehnsucht, als Pastor in einer Ortsgemeinde zu dienen, erfüllte sich erst nach seiner Pensionierung und Rückkehr in die schottischen Highlands, ebenso sein Wunsch zu heiraten und Vater zu werden. 

Der zweite Abschnitt (S. 65–164) dreht sich um christliche Grundwahrheiten, wie sie besonders von Calvin durchdacht und formuliert wurden. Hierbei untersucht Ferguson dessen Sicht vom christlichen Leben, die Inkarnationslehre mit ihren Implikationen, der Aufbau von Calvins NT-Kommentaren als Ressource für andere Prediger, seine stark ausgeprägte Lehre vom Heiligen Geist, sowie seine Perspektive vom Abendmahl als existenzielle Erfahrung der Gemeinschaft mit Christus. Einerseits geben die Kapitel eine gelungene Einführung in Calvins Theologie. Andererseits dient der Reformator als Fallbeispiel dafür, wie biblische Wahrheiten reflektiert und pastoral auf das facettenreiche Gemeindeleben angewendet werden können.

Theologisches Schwarzbrot für einen treuen Dienst

Der Schwerpunkt des dritten Abschnitts (S. 167–345) liegt bei den Puritanern des 17. Jahrhunderts. Dank neuerer Forschungsarbeiten weiß man heute: Die Erneuerungsbewegung war besser als ihr Ruf; sie förderte eine ganzheitliche Sicht auf das Leben und verknüpfte theologische Tiefe mit einem bodenständigen, persönlichen Glauben. Ferguson bietet neben Studien zum puritanischen Verständnis der Vorsehung, des Pastorenamtes und des Predigtdienstes auch mehrere vertiefende Kapitel zu John Owen, u. a. zu dessen Christologie und Pneumatologie.

Im vierten Abschnitt (S. 349–624) liegt der Fokus beim allgemeinen Lehrdienst des Gemeindehirten. Der schottische Autor beleuchtet neben biblischen Themen diverse Bereiche der systematischen Theologie und geht ihrer Bedeutung für die pastorale Praxis nach. Die einzelnen Kapitel behandeln das Schriftverständnis, den Stellenwert der kirchlichen Tradition, das Verhältnis des Heiligen Geistes zur Bibel, den Ansatz der Biblischen Theologie, die Heiligkeit von Gott-Vater, den Triumph Christi in seinem stellvertretenden Sühneopfer, die reformatorische Lehre sola fide, die Heilsgewissheit, die Heiligung, den christlichen Lebensstil als solchen, den Stellenwert der Buße, die Annahme der Gläubigen als Kinder Gottes, und schließlich das Amt des Heiligen Geistes als Geist der Kindschaft.

Da gesunde Lehre und die Verkündigung engstens miteinander verbunden sind, dreht sich der letzte Abschnitt des Buches (S. 627–764) um das Predigen. Eine Beispielpredigt sowie Kapitel zur homiletischen Exegese, zu Christus im Alten Testament, zur theologischen Identität des Predigers und zur Sühnelehre als Predigtthema bieten nicht nur methodische Hilfen. Noch griffiger wird es schließlich bei den Kapiteln über das Zum-Herzen-Predigen und zur homiletischen Praxis in der reformierten Tradition. Zehn Gebote für Prediger und ein Gotteslob als Nachwort runden den Sammelband schließlich ab.

Aus Liebe zu Gott und den Menschen dienen und lehren

Zugegeben – die Seitenzahl und der gehaltvolle Inhalt werden Some Pastors and Teachers wohl nicht zu einem Bestseller machen. Das soll aber nicht heißen, dass sich das Werk ausschließlich an reformierte Dogmatik-Nerds richtet. Obwohl kein Praxisbuch, liegt hier dennoch definitiv ein Buch für die Praxis vor. Dabei entspricht Fergusons Bild des Gemeindehirten weder dem des charismatisch-visionären Pragmatikers, noch möchte er nur versteifte Theologieprofessoren auf der Kanzel sehen. Weil aber Theologie und Praxis im Pastorendienst untrennbar zusammengehören, muss Lehrer kein Tabu-Wort sein.

Ferguson schafft es auf eine faszinierende Art und Weise, unterschiedliche Perspektiven zusammenzubringen und für den pastoralen Dienst von heute fruchtbar zu machen: Exegetische Untersuchungen, Episoden aus der Kirchengeschichte, dogmatische Themen, philosophische Impulse und seelsorgerliche Fragen werden durchweg ernst genommen, vertieft und nachvollziehbar aufgearbeitet.

Buch

Sinclair B. Ferguson. Some Pastors and Teachers – Reflecting a biblical vision of what every minister is called to be. Edinburgh: The Banner of Truth Trust, 2018. 824 Seiten, ca. 38,00 €.